Das Thema ist super spannend und vor allem wichtig!
Gerade wenn man sich die schöne bunte (a)social Media Welt anschaut bekommt man oft den Eindruck, dass alle anderen super glücklich und zufrieden mit sich und der Welt sind, nur man selbst sitzt dort und zweifelt. Maximal liked man es, wenn irgendeine exponierte Person schreibt, dass sie selbst "nicht immer ganz so glücklich" sei, bzw. früher mal struggelte. Dann denken viele "die sind alle so wie ich", dabei ist auch das meist aus einer Situation heraus geschrieben oder gesagt die ausdrückt, dass man das nun überwunden habe. Es geht also nicht um das strugglen mit Selbstzweifeln, sondern um den Weg da raus.
Dabei strugglen sehr viele Menschen mit sich selbst und ihren Umständen, bzw. der Gesellschaft als solcher. Selbst jene, die sich nach außen als gefestigt darstellen. Warum? Weil das so der Usus ist. In den letzten Jahren scheint sich das etwas zu verbessern, aber seien wir ehrlich: Wirklich hat sich daran nicht viel getan. Toxischer Positivismus, das Negieren von allem negativen, auch negativen Empfindungen, wird weithin kultiviert. Dabei kann man negative Gefühle nicht überwinden, wenn man sich mit ihnen nicht auseinandersetzt, was wiederum erst möglich wird wenn man sie überhaupt akzeptiert.
Emotionen sind zunächst Emotionen.
Sie müssen nicht rational sein. Um sich mit ihnen auseinandersetzen zu können muss man sie zunächst wahrnehmen und akzeptieren. Oftmals ist nicht die pure Emotion das Problem, sondern die Ursache. Die ist dann irrational. Gegen Gefühle kann man aktiv nichts tun. Man kann sich nicht direkt dafür entscheiden wie man sich fühlt. Man kann gefühle nicht direkt steuern. Was man tun kann ist sich mit ihnen auseinanderzusetzen und durch das eigene Verhalten steuern, wie man mit ihnen umgeht. Deshalb gibt es im worst-case Verhaltenstherapien. Bzw. natürlich auch anderen Therapieformen, aber mir geht es jetzt um die aktive Behandlung akuter Gefühle, die nicht gerade von Traumata, etc. herrühren, weil das einfach an dieser Stelle zu weit ginge.
Was mir hilft ist die Akzeptanz des Gefühls und dann eine Rationalisierung der Ursache.
Oft ist es ja kein "ich habe Selbstzweifel", sondern eine Einbettung dieser Selbstzweifel in einen Kontext.
Also eher ein "mein gestriges Date meldet sich nicht mehr, ich war wohl nicht gut genug"-Selbstzweifel.
Oder "ich habe jetzt schon seit 6 Monaten, trotz aller Bemühungen, kein Date mehr gehabt".
Zudem man dann oft genug Gründe für den Selbstzweifel findet:
"Das Date von gestern meldet sich nicht mehr. Das lag bestimmt daran, dass ich XY getan / nicht getan habe, bzw. daran, dass ich zu klein / groß / dick / dünn, etc. bin."
Sofort geht eine gewisse Spirale los.
1. Das Date meldet sich nicht mehr.
2. Das liegt bestimmt daran, dass sie keinen Bock mehr auf mich hat.
3. Die Ursache dafür, dass sie keinen Bock mehr hat ist mein Aussehen / mein Verhalten.
4. Ich werde auch bei späteren Dates total abkacken.
5. Am besten Date ich gar nicht mehr.
Mir half damals, als ich vor vielen vielen Jahren selbst in einer Verhaltenstherapie war die ABC-Analyse im Rahmen eines Rationalisierungsprozesses.
Dabei wird das Problemfeld, das einen bewegt, aufgeschrieben. Das wäre Punkt 1: Das Date meldet sich nicht mehr. Dann wird die eigene "gefühlte" Wahrheit dazu geschrieben: Liegt bestimmt an mir, weil...
Statt das nun stehen zu lassen wird sich überlegt was sonst die Ursache sein könnte. Etwa:
Naja, das Date war gestern Abend bis 22 Uhr. Heute ist es einen Tag später und 16 Uhr. Sie könnte unterwegs sein. Vielleicht muss sie arbeiten. Vielleicht ist sie bei ihrer Family. Vielleicht ist es für sie auch total normal sich erst später zu melden.
Meistens findet man sehr viele alternative Gründe für das was da gerade passiert ist und wegen dem man an sich selbst zweifelt. Natürlich kann es noch immer passieren, dass die Person in dem Fallbeispiel sich wirklich nicht meldet, weil sie keinen Bock hat. Aber auch das muss nichts über meinen Selbstwert aussagen. Vielleicht passt ihr meine Frisur nicht. Und? Vielleicht hatte ich als wir Abends ins Bett gingen einen zu kleinen Schwanz. Und? Da kann ich auch nichts für. Das war ihre Erwartung.
Was mir hilft ist es zu versuchen Dinge zu analysieren. Das klappt bei mir erfahrungsgemäß schriftlich besser als nur im Kopf, weil so die haptische Möglichkeit gegeben ist Dinge herauszulassen (tippen) und dann nüchtern zu betrachten.
