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Alles, was du dir nehmen kannst

Zitat von **********lerin:
... Ihr Körper hungerte nach mehr …

Wir auch! *zwinker*
**********lerin Frau
728 Beiträge
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*****962 Mann
76 Beiträge
Super erotisch und sinnlich, verletzlich und erregen. Die Handlung ist super, Deine Sprache und Erzählstil sehr gekonnt.
Vielen Dank, daß Du sie mit uns teilst.
Ich freu mich sehr auf die nächste Fortsetzung und es ist sehr spannend, wie Du uns mit Deinen literarischen Pausen so elend hinhälst- tolles Timing
Bis bald und beste Grüße vom Toni aus Köln *danke* *wink*
**********lerin Frau
728 Beiträge
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**********lerin Frau
728 Beiträge
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*******_77 Mann
270 Beiträge
Ein erregende Geschichte, da läuft das *kopfkino* auf Hochtouren,
so ein Erlebnis würde ich mir als Crossdresser wünschen-
Ausgeliefert und benutzt zu werden, aber von einer Herrin sicher geführt zu werden!

Danke für diese Wundervolle Geschichte!
**********lerin Frau
728 Beiträge
Themenersteller 
Aftercare?
Erst, als Sina bemerkte, dass jemand ihr sanft durch die Haare streichelte und ihr beruhigende Worte ins Ohr murmelte, bemerkte sie, dass sie weinte. Sie war gar nicht traurig. Die Tränen flossen trotzdem, rannen ihr sanft, kühl und liebevoll die Wangen hinab. Es war zu viel gewesen. Zu heftig. Oder zu wenig.

Oder zu alles.

Sie spürte, oder vielleicht sah und hörte sie auch, dass die anderen zurücktraten, nur ihr Herr-für-einen-Abend stand noch neben ihr und streichelte ihre Haare. Schließlich sah sie zu ihm auf.

Er war ein Fremder. Und das, was so lange so richtig gewesen war, fühlte sich mit einem Mal schrecklich falsch an.

Immer noch spürte sie die Blicke aller Menschen im Raum auf sich. Vermutlich sahen die anderen gar nicht hin, aber Sina fühlte sich, als täten sie es. Sie war zu drei Vierteln nackt, weich, ihr Körper brannte von der Benutzung, und in ihr kämpften Endorphine und Panik miteinander.

„Komm mit aufs Sofa“, sagte ihr Herr, sobald er ihren Blick auffing. „Komm, steh auf. Soll ich dir helfen?“

Sina wollte keine Hilfe, sie wollte in ihren Kopf flüchten, dorthin, wo die Welt zu existieren aufhörte und sie frei war und schwebte. Doch sie ließ sich hochhelfen und folgte dem Fremden zum Sofa. Er half ihr, sich hinzusetzen, und angelte von irgendwoher eine Decke, in die Sina sich wickeln durfte. Sie verstand nicht genau, was er mit einem der anderen besprach, doch als man ihr kurz danach eine Tasse süßen Tee reichte, nahm sie dankbar an und wärmte ihre kalten Fingerspitzen daran.

„Wie geht es dir?“, fragte ihr Herr sanft.

Sie nickte mechanisch.

„Das ist keine Antwort.“ Er musterte sie aufmerksam.

Sina blickte zurück und zuckte mit den Schultern. Wo auch immer sie gerade war, es war ein Ort, der mit Worten nichts zu tun hatte.

„Möchtest du dich ankuscheln?“

Wieder wusste sie nicht, was sie antworten sollte. Die ehrliche Antwort hätte Ja gelautet. Das, was sie gerade erlebt hatte, war zu krass gewesen. Sonst war sie im Anschluss an ihre Erlebnisse stets aufgestanden, hatte sich in Wind und Freiheit gehüllt und war hocherhobenen Hauptes davongegangen. Fühlte sich schöner, weil sie gewagt und erlebt hatte, was weit über alles hinausging, was sie bis dahin für möglich gehalten hätte.

Die Schwäche, Leere und Erschöpfung, die sie jetzt erfüllten, waren neu. Irgendetwas unterhalb ihres Herzens hatte sich mit Kälte gefüllt.
**********lerin Frau
728 Beiträge
Themenersteller 
Ein Moment der Klarheit
Das Gefühl von Leere und Kälte vertiefte sich.

Sina nickte schließlich. „Ankuscheln wäre gut“, sagte sie so sachlich und neutral, wie sie konnte. Es schien etwas zu sein, was sie jetzt brauchte, um gegen die beschämende Schwäche in ihren Beinen anzugehen. Sie fühlte sich, als wäre sie nicht in der Lage, wieder aufzustehen. Die Muskeln an Po und Becken weigerten sich, ihre Pflicht zu tun, den Rücken zu stützen und die Beine beim Laufen festzuhalten.

Der Fremde öffnete die Arme. Sina konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten. Innerlich verspürte sie etwas, das sich beinah wie Hass anfühlte. So hatte es nicht laufen sollen. Am Ende war es doch Sina, die siegte und sich über die erhob, die sie zu beherrschen glaubten! Sie wollte doch stark sein. Sie musste stark sein.

Wenn sie nicht mehr stark war, konnten fürchterliche Dinge passieren.

Doch jetzt war da diese Schwäche, diese Leere und Kälte und die Tränen, die ganz dicht unter der Oberfläche lauerten und darauf warteten, aus ihr herauszubrechen. Wenn sie noch länger allein in ihrer Ecke kauern würde, würde sie zu weinen beginnen. Wenn sie aufstand und den Raum verließ, um wieder zu ihrer Alltagskleidung zu finden, würde sie zu weinen beginnen.

So war es nicht geplant gewesen.

Vorsichtig rutschte Sina auf dem Sofa neben den Mann, die Decke immer noch hochgezogen, damit sie ihre Brüste und den Rest von ihr bedeckte. Sie umklammerte ihren Tee und legte ihren Kopf vorsichtig an die Schulter des Mannes.

Er legte seinen Arm um sie.

Sina duldete es.

Auf irgendeiner tiefen, archaischen Ebene spürte sie trotz allem, dass es richtig war, sich jetzt anzukuscheln und bei einem anderen Menschen zu sein. Wärme zu spüren. Es beruhigte ihren Puls und drängte die brutale, erstickende Kälte in ihrem Magen zurück. Sina versuchte, die richtige Balance zwischen dem stillen Punkt in sich und dem Minimum an erforderlicher Nähe zu finden. Ihre Sprache kehrte allmählich zurück, aber sie wollte mit diesem Mann nicht reden. Sie schämte sich für das, was sie mit sich hatte anstellen lassen.

