Wenn du emotionale Gründe nicht kennst, wirst du immer Schwierigkeiten haben, sie bei anderen nachvollziehen zu können.
Menschen bewegen sich nun mal auf sehr unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen. Die eine ist die rationale - die scheint bei dir ja recht ausgeprägt zu sein. Die andere - oft mit "Bauchgefühl" oder überhaupt mit Emotionalität verbunden - ist vielschichtiger. Nicht unlogischer, es werden für solche Entscheidungen nur oft Kriterien herangezogen, die wir meist nicht bewußt wahrnehmen oder denken können: "Instinkt" (zum Beispiel Gerüche), Erinnerungen oder Assoziationen, an die wir uns im bewußten Denken nicht mehr erinnern können - quasi so eine Art "Archiv" im Gehirn usw.
Beispiel: du gehst über eine Straße. Ich nehme an, du schaust nach links und rechts, gründlich, du willst ja nicht überfahren werden. Wenn du das schon hunderte von Malen gemacht hast, wird dir das so gewohnt sein, daß du darüber nicht nachdenken mußt. Und vielleicht gehst du sogar, ohne allzu genau zu schauen, weil dir dein Gehör weitere Informationen liefert, ob ein Auto kommt. Du reagierst normalerweise nur halb bewußt - wenn in der Peripherie deines Sichtfeldes plötzlich irgend eine schnelle Bewegung wahrnehmbar ist, wirst du möglicherweise deinen Fuß zurückziehen, ohne darüber nachzudenken, ob ein Schatten, der oberhalb der Fahrbahn schnell vorbeihuscht, tatsächlich ein Auto sein kann, das dich überfahren könnte.
So in etwa funktionieren "emotionale" Entscheidungen. Wir alle verfügen über einen Fundus an nicht bewußten "Entscheidungskriterien", die ihrer eigenen Logik folgen. Sie sind weniger berechenbar als die rationale Logik, aber dafür "schneller" verfügbar, müssen nicht überlegt werden.
Das ist die eine Seite (und ziemlich vereinfacht ausgedrückt). Die andere: das "Wollen". Was assoziiert das Paar, das auswandern will? Vermutlich: andere Umgebung, Loslösen von Gewohntem, vielleicht auch Zurücklassen von unangenehmen Erinnerungen. Dazu vielleicht auch der Wunsch, sich in neuer Umgebung zu beweisen, neue Impulse, neue Menschen kennenzulernen.
Rational betrachtet auf den ersten Blick alles sehr vage. Genauer hingesehen ist das in unserem Menschsein aber als Möglichkeit angelegt, notwendig. Wäre das nicht so, wären wir keine anpassungsfähige Spezies und hätten als solche nicht überleben können: Menschen sind durch Klimaveränderungen, durch knappe Nahrungsressourcen usw. immer wieder aufgebrochen, um in neue, fremde Umgebungen auszuwandern. Daß das nicht alle tun und können ist klar, aber grundsätzlich ist diese Fähigkeit etwas, das uns als Spezies auszeichnet. Daß das individuell nicht immer nachvollziehbar oder in heutigen Zeiten nicht immer "logisch" erscheint ist klar. Daß du dir darüber heute keine Gedanken machen könntest, wäre dieser "Drang" nach Erweiterung und Erforschung neuer Lebensräume nicht in uns angelegt, ist genauso klar.
Letzter Gedanke dazu: überleg dir, ob eine Spezies, die alles rational durchdenkt und danach handelt, überhaupt lebensfähig sein kann. Und dann überleg dir auch, ob du schon Situationen erlebt hast, in denen du sehr schnell, impulsiv und ohne zu überlegen re-agiert hast.