Gesunde Selbstzweifel sind am Ende völlig okay, weil sie dazu animieren sich selbst zu reflektieren und sich nicht der Selbstüberschätzung hinzugeben. Problematisch ist es eher, wenn man sich nur noch in Selbstzweifeln verliert.
Manchmal, nicht immer, ist auch die Umgebung ursächlich dafür.
Ich nehme mich einmal als Beispiel:
Wenn ich mich mit 178cm und 105kg auf der "Flowers and Bees" versuche mit den männlichen Modes zu messen oder glaube ich könnte die Frauen anflirten, die auf diese Typen schielen, dann ist es kein Wunder wenn ich vor Selbstzweifel geradezu explodiere. Damit will ich nicht sagen, dass man sich selbst unterbuttern und "auf sein Level" schauen soll, was auch total toxischer Blödsinn ist. Aber mal ganz rational: Wenn es um Schaulaufen geht bin ich halt kein männliches Model.
Genauso wenn es um Bondage geht. Ich fessle nicht seit 20 Jahren, die letzte Zeit nicht einmal ansatzweise regelmässig. Mich mit einem Profi-Rigger, der auf Shows auftritt zu vergleichen wäre - rational betrachtet - so irrsinnig wie mich mit einem deutschen Spitzenmarathonläufer vergleichen zu wollen, obschon ich gerade einmal alle paar Tage ein paar Kilometer walken gehe.
Unrealistische Vergleiche gebieren Frust und Enttäuschung, weil man von sich selbst plötzlich beginnt Dinge zu erwarten, die völlig unrealistisch sind.
Und genau das passiert, wenn man sich dauernd auf (a)social media die ganzen Feelgood-Fuckup-Scheiße reinzieht und deshalb beginnt darum frustriert zu sein, weil man nicht so ein geiles Auto fährt, kein Haus besitzt (kaum jemand mit normalem Einkommen schafft das heute noch, wenn er oder sie nicht gerade erbt), man nicht gerade auf Ibiza am Strand den Sonnenaufgang genießt, man eben keine Modelmaße hat ohne scheinbar etwas dafür tun zu müssen (denn die wenigsten zeigen wie sie dazu kommen) und weil man nicht die super glanz Beziehung führt, in der es niemals zu Streits kommt.
Ich halte von dem Satz "sei mit dem glücklich was du hast" gar nichts.
Das ist ein Satz den die Mächtigen schwingen, damit die mit weniger Wohlstand die Fresse halten. Ich sah noch keinen Vermögenden der seine Kohle abgegeben hätte, weil er "auch mit wenig zufrieden" sei.
Das Ding ist sich zu fragen woran man etwas ändern kann und sich dann nur an sich selbst zu messen.
Habe ich heute realistisch so agiert wie ich es wollte?
Habe ich mich im Vergleich zu gestern gesteigert, wenn ich das überhaupt wollte?
Selbstwert sollte zudem immer aus einem selbst erwachsen und nicht nur generiert werden indem man sich selbst in anderen spiegelt. Das wäre sonst das klassische "du bist nur etwas Wert, wenn du etwas leistest, das wiederum andere anerkennen".
Was hilft ist sich eine Blase von Menschen zu schaffen, gute Freunde eben, die einen so akzeptieren wie man ist. Man weiß also, dass es Menschen gibt, die einen annehmen. Dann ist es auch einfacher mit Ablehnung von neu kennengelernten anderen Menschen umzugehen.
Das klingt alles wie so ein Empowerment-Vlog, die ich eigentlich total verabscheue.
Gerade wenn ich im Stress bin ballert mein Impostersyndrom massiv.
Nüchtern betrachtet weiß ich, dass ich verdammt viel kann, gleichzeitig aber auch verdammt viel nicht. Mir ist auch bewusst, dass es okay ist nicht alles zu können. Es wird immer einen Menschen geben, der besser fickt, meinen Job besser kann, der mehr Geld hat, der mehr Muskeln hat, der Schlanker ist, der mehr Ausdauer hat, der besser fesselt, der mehr BDSM-Erfahrung hat, der sportlicher ist, der intelligenter ist, der mehr Geld hat, usw. Das ist einfach so. Da macht man nichts dran. Wichtig ist genau dies so auch akzeptieren zu können. Aber das ist mir nicht immer bewusst, gerade wenn ich wirklich unter Stress stehe und dann noch irgendein Rückschlag, egal wobei, auftritt. Und sei es nur, dass ich gerade dutzende Dinge organisieren muss und alles hängt irgendwo, weshalb ich "Oberkante Unterlippe" unterwegs bin.
Was ich mittlerweile für mich lernte ist, dass ich keine Wertung ziehe, wenn ich gerade mitten im "Feuer" stehe und weiß, denn so gut kenne ich mich, dass ich zu einer rationalen Situationsbewertung emotional nicht in der Lage bin. Dann sollte man besser wirklich zunächst eine Nacht, vielleicht auch zwei oder drei, über Dinge schlafen und sie zunächst aushalten.