Außerdem roch der Mann falsch.

Vorhin hatte es nicht gestört. Vielleicht hatte sein Deo den natürlichen Duft seiner Haut überlagert. Oder, überlegte Sina, sie war einfach nicht dicht genug an ihn herangekommen, und bewusst wahrzunehmen, wie seine Haut roch.

Allmählich beruhigte sich ihr Atem und wurde tiefer. Sie musste gähnen und nahm einen Schluck Tee.

Ihr Dom, oder die fremde Zufallsbekanntschaft, was auch immer der Typ war, veränderte seine Position. Er lehnte seinen Kopf sanft gegen Sinas. Es beruhigte sie tatsächlich und vermittelte ihr ein Gefühl von Geborgenheit, zumindest an der Oberfläche.

Er war und blieb ein Fremder.

Doch die Geste war nicht mehr die eines Fremden, sondern eines Vertrauten.

Sina fühlte sich zerrissen. Der Moment der Geborgenheit tat gut. Auf dumpfe Weise fühlte es sich an, als hätte sie in Wahrheit die ganze Zeit nach genau so etwas gesucht. Nach einer Nähe und Verbundenheit, die so tief ging, dass sie alles umfasste, was sie war.

Die Vorstellung machte ihr Angst. Wenn jemand tatsächlich so dicht an sie herankam, dass er alles halten, berühren, besitzen und kontrollieren durfte, was sie war …

Was wäre, wenn der andere diese Macht missbrauchte?

Hatte sie deswegen seit Jahren panisch die Flucht ergriffen, sobald ein Mann ihr Herz berührte und die Gefahr bestand, dass sie sich früher oder später in ihn verliebte?

In diesem Augenblick, in dem Sina nach wie vor das volle Brennen und die Absolutheit der Hingabe fühlte, zu der sie fähig war, aber auch die zärtliche Nähe des Fremden an der Schwelle zu etwas, wo er kein Fremder mehr wäre, überkam sie die Erkenntnis wie ein Lichtblitz von Kopf bis Fuß. Auf einmal passte alles zusammen. Die Einsamkeit an der Seite ihres ersten Freundes, der so sanft und lieb gewesen war, aber bei dem sie nie den Halt und die Härte gefunden hatte, den sie gebraucht hätte, um auf diese Weise in die volle Größe und Form ihres Seins zu fließen. Die Einsamkeit an der Seite ihres zweiten Freundes, der ihr Härte gegeben hatte, aber weder Sanftheit noch Liebe noch Halt, bis sie flüchten musste und ein halbes Jahr bei Freunden untertauchte.

Irgendetwas hatte immer gefehlt. Sie hatte nie ganz die Frau sein dürfen, die sie war.

Und war das nicht eine der wichtigsten Voraussetzungen überhaupt für eine Beziehung? Wenn man sich bei einem anderen Menschen permanent verstellen musste und für das schämte, was man war, sei es wegen der Sehnsucht nach Härte oder wegen der Sehnsucht nach Zärtlichkeit, wie konnte es dann Liebe sein?

Das, was sie war, war real und absolut. Es war kein böses Verlangen, dem sie schamhaft alle paar Wochen oder Monate nachgeben wollte, um anschließend mit erhobenem Haupt in ihr wahres Leben zurückzukehren. Das würde nämlich bedeuten, dass sie sich dafür schämte, anstatt sich wertvoll und vielleicht sogar stolz auf das zu fühlen, was sie war. Ihre Hingabe, dieses seltsame, weiche und warme Fließen, dessen Größe und Intensität sich nach einer ebenso großen und intensiven Form sehnte, in die sie fließen konnte, war sie selbst. Das war die wahre Sina.

Es war zumindest ein wichtiger Teil von ihr.

Wie lange wollte sie noch davonlaufen und sich immer neue Situationen zusammenkonstruieren, in denen fremde Männer ihr einen blassen Abklatsch von dem ermöglichen sollten, was sie in Wahrheit war – in Situationen, die Sina im Vorfeld so sorgfältig skriptete, dass ihr Herz auf keinen Fall involviert werden konnte?

Sie richtete sich auf und sah den Fremden an, der für einen Abend ihr Dom gewesen war. „Ich glaube, ich bin viel devoter, als ich immer dachte.“

Er nickte. In seinem Blick lagen Liebe und Wärme. „Das klingt wie ein Abend großer Selbsterkenntnis.“

Sie nickte nachdenklich. „Ich glaube, damit muss ich erst mal klarkommen.“

„Es ist immer ein Schock, ja. Zu erkennen, dass es real ist. Dass man wirklich so fühlt und nicht nur auf kleinen Ausflügen in eine verbotene Welt jenseits der Realität.“

Sie sah ihn erstaunt an. „Du auch?“

Er nickte und sah plötzlich verlegen aus. „Ich kämpfe auch manchmal noch damit, wie ich bin. Meine letzte Beziehung ist daran zerbrochen.“

Sina zuckte zurück.

„Keine Sorge.“ Er lächelte wieder so warm und lieb wie zuvor. „Ich hab schon verstanden, worum es dir ging. Du bist ein Schmetterling, der gerade erst geschlüpft ist, und du suchst nach einem anderen Schmetterling, der so schön ist wie du. Heute ist nicht der Tag, an dem du dich binden willst.“

Sina atmete erleichtert und dankbar aus. Es wäre furchtbar gewesen, wenn der Mann diesen Moment der Wahrheit und Verletzlichkeit missbraucht hätte, um Sina unter seine Kontrolle zu bringen, weil er sich nach etwas Ähnlichem sehnte wie sie. Tief in sich spürte sie, dass der richtige Anfang dafür keine Nacht wie diese sein durfte.

„Danke“, sagte sie leise und kuschelte sich an. Endlich fühlte sich die Geborgenheit echt an. Dieser Mann sah sie als das, was sie war, und akzeptierte es, als wäre es völlig normal. Darin lag etwas unglaublich Heilsames. „Du bist echt korrekt, weißt du das?“

Er küsste sie sanft auf die Schläfe. „Du auch.“
**********lerin Frau
728 Beiträge
Themenersteller 
Eine neue Sehnsucht
In den Tagen nach der Party konzentrierte sich Sina auf ihre Arbeit. Sie fühlte sich wund und benutzt, high und schmutzig, angekommen und für immer verloren. Die Emotionen wechselten so schnell, dass sie es aufgab, ihnen hinterherzujagen, und alles verdrängte.

