Warum wird Wut / wütend sein immer negativ assoziiert?
Wut ist eine Basisemotion, die wir brauchen
Ja, man darf wütend auf die Kids sein, weil sie zum tausendsten Mal ihr Zimmer nicht aufgeräumt, ihre Schmutzwäsche nicht weggeräumt, oder uns wieder einmal 30 Minuten haben warten lassen.
Ja, man darf auf den /die Ex sein, weil er/ sie nur mit uns gespielt hat und es nie ehrlich meinte.
Und ja, ich darf auch auf mich selbst wütend sein, weil ich Schussel etwas verbockt, vergeigt, nicht verstanden, übersehen, falsch gedeutet u. v. m. habe.
Was ist also unser Problem mit der Wut?
Aus meiner Sicht, weil wir sie nicht mögen. Sie schmerzt, tut weh, erinnert und an Abschnitte des Lebens etc. Wir reden uns ein, dass man als anständiger Mensch nicht wütend ist, nicht wütend sein darf. Wie perfide ist das denn? Wut ist eben nicht immer mit Aggression verbunden.
Viele predigen gebetsmühlenartig, wie reflektiert sie seien, vermögen jedoch nicht eines mit den elementarsten Emotionen in sich zu erkennen. Wut ist eine Basisemotion, die wir nämlich brauchen.
Wir haben diese Emotion in den ganzen Jahrtausenden der Menschheitsentwicklung nicht verloren. Wut zeigt uns einmal mehr an, dass jemand unsere Grenzen überschreitet.
Das bedeutet nach meinem dafür, Wut hat eine Funktion und sie vermittelt uns Erkenntnis über uns selbst.
Wenn wir uns ausschließlich darum bemühen, die Wut nicht zu spüren oder zu zeigen, dann berauben wir uns der Möglichkeit, dank dieser Erkenntnis unser Leben zu ändern. Ganz einfach!
Nach meinem dafür lügt jeder, der sagt, er sei nicht wütend. Der das sagt, lügt sich primär nur selbst an. Und im Umkehrschluss natürlich auch die anderen. Warum? Weil man sich dadurch nicht offen zeigt, wenn man seine Wut verschleiert.
Genaugenommen liegt das Problem daher in der zwischenmenschlichen Kommunikation. Wer seine Emotionen nicht vermittelt, wird nicht korrekt kommunizieren.
Ich erlebe in meinem Beruf immer wieder Menschen, die ihre Wut eben nicht als Information genutzt haben –oft erkennt man, dass sie jahrelang einfach nur unterdrückt wurde und ich mich frage, wann sie explodieren. Die Wut staut sich an, aber eben nur in wenigen Fällen schlägt sie in Aggression um. Daher ist wütend sein nicht mit Aggressionen zu verwechseln.
Wütend sein ist daher für mich auch eine positive Emotion, indem ich mich ihr stelle, ich sie wahrnehme und sie als das nutze, was sie auch sein soll: nämlich als Motor für Veränderung, Selbstreflexion und für authentische Interaktion.
Passend zum Thema.
Wir dürfen wütend sein, denn kein Mensch empfindet falsch. Eine Emotion ist immer authentisch. Warum zeigen viele Menschen ihre Wut nicht offen, wenn sie doch etwas ganz Normales ist?
Ich glaube, das liegt am gesellschaftlichen Druck. Es ist eine generelle Tendenz heutzutage, das Leben rundum abzusichern und zu behübschen. Alles, was nicht ins Bild passt, wird weggeschoben, abgegrenzt, getrennt…… Schöne Scheinwelt!
Jede Oberfläche zu glätten, das ist auch Teil der «Political Correctness Gesellschaft» in der heutigen Zeit. Die kann und sollte man durchaus kritisieren, finde ich, denn bestimmte Themen kann man so gar nicht mehr ansprechen. In diesen Rahmen fällt oft auch unser Nicht-Umgang mit negativen Emotionen, vor allem mit der Wut. Natürlich ist es unangenehm, wütend zu sein. Aber es wäre ja lächerlich zu glauben, dass man immer nur fröhlich, frisch und frei durchs Leben marschieren kann. Meiner Meinung nach, denn das bin ich in der Tat nicht immer.
@***oy:
12 Jahre in einer Beziehung ist nach meinem Dafür heute eine Seltenheit. Zu schnell wird ja heute alles weggeworfen, sich getrennt, wenn es mal nicht so läuft. Daher schon mal meinen aufrichtigen Respekt.
Verena Kast sagte einmal: Wer Wut nicht ausleben kann, agiert oft passiv-aggressiv. „Man geht also nicht in die direkte Konfrontation, sondern zieht sich zurück“. So stelle ich mir das in Deinem Fall vor, wohl wissentlich, dass es nur eine Vermutung ist.
Wenn Eltern ihre wütend schreienden Kinder alleine lassen, erleben diese das als Bestrafung. „Mit dem Effekt, als Kind zu sagen, bevor ich diese Bindung in Gefahr bringe – natürlich nicht bewusst – verliere ich lieber mich selbst und den Kontakt zu mir selbst. Das heißt, ein Teil dieser Wut wird abgespalten, unterdrückt häufig, was Folgen hat als Erwachsener, dass ich das nicht zur Verfügung habe als Kraft.“
Höre in Dich hinein, das funktioniert auch ganz leise.
Also eher das Körpergewahrsein zu schulen, um zu schauen, wo im Körper ist diese Energie, wohin will sie sich bewegen, wo ist sie blockiert? Was sind da noch für Gefühle, was sind da noch für Lebenswelten, was kommen für Gedanken dazu? Also, all diese Facetten zu verlangsamen, um Bewusstheit darin zu schulen. Dass es schon natürlich im Körper sein darf, es aber nicht um einen wilden Ausdruck geht.
In diesem Sinne wünsche ich Dir Kraft...
Wie immer, meine Meinung und nicht allgemein gültig!