Liebe im Zeitalter des Web 2.0 – eine zweischneidige Angelegenheit.
Einerseits stellen die neuen Medien eine große Versuchung zur Erfüllung unserer tiefen Sehnsüchte nach Anerkennung, Intimität und bedingungsloser Annahme dar und verleiten dazu, auf Illusionen zu setzen, auf den Traummann, die Traumfrau, die es in der eigenen Phantasie und im Netz, aber niemals im echten Leben gibt……Thats live.
Andererseits bietet das Internet eine großartige Chance für Menschen, die ehrlich und mit einer realistischen Haltung über diesen Weg einen Lebenspartner finden. Die vielfältigen Kommunikationsanwendungen erleichtern es, Beziehungen auch bei räumlicher Distanz aufrecht zu erhalten und vielfältig und kreativ zu gestalten.
Dass dies jedoch eine sehr seltene Ausnahme ist, bedarf dem Grunde nach keiner weiteren Diskussion. Unserer Gesellschaft heute: Partner kommen, Partner gehen. Wer nicht passt, wird ausgetauscht. Gegen den nächsten, mit dem es dann vielleicht besser klappt. Oder auch nicht.
Ist die heutige Gesellschaft etwa nicht mehr bereit, sich zu binden? Sich auf eine ernsthafte Beziehung einzulassen, in der man nicht nur nehmen kann, sondern auch geben muss? Gibt mittlerweile die "Generation Beziehungsunwillig" den Ton an?
Die Schwierigkeit, sich auf einen Partner einzulassen hat es immer schon gegeben, meiner Meinung nach. In allen Kulturen und zu allen Zeiten. Mit einem Unterschied: Heute ist der Einstieg in eine Beziehung leichter. Der Einstieg ebenso wie der Ausstieg. Früher hat man eine Beziehung aufrechterhalten, weil eine Trennung u.a. undenkbar war. Denn mit der Trennung einher ging früher nicht nur das Risiko, gesellschaftlich geächtet zu werden, sondern auch den finanziellen Boden unter den Füßen zu verlieren. Das ist heute glücklicher Weise nicht mehr der Fall. Es ist legitim, sich zu trennen. So wäre man heute eher dazu verleitet, eine Beziehung zu beenden, wenn Schwierigkeiten auftreten. Wobei ich für mich feststelle, dass die heutige Gesellschaft sich inzwischen für jeden Furz trennt. Schwindet die Kompromissbereitschaft? Ich glaube sich schwindet nicht erst seit kurzem, sondern schon seit Jahren.
Heißt das, dass man heute weniger dazu bereit ist, Kompromisse einzugehen? Ich glaube es geht weniger ums Wollen als ums Können. Ferner glaube ich, dass viele gar nicht beziehungsfähig sind. Denn um beziehungsfähig zu werden, müsse man eine Reihe an Entwicklungs- und Lernprozessen durchlaufen. Nun sei es aber so, dass unserer Gesellschaft heute vermehrt versucht, sämtliche Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Mit der Folge, dass die viele inzwischen kaum Bewältigungsstrategien lernen und eine niedrige Frustrationstoleranz haben.
Die Realität zeigt: Der Partner ist nicht immer das Gelbe vom Ei. Man muss sich zusammen streiten können, gemeinsam Höhen und Tiefen durchwandern. Das muss man auch gelernt haben. Ich sehe hier ein deutliches Manko, dass es sehr vielen mitunter schwerfällt, empathisch aufeinander zuzugehen. Viele Menschen, nicht nur die jungen Menschen, sondern auch meine Generation, sind groß geworden mit dem Bewusstsein: „Ich bin der/die Beste. Für mich kann gar nichts gut genug sein“ Was für ein fataler Fehler. Anderseits habe ich immer häufiger auf Personen (weiblich wie männlich) mit überhöhtem Selbstbewusstsein getroffen, hinter deren Fassade dann doch nur Heise Luft war..
Auffallend ist auch das ganz viele mit dem Bewusstsein leben: Ich bin der/die Beste, der/die Tollste. Für mich kann gar nichts gut genug sein.
Für eine Beziehung, in der es darum geht, den Partner wertzuschätzen und zu lieben, eine schwierige Voraussetzung, meine ich und das ist schließlich weder mit Traumfrau noch mit Traummann in Einklang zu bringen.
Ich spreche und erkenne oft in diesem Zusammenhang von der Maximierung. Geleitet von dem Gedanken "Irgendwo finde ich noch etwas Besseres", verfolgen genau diese Menschen stets das Ziel, in sämtlichen Lebensbereichen das Optimum zu erreichen. Solch Menschenschlag trifft man ja auch im Joy zu genüge. Das ist in Wirklichkeit aber gar nicht möglich, möchte ich an dieser Stelle zu bedenken geben. Und schon gar nicht in einer Beziehung, in die jeder Mensch Stärken wie Schwächen einbringt.
Wer sich dennoch der Illusion hingibt, den Traummann, die Traumfrau zu finden, wird in Beziehungsangelegenheiten kaum erfolgreich sein.
"Der Begriff sagt ja schon: Den gibt's nur im Traum. Im Traum ist alles ideal. Da gibt es nur Übereinstimmung, nur Zuneigung. Die Bedürfnisse und Interessen des anderen entsprechen den eigenen. Alles ist immer im Einklang. Das gibt es im wirklichen Leben aber nicht." Und wie ich persönlich finge, Gott sei Dank auch nicht.