Immer wieder blitzten einzelne Elemente auf und verlangten danach, besonders betrachtet zu werden. Eine bestimmte Berührung mit der Hand, irgendetwas zwischen zärtlich und besitzergreifend, bevor sie tatsächlich in Besitz genommen wurde. Die warme Teetasse in ihrer Hand und die Decke, die Schutz boten, als sie mit ihrer Kraft tatsächlich am Ende war.

Der Augenblick, als sie fast nackt an der Seite eines Fremden den Raum betrat und sich alle Blicke auf sie richteten.

Es hätte kein Fremder sein dürfen, begriff sie.

Und eigentlich musste es auch nicht so krass sein wie diese Nacht.

Der Gedanke tauchte auf und verflog wieder. Sina versuchte, ihn zu greifen, doch er entkam immer wieder neu.

Wenn es weniger krass wäre, würde es nicht so lange nachwirken. Dann hätte sie keinen Schatz an Erinnerungen, auf den sie zurückgreifen konnte, sobald das Leben sich an dieser besonderen Stelle wieder leer anfühlte.

Aber war das der einzige Weg, der für sie existierte?

Manchmal fühlte sie sich, als würde sie am liebsten weinen und nie wieder aufhören. Zwei Stunden später war das Gefühl weit fort und stattdessen erfüllte sie etwas, was beinah so etwas wie eine wilde, klare und schüchterne Vorfreude war. Und beinah so etwas wie Angst.

Und dann rief Kilian sie an.

Sina starrte auf das Display. Der Klingelton verlangte danach, dass sie auf dem Display nach rechts wischte und den Anruf annahm, doch sie brachte es nicht fertig. Sie starrte auf das Display. Tränen schossen ihr über die Wangen und hinterließen dort eine warme Spur, die abkühlte und schließlich kalt und feucht wurde.

„Wenn du wüsstest, was ich getan habe“, flüsterte sie, sobald das Signal erlosch und ihre Mailbox ansprang. „Du könntest nie wieder Respekt vor mir haben.“

Aber war das wirklich so?

Oder war sie selbst es, die den Respekt vor sich verloren hatte, weil sie sich so lange an Fremde ‚weggeworfen‘ hatte und inzwischen nicht mehr daran glauben konnte, dass sie noch echten Respekt und echte Zuneigung verdiente?

Sie starrte lange ins Leere. Schließlich holte sie aus einer Schublade ein Teelicht, zündete es an und starrte in die beinah stillstehende Flamme.

„Was soll ich nur tun?“, fragte sie die Abenddämmerung. Draußen hörte sie ganz leise den Wind von fremden Abenteuern erzählen. „Ich habe meine Richtung verloren.“

Sie pustete sanft gegen die kleine Flamme. Sie flackerte. Das sah hübsch und abenteuerlich aus. So, wie Sinas Leben in den vergangenen Monaten gewesen war. Aber irgendwann, spürte sie, wäre ein Windstoß zu stark und würde das zarte kleine Licht auspusten. Das vergangene Wochenende hatte sie bis kurz vor diesen Punkt gebracht. Noch weiter durfte sie nicht gehen, begriff sie. Dann würde etwas in ihr zerbrechen.

Aber in welche Richtung führte ihr Weg stattdessen?

Sie hielt ihre Finger über die kleine Flamme, die ohne den riskanten Luftzug so trügerisch brav und normal aussah. Die Flamme sandte einen permanenten Wärmestrom nach oben. Nicht aufregend und wild, aber behaglich und heilsam.

War es nicht in Wahrheit das, was sie suchte?

Sina bewegte ihre Hände langsam über der kleinen Flamme hin und her, bis jeder Finger seine Klammheit verlor und sich stattdessen warm, lebendig und beweglich anfühlte. Dann nahm sie ihr Handy, las die SMS darüber, dass Kilian keine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen hatte, und rief ihn zurück.
*****978 Frau
359 Beiträge
hach... romantisch....
**********lerin Frau
728 Beiträge
Themenersteller 
Vielen Dank an die freundliche junge Dame, die mir half, die Schreibblockade in Bezug auf die unmittelbare Fortsetzung zu überwinden, indem sie mir den Tipp gab, für mich allein ein Kapitel aus Kilians Perspektive zu schreiben *g*

Ich denke, von jetzt an kann es sich schrittweise in Richtung Finale steigern und die Verzögerungen zwischen den einzelnen Kapiteln dürften sich eher im Tages- als im Wochenbereich bewegen. Drückt mir die Daumen, dass ich das so hinkriege!
**********lerin Frau
728 Beiträge
Themenersteller 
Am Telefon
„Hi“, sagte Sina. Sie fühlte sich auf seltsame Weise schüchtern. So, als ob sich eine schwere Metallkralle löste, die sich links unterhalb ihres Herzens in ihren Brustkorb gegraben hatte. Beinah wurde ihr schwindlig, als sich eine alte Verspannung zwischen den Schulterblättern fast brutal löste und sie so tief Luft holte, als hätte sie noch nie zuvor in ihrem Leben geatmet.

„Hi“, sagte Kilian. Es klang lässig, doch eine leichte Rauheit seiner Stimme zeigte, dass auch er verlegen war. „Wie geht es dir?“

„Etwas chaotisch“, sagte sie ehrlich. „Ich … Ich habe versucht, nicht zu viel darüber nachzudenken.“

„Ging mir ähnlich.“

Sie schwiegen.

Sina begriff, dass sie mit ihren Worten eine Wand gebaut hatte. Sie rief sich zur Ordnung. Da rief er sie an und zeigte damit, dass er reden wollte, dass ihm der Kontakt zu ihr wichtig war, trotz der Verwirrung, die ihr seltsames Spiel miteinander auf dem Festival bestimmt auch in ihm hinterlassen hatte, und was tat sie?

Erklärte ihm, dass sie versuchte, nicht zu viel darüber nachzudenken.

Wenn er sich auch nur halb so schüchtern und verlegen fühlte wie sie in diesem Moment, dann musste er das als Abfuhr betrachten. Dabei war es keine. Es war der hilflose Versuch, nein, eine hilflose Bitte an ihn: Führ mich hier hindurch. Es ist Chaos. Ich verstehe es nicht. Sei mein Fels in der Brandung und sage mir, wie es von hier aus weitergeht.

Doch wie sollte er das verstehen, wenn sie es nicht sagte?

Weil sie es wollte! Weil es seine verdammte Pflicht war, ihre Gedanken zu lesen. Auf dem Festival hatte er schließlich auch verstanden, was sie in Wahrheit wollte, wonach sie sich sehnte und wie er sie dabei anschauen sollte.

„Es ist komisch, wenn man sich nicht in die Augen sieht“, sagte sie, so neutral sie konnte.

„Das stimmt.“ Sina meinte zu spüren, wie er mit den Fingern auf die Sofalehnte trommelte. „Trotzdem … wäre es angemessen, wenn ich frage, ob ich dich besuchen kommen kann?“

Wäre es nicht, begriff Sina. Sie brauchte den geschützten Raum ihrer Wohnung. Das hier war der Platz, der nur ihr gehörte, der mit diesem ganzen perversen Hingabekrams nichts zu tun hatte. Von hier aus plante sie ihre Feldzüge, aber hier war sie nicht hingebungsvoll, sondern sorgte für Kontrolle.

Und Sicherheit.

Wenn sie Kilian treffen würde …

Wenn dieses seltsame Etwas zwischen ihr und ihm zu wachsen begänne …

Dann würde sie beides aufgeben müssen.

Der Gedanke daran brachte ihre Magenkuhle dazu, sich zusammenzuziehen. Angst. Es war falsch und richtig zugleich. Aber es war auch falsch, und das würde ihr früher oder später um die Ohren fliegen. Ganz falsch. Niemand aus ihrem wahren Leben durfte von dieser dunklen und hässlichen Seite ihres Wesens erfahren, die Kilian auf dem Festival angetriggert hatte.

„Wir können uns in einem Café treffen“, sagte sie, ohne nachzudenken.

„Das wäre eine Idee.“

Die Zurückhaltung in seiner Stimme schmerzte. „Müssen wir auch nicht. War nur …“

„Das Extrablatt in der Innenstadt. In einer halben Stunde.“ Es klang streng. Eine Forderung. Ich bestimme und du tust.

„Oh.“ Sina wusste nicht, wie sie reagieren sollte. Absagen, weil es eine Frechheit von ihm war, so etwas von ihr zu fordern? Auf die Knie gehen und sich dafür bedanken, dass er die Führung übernahm?

Kilian hustete. „Bitte entschuldige, das war …“

„Das war richtig.“ Sina lächelte scheu. „Du meine Güte, wenn du so was sagst … mit dieser Stimme …“

Er schwieg.

„Wir haben ein Problem, ja?“ Sie lächelte und presste die Hand auf ihre Magenkuhle. „Wenn wir uns jetzt treffen, dann verbrennen wir die Brücken in die Welt, wie sie vorher war?“ Es klang pathetisch, aber es fühlte sich wahr an. Brennen. Ihr Bauch brannte. Ihre Brüste. Diese Stimme von ihm. Wie er das eben gesagt hatte. Das reichte aus, um die Region unterhalb ihres Bauchnabels zu entflammen.

Er schwieg immer noch und Sina hasste ihn dafür. Ohne Stimme konnte sie ihn nicht fühlen. Einfach nur schweigen war grausam. War das Absicht?

„Welche Frisur soll ich tragen?“, fragte sie, bevor sie die Worte stoppen konnte. „Gibt es ein Outfit, das dir besonders gefallen würde? Schuhe? Äh …“ Sie biss sich auf die Wangeninnenseiten, bis sie Blut schmeckte.

„Komm als du selbst“, sagte er. Es klang unsicherer, als ihr lieb war. So, als versuchte er, einen Befehl zu erteilen, weil er es ihr recht machen wollte. Seine Unsicherheit schmerzte. Damit entriss er Sina etwas, wonach sie sich mehr sehnte, als sie zugeben wollte.

Ich will als ich selbst kommen, wollte sie sagen. Deswegen frage ich. Ich will tragen, was dir gefällt, lächeln, wie du angelächelt werden willst und meinen Körper so halten, wie du es mir sagst. Aber ich hasse dich dafür, dass ich das will. Ich will, dass du diese Dinge von mir verlangst, damit ich dich dafür hassen kann und dann einen Grund habe, dich nie wieder zu sehen.

„Ich weiß nicht mehr, was das ist“, sagte sie stattdessen leise. „Ich selbst.“

„Du bist Sina.“

Sie lachte leise. „Das stimmt. Danke, dass du mich daran erinnerst.“

Was auch immer heute geschah … Sie würden einen Kaffee trinken, oder Cappuccino oder Latte Macchiato. Oder Bitter Lemon oder etwas anderes, was ihr schmeckte. Kilian war immer noch Kilian, Sina war immer noch Sina.

Es würde ganz harmlos verlaufen. Einfach nur ein Treffen unter Freund:innen und eine friedliche Aussprache, damit die Welt wieder normal wurde.

"Ich freu mich auf dich", sagte sie schüchtern und legte auf, bevor er es konnte.
**********lerin Frau
728 Beiträge
Themenersteller 
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**********lerin Frau
728 Beiträge
Themenersteller 
Im Café
Sina saß im Café und wartete. Die Menschen um sie herum wirkten fremd und vertraut zugleich. Es waren Fremde wie die, die ihr schon viele Male begegnet waren. Menschen, die sie an sich heranließ, um sich weniger einsam zu fühlen, und dann wieder fortstieß, damit sie ihr Herz nicht verletzten.

Als Kilian durch die Tür hereintrat, erkannte sie ihn sofort. Ihre Beine spannten sich an, um fortzulaufen. Ihre Arme öffneten sich, um ihn willkommen zu halten. Mit zittrigen Knien blieb sie sitzen und lächelte ihm schüchtern zu.

Er kam zu ihr und sagte Begrüßungsworte, die sie erwiderte und sofort wieder vergaß, wie sie früher die Namen der anderen Männer vergessen hatte. Dieses Mal ging es nicht. Sie wusste genau, wer da vor ihr saß, und dass er sich genauso schüchtern fühlte wie sie.

„Ich habe Angst“, bekannte sie plötzlich mitten in einen seiner Sätze hinein. „Ich habe Angst, weil ich dir vertraue.“

Er musterte sie aufmerksam, anstatt sie auf die Unlogik ihrer Worte aufmerksam zu machen. Seine Hand lag auf dem Tisch. Sina legte ihre Hand daneben und berührte ihn federleicht mit ihrer. Er tat, als merke er es nicht, und hörte ihr weiter zu.

„Diese Seite von mir … Das geht so tief. Ich weiß selbst nicht, warum ich so bin. Vielleicht ist das nur, weil in meiner Kindheit was schiefging, weil ich nicht genug geliebt wurde, weil mein Ex ein Arschloch war …“

Kilian nickte zögernd. Sina spürte plötzlich, was er nicht sagen konnte: Dass er sich ähnliche Fragen stellte. Dass es für ihn noch schlimmer war als für sie, weil er derjenige war, der all diese Dinge von ihr verlangen würde. Oder verlangt hätte.

Sie wäre am liebsten in Tränen ausgebrochen. Da war dieser Teil von ihr, vor dem sie ihr ganzes Leben lang davongelaufen war. Wenn sie jetzt aufsprang und erneut fortlief, würde er sie gehen lassen. Er würde nie wieder ein Wort verlieren, weil er zu anständig war, ihr irgendetwas aufzudrängen. Das musste er auch sein, sonst würde sie ihm nie, nie, niemals vertrauen können.

Aber wenn er nicht den ersten Schritt machte, würde es niemals passieren. Sie wäre nichts wert. Wenn sie seine Hand nahm, wenn sie sagte, was sie fühlte, diese Sehnsucht danach, sich zu unterwerfen …

Dann würde sie jedes Recht auf Schutz verspielen. Jedes Recht darauf, wertvoll zu sein, Respekt zu erfahren, Ansprüche zu stellen. Er hätte jederzeit die Möglichkeit, die Augen zusammenzuziehen und wie ihr Ex die Arme zu verschränken. Du wolltest es so.

„Hilf mir“, brachte sie hervor. „Ich habe mich verlaufen. Ich kenne den Weg nicht mehr.“

Es war wie das Eingeständnis einer Niederlage. Einer Niederlage, die schlimmer schmerzte als alles, mit dem sie sich bisher einem Mann unterworfen hatte. Dieses Mal war sie wirklich schwach. Es gab kein Netz und keinen doppelten Boden mehr. Niemanden, zu dem sie flüchten konnte, wenn es schiefging.
**********lerin Frau
728 Beiträge
Themenersteller 
Kein Platz für Sinas Herz
„Wie kann ich dir helfen?“, fragte Kilian ruhig. Seine Hand auf dem Tisch neben ihrer war ein Fels in der Brandung.

Sina spürte, wie ihre Finger zitterten. Weglaufen. Dichter zu ihm rücken. Beides war gleichermaßen unmöglich.

„Hingabe ist gefährlich“, brachte sie heraus. „Du gibst einem anderen Menschen schrecklich viel Macht. Erst glaubst du, es ist nur sexuell, aber das stimmt nicht, ja? Es geht tiefer. Es reicht bis ins Herz und schlägt Widerhaken hinein. Du willst gehorchen, du willst tun, was der andere von dir verlangt. Glücklich machen. Selbst dann, wenn es einen Preis von dir verlangt.“

Sinas Zähne schlugen aufeinander. Kilians Daumen streichelte federleicht über ihre Hand. So leicht, dass es Einbildung sein könnte, aber sie spürte es doch. Die Zärtlichkeit, die darin lag, schlug ebenfalls Widerhaken in ihr Herz, doch ihr fehlte die Kraft, sich dagegen zu wehren.

„Was für ein Preis ist das?“

Tränen schossen ihr in die Augen und rannen heiß ihre Wangen hinab. Ihr Körper war zu verkrampft, um zu schluchzen. „Wenn du es mit einem Fremden tust, dann ist der Preis, dass du dich hinterher schmutzig fühlst.“

Er nickte ruhig. Das Schweigen zog sich in die Länge. Er ließ Sina Zeit und Raum, sich zu spüren. Vielleicht brauchte er selbst einen Moment. „Was ist, wenn es ein Nichtfremder ist“, fragte er schließlich.

„Dann zerbricht er dir das Herz“, antwortete sie wie aus der Pistole geschossen. Ihre Stimme klang trügerisch ruhig, während ihr weitere Tränen heiß und brennend die Wangen hinabflossen.

„Warum?“

„Weil er dann alles von dir verlangen kann. Dass du deine Freunde nicht mehr triffst. Bei der Arbeit früher Schluss machst. Nicht mehr um die Beförderung kämpfst. Wenn ihm nicht gefällt, wie du aussiehst, dass du zunimmst, abnimmst, wie du die Haare trägst … Du versuchst, es für ihn zu ändern, ja? Aber …“ Sie verkrampfte sich und griff nach seiner Hand, ohne es zu merken.

„Sina …“

„Egal, was du tust, es ist niemals gut genug!“ Die Tränen erreichten ihre Nase und sie schniefte. Ihr Körper verlor die trügerische Ruhe, die ihn bis eben erfüllt hatte. „Und irgendwann …“

„Sina, hast du ein Taschentuch?“

Sie schüttelte den Kopf, kramte in ihrer Hosentasche und fand doch noch ein benutztes. Als sie es aus der Tasche zog, starrte sie darauf und wusste nichts damit anzufangen.

„Putz dir die Nase. Und dann geh bitte nach draußen und warte dort auf mich. Ich kümmere mich um die Rechnung.“

„Aber …“

Sein Blick war von der Art, dass sie gehorchte. Sie putzte ihre Nase und ging nach draußen. Ein Sonnenstrahl kitzelte sie und wärmte sie. Erst jetzt spürte sie, wie tief die Kälte in ihr reichte. Es war eine alte Kälte. Erinnerungsfetzen, die sich wie schwarze Spikes in ihren warmen und lebendigen Körper gegraben hatten und eine Schutzwand um ihr Herz formten, damit niemand es noch einmal verletzte.

Was waren das für Spikes?

Sie setzte sich auf ein altes Mäuerchen, drückte die Hand auf ihr Herz und versuchte, danach zu greifen. Als Erstes waren da die Erinnerungen an den bösen Exfreund. An den, für den sie wirklich nie gut genug gewesen war, weder ihre Haare noch ihre Figur noch ihre Neins, wenn sie tatsächlich einmal nicht wollte wie er.

Doch es gab andere Spikes und Erinnerungsfetzen, die schwerer zu greifen waren. Momente, die sich sanft anfühlten, die sicher liebevoll gemeint waren, und ihr devotes Herz trotzdem verletzt hatten: Schatz, für mich musst du dich nicht schminken, ich mag dich so, wie du bist. Zieh an, worin du dich wohlfühlst. Um Gottes Willen, ich habe viel zu viel Respekt vor dir, um dich zu etwas zu zwingen. Was mich glücklich macht, Sina? Zu sehen, wie du glücklich bist.

So viele schöne und richtige Worte. Worte von lieben Menschen, die es gut mit ihr meinten.

Oder auch: Es ist ein Zeichen von Schwäche, sich einem Mann zu unterwerfen. Das hast du nicht nötig.

Worte, die jedes Mal aufs Neue verletzten. Sie sagten zu Sina: So, wie du bist und fühlst, bist du falsch. Frauen wie du sind nicht vorgesehen. Wenn du normal sein willst, wenn du geliebt und respektiert werden willst, musst du stärker werden und dieses Weiche verlieren, das dich so verletzlich und hingebungsvoll macht.

Worte wie eine Messerklinge, die sich über viele Jahre hinweg immer tiefer in ihr Herz gebohrt und ihre Instinkte verformt hatte. Bis sie bei ihrem bösen Ex landete, der all das Weiche und Schöne missbrauchte und sie sich schwor, nie wieder zu lieben; bis sie sich die Messerklinge selbst ins Herz stieß und von ihm verlangte, mit dem Fühlen aufzuhören, weil es alles rein sexuell sei und der einzige sichere Ort dafür bei einem Fremden wäre, dessen Namen sie nicht kannte …

Kilian kam heraus und setzte sich neben sie. Sina sehnte sich danach, ihren Kopf an seine Schulter zu legen. Doch dafür bräuchte sie eine Art von Vertrauen, an die sie sich nicht mal mehr erinnern konnte.

„Alles klar bei dir?“, fragte er vorsichtig.

Sie nickte, auch wenn nichts klar war.

„Komische Situation“, sagte er zögernd. „Ich würde dich gern in den Arm nehmen, aber ich weiß nicht, ob das jetzt angemessen ist.“

Sie schwieg. Vielleicht, weil sie keine Antwort hatte. Vielleicht, weil er ihr nicht gesagt hatte, dass sie reden sollte. Es fühlte sich schwierig an. Und doch war es irgendwie richtig, weil sie hier nebeneinandersaßen.

„Was möchtest du?“, fragte er sie.

„Dir gefallen.“ Die Antwort kam so ehrlich und spontan, dass sie sich fast daran verschluckte.
*****ana Frau
84 Beiträge
Liebe Harfenspielerin,

Deine Geschichte geht mir tief unter die Haut. Ich leide mit, ich zittere mit und ich fühle mit. Du hast die wunderbare Gabe, Gefühle so zu beschreiben, dass man meint mittendrin zu sein in diesem Chaos in Gehirn und Herz.

Danke dir für diese Geschichte!
*******1982 Mann
6 Beiträge
Die Story und deine Erzählweise : Einfach nur wow! Vielen lieben Dank für deine mega tolle Arbeit!
**********lerin Frau
728 Beiträge
Themenersteller 
Wasser des Lebens
Sina und Kilian sahen sich an. Seine Augen waren warm und tief. Freundliche und gute Augen, und doch blitzte darin dieses Tiefe und Abgründige auf, was Sinas Bauch zum Kribbeln brachte.

„Du gefällst mir“, sagte er und schluckte sichtbar.

Sie schüttelte den Kopf, nickte und sah ihn hilflos von unten an. „Dir noch viel mehr gefallen.“

Die Worte klangen so unsicher, so mickerig. Sie reichten nicht aus, nicht annähernd. Wie sollte sie diesen Ozean des Fühlens in Worte fassen, der in ihr tobte, aufgepeitscht von Mond, Taifunwinden und Erschütterungen der Erdkruste und den es danach verlangte, endlich aus dem Gefängnis emporzusteigen und die ganze Welt zu überfluten? Wie beschrieb man diese heftige Hingabe, die nichts mit Unterwürfigkeit oder fehlendem Wille zu tun hatte, sondern mit der tiefen und ehrlichen Sehnsucht, von einem Gegenüber gehalten und geliebt zu werden, das groß und stark genug war, um sie mit all ihren sprudelnden und zerfließenden Strömungen zu sehen, zu lieben und zu halten?

In Kilians Augen sah sie, was sie nie zu sehen gehofft hatte. Dass das, was sie war, tatsächlich schön war. Weder zu groß noch zu fordernd, weder zu verdreht noch zu wertlos, sondern fremdartig und bewundernswert, ein seltsamer Schatz, den er nie zu finden gehofft hätte.

„Was bedeutet das?“, fragte er leise. „Mir noch viel mehr gefallen … Wie soll das gehen?“

Sina schniefte und richtete sich auf. „Du könntest mir sagen, wie ich meinen Kopf halten soll. Oder meine Hände, oder meine Schultern oder so. Damit ich für dich noch hübscher aussehe.“

Ihr war vage bewusst, dass sie mit den verheulten Augen, der geröteten Nase und den Tränenspuren auf der Wange vermutlich gerade für keinen Mann besonders attraktiv aussehen würde, doch Kilians Blick zeigte nichts davon.

„Zeig mir, was du meinst“, sagte er stattdessen. In seiner Stimme lag kein Unverstehen, sondern eine sanfte Forderung. „Setz dich so hin, wie du glaubst, dass es mir gefällt.“

So sanft die Worte auch waren, sie stillten einen Hunger, von dem Sina nicht gewusst hatte, wie schmerzhaft er in ihr gebrannt hatte. Es war diese kaum spürbare Zärtlichkeit, nach der sie sich gesehnt hatte, nicht die Hand eines Fremden an ihrem Hinterkopf, während er ihr seinen Schwanz immer tiefer in den Mund schob, begriff sie. Sie lächelte ungläubig und ein weiterer Tränenschwall schoss über ihre Wangen.

Sie richtete sich auf. Ein unsicherer Blick zu Kilian zeigte, dass es ihm zu gefallen schien. Schritt für Schritt veränderte Sina ihre Haltung. Sie spannte den Po an, damit ihr Rücken aufrechter wurde, drückte die Knie aneinander und schob die Brüste nach vorn. Ihr Kinn richtete sich fast von allein auf, ihre Schultern entspannten sich und die Hände fanden einen entspannten Platz auf ihren Oberschenkeln. Immer wieder sah sie aus den Augenwinkeln zu Kilian und korrigierte ihre Haltung, spürte, wie er mit seinem Blick und seinem sanften Wollen immer mehr von ihr in Besitz nahm.

„Das bin ich“, sagte sie schließlich. In den Worten lagen gleichzeitig Verlegenheit und Stolz.

Er lächelte. Schüchtern. Verlegen. Ein Spiegel ihres Fühlens. Sina konnte beobachten, wie sich etwas in ihm verschob, Kraft aus ihrer Sicherheit und ihrem Stolz zog und er sich ebenfalls aufrichtete. „Wunderschön“, sagte er.

Durch seine Worte wurde sie es. Wunderschönheit floss über ihre Haut, sickerte darunter, erfüllte ihre Adern und Muskeln und erreichte schließlich die Mauer aus schwarzen Spikes rund um ihr Herz. „Danke“, sagte sie leise.

Und dann brach die Mauer auf. All die Tränen, die sie jahrelang für sich behalten hatte, überfluteten die Barriere aus schwarzen Spikes und spülten sie davon. Die kaum vorstellbare Einsamkeit, die darin gelegen hatte, dass sie Beziehungen auf Augenhöhe führen sollte, in denen sie nicht der Mensch sein durfte, der sie war. Die noch schrecklichere Einsamkeit aus der Beziehung ohne Augenhöhe, in der sie tatsächlich nichts mehr wert gewesen war. Die Bitterkeit des Verlorenseins, als sie sich weggeworfen hatte, wieder und wieder, um einen vergifteten Hauch von dem zu erhaschen, wonach sie sich in Wahrheit sehnte.

Es schien ein Ozean aus Tränen zu sein, der durch ihre Augen hinauszufließen verlangte, so groß und unendlich wie die Hingabe, die sie einem Mann geben wollte, den sie liebte und für die es nie einen Platz gegeben hatte. Kilian hielt sie, presste ihren Kopf an seine Schultern und hielt sie fest, während sie immer heftiger schluchzte.

Er war kein Held, kein mächtiger Firmenboss wie aus den Geschichten, einfach der Kuschelbär aus dem Freundeskreis, der schon immer für alle dagewesen war und der die Gabe besaß, jeden Menschen so zu nehmen, wie er oder sie war. Sina war bestimmt nicht die erste Frau, die an seiner Schulter in Tränen ausbrach, gehalten und getröstet wurde und die Bruchstücke ihres Herzens ganz leise neu zusammensetzen durfte, während er sie vom Rest der Welt abschirmte. Es kümmerte sie nicht. Zum ersten Mal überhaupt durfte sie um all die Jahre weinen, in denen sie sich selbst verformt hatte, um eine Frau zu werden, die sie nicht war.

Schließlich versiegten die Tränen. Die Verlegenheit kehrte zurück. Sina wollte sich losmachen, ohne zu wissen, wohin es gehen sollte. Nachdem er sie so schwach gesehen hatte, würde sie nie wieder wagen, ihn noch einmal zu treffen oder ihm überhaupt in die Augen zu sehen. Doch er hielt sie fest genug, dass sie nur entkommen konnte, wenn sie ehrlich aussprach, dass er sie loslassen sollte.

Dazu war sie nicht bereit, spürte sie.

Und so blieb sie bei ihm sitzen, ganz weich, beinah zerflossen, gehalten und geliebt. Die Zukunft verblasste genauso wie die Vergangenheit. Von der vielleicht perfekten Haltung, die sie eben noch für ihn eingenommen hatte, war nichts übrig geblieben. Für einen Moment schämte sie sich dafür, doch in der gleichen Sekunde begriff sie, dass es darum niemals gegangen war.

Schließlich richtete sie sich verlegen auf. „Ich habe dein Shirt nassgemacht.“

„Es wird wieder trocknen.“

Sie zögerte. Immer noch war da dieser Impuls, davonzulaufen, und gleichzeitig wünschte sie, Kilian würde sie fest und immer fester an sich drücken, bis sie keine Luft mehr bekam. Es war unfair, ihm diesen inneren Widerspruch aufzubürden, aber es war genauso unfair, dass sie ihn fühlen und ertragen musste. Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder und fand endlich die richtigen Worte: „Ich glaube, ich brauche jetzt etwas Zeit für mich.“

Er nickte. „Du weißt, wo du mich findest.“

Sie wünschte, er würde sie aufhalten, ihr befehlen, für ihn verfügbar zu bleiben, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt bei ihr zu melden … Doch auf einer tieferen Ebene spürte sie, dass es richtig war, dass er ihr Zeit ließ. Genau wie sich selbst.

Sie hauchte ihm einen Kuss auf die Wange, drehte sich um und lief davon.
**********lerin Frau
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Louise
In den Tagen danach begriff Sina, dass sie Louise vernachlässigt hatte. Die Abenteuer der vergangenen Wochen und Monate hatten ein Level an Heftigkeit erreicht, mit dem sie ihre Freundin nicht länger hatte belasten wollen.

Sie lud Louise zu einem Cocktailabend in ihrer Wohnung ein. An dem eleganten, mit Mosaikfliesen ausgelegten Bistrotisch in Sinas Küche, im Schein einer Bienenwachskerze, erzählte Sina endlich alles. Es tat unglaublich gut, die Erlebnisse und Gedanken nicht mehr mit sich allein auszumachen. Sie erzählte von den heftigen Abenteuern und von der Sehnsucht danach, sich bei Kilian auf eine völlig neue Weise geborgen zu fühlen. Auf eine Weise, die zu dem passte, wie Sina fühlte und leben wollte.

„Heftige Geschichte“, sagte Louise bemüht neutral.

Sina nickte. Sie bemühte sich zu lächeln, doch ihre Augen brannten und die Augen wurden feucht. „Ich bin total überfordert.“

„Das kann ich gut verstehen.“

„Ich will nicht so sein“, brachte Sina noch einmal hervor. „Louise, es ist furchtbar. Du … du hast das nicht mitgekriegt mit meinem Ex, ich hab damals ja alle Freundschaften beendet, aber …“

„Ich hab es schon mitbekommen.“ Louise biss sich auf die Lippen. „Wir hatten uns alle Sorgen um dich gemacht, aber du warst nicht mehr erreichbar, nicht mehr ansprechbar.“

„Und wenn es wieder so kommt? Wenn ich wieder einen Mann liebe, der macht, dass ich mich so fühle?“ Noch während sie die Worte aussprach, fühlte sie die Antwort bereits.

„Kilian ist ein völlig anderer Typ, nach allem, was du erzählst.“

„Woher soll ich das wissen?“

„Kennst du ihn nicht seit Jahren? Und hat er dich nicht immer mit Respekt behandelt?“ Louise blickte sehr aufmerksam.

„Aber was, wenn er es irgendwann nicht mehr tut?“

„Dann erschieß ich ihn und hol dich aus der Beziehung raus.“ Louise zwinkerte. „Ganz ehrlich, ich müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich dein Fühlen verstehen kann. Also, nachvollziehen. Mir selbst geht es nicht so, wenn ich Männer treffe.“

Sina zuckte zusammen.

„Aber das heißt nicht, dass du mit deinem Fühlen in irgendeiner Weise falsch bist“, korrigierte Louise sich hastig. „O Sina, Liebes, ich wollte nicht, dass es so rüberkommt! Du bist absolut richtig und valide mit deinem Sein. Andere sind homosexuell oder trans, das ist doch genauso in Ordnung, oder?“

„Natürlich ist es das“, sagte Sina leise. „Menschen sind einfach das, was sie sind. Und dann sollen sie auch so leben dürfen.“

„Gilt das für dich etwa nicht?“

Sina verkrampfte sich. So wirklich daran glauben konnte sie nicht, nach wie vor. Es hatte zu viele Momente gegeben, die sich falsch angefühlt hatten. Wenn das, was sie war, wie sie fühlte, wie sie lieben wollte, richtig war … Warum hatte es dann so oft wehgetan, als sie danach suchte?

„Ich wünschte, er wäre nicht so verdammt unsicher“, sagte Sina leise. „Wenn er … Wenn er mehr bestimmen würde, dann könnte ich mich bei ihm anlehnen. Dann würde er den Weg kennen und ich kann einfach folgen.“

„So funktioniert es nicht.“ Louise nahm ihre Hand. „Was auch immer das ist mit deiner Veranlagung … Ich bin da ganz neutral, wenn es für dich richtig ist, dann ist es so, und es klang eigentlich ganz durchdacht. Manche Menschen sind so veranlagt. Aber es darf niemals passieren, dass du dich einem Mann wirklich in jeder Hinsicht unterordnest und ihn allein den Weg bestimmen lässt. Oder wärst du dann glücklich? Wenn er wirklich in jeder Hinsicht bestimmen darf?“

Sina hörte sehr aufmerksam zu. Bei Louises letzten Worten schüttelte sie energisch den Kopf.

„Irgendwo muss es eine Ebene geben, auf der ihr Augenhöhe habt, stelle ich mir vor. Er darf dir schließlich auch nicht in deine Arbeit reinreden, oder?“

„Das wäre ja noch schöner!“ Sina lachte auf.

„Ich glaube, das ist das, was du bei deinem Ex falsch gemacht hast. Du hast ihm zu viel Macht überlassen. Was auch immer es ist … Es darf nur einen Teil deiner Persönlichkeit umfassen.“

Das klang unendlich sinnvoll und richtig. Wie etwas, was Sina sich selbst viele Male gesagt hatte.

Und doch … „Es ist nicht nur ein Teil von mir. Nicht nur eine Session, an deren Ende man zurück zur Augenhöhe kommt.“ Sina senkte beschämt den Blick. „Es geht ganz tief. Es ist das, was ich bin.“

„Das meine ich auch nicht, Süße.“ Louise sah sie an, bis Sina den Blick wieder hob. „Aber genau, wie deine Arbeit nur einen Teil deines Lebens ausmacht, deine Freundschaften, deine Hobbys, darf auch deine Beziehung nur zu einem Teil dein Leben bestimmen. Vielleicht ist für dich eine Beziehungsform richtig, in der du Kilian sehr viel Macht geben möchtest. Davon verstehe ich nicht genug, aber du bist erwachsen und darfst dich für so etwas entscheiden. Aber …“

„Aber ich darf ihm die Macht trotzdem nicht total übertragen?“ Sie überlegte. „Ist ja logisch. Egal, wie klug er ist, er kann unmöglich alles und jedes Detail besser wissen als ich.“

„Siehst du?“ Louise lächelte. „Was auch immer das zwischen euch werden soll, ihr müsst es gemeinsam entwickeln. In der Anfangszeit musst du auf deinen Verstand hören, nicht auf deine Pussy.“

„Das klingt vernünftig.“ Sina lachte auf. „Dann muss ich demnächst wohl doch mal das Gespräch mit ihm suchen. Wir müssten auf Augenhöhe darüber sprechen. Und dann können wir gemeinsam überlegen, ob wir so was wollen.“

„Willst du es?“

Sinas Zähne schlugen plötzlich aufeinander. „Ganz ehrlich, ich weiß es nicht.

„Sei ehrlich mit ihm“, sagte Louise leise. „Sei einfach du selbst, auch wenn du schüchtern bist. Es ist vielleicht nicht Mainstream … Aber wenn ihr beide so seid und euch das zueinander zieht, dann wird es passen. Vielleicht ist es der Anfang von etwas Wunderschönem?“

Sina fing zu weinen an. Sie spürte erneut die uralte und mächtige Angst davor, zu viel von sich selbst aufzugeben, wenn sie diesen verbotenen und dunklen Teil in ihr normales und alltägliches Leben kommen ließ.

„Wenn du so bist, darfst du so sein“, sagte Louise ruhig, reichte Sina ein Taschentuch und tätschelte ihr die Hand. „Und er soll verdammt noch mal respektvoll damit umgehen.“

Louises Worte trösteten und heilten etwas in Sina. Allmählich spürte sie, was sie zu tun hatte.
**********lerin Frau
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Darf ich dich küssen?
Bevor Sina Kilian anrief, klopfte ihr Herz viel heftiger, als es sollte. Sie hatte Angst. Große Angst.

Sina hätte nicht sagen können, worauf sich diese Angst bezog. Vielleicht war es die Angst, dass Kilian ihren schüchtern geplanten Annäherungsversuch zurückwies. Was hatte sie denn schon, was sie ihm anbieten konnte? Tief in ihrem Herz fühlte sie sich wie beschädigte Ware. Für eine Beziehung war sie nicht mehr geeignet, seit ihr Ex das Vertrauen in ihre Liebenswertheit beschädigt hatte. Sie konnte nicht mehr vertrauen, selbst wenn sich irgendetwas in ihr auf irgendeine seltsame Weise doch in Kilians Richtung öffnen wollte.

Ganz zu schweigen von all den Dingen, die sie in den vergangenen Monaten an andere Männer verschwendet hatte. So erregend es auch gewesen war, so heiß, verboten und verrucht es sich währenddessen angefühlt hatte … In der Rückschau war es ein wenig schmutzig, ein kleines bisschen falsch. Nicht völlig falsch, das glaubte sie nach wie vor nicht. Sie hatte das Recht darauf, auf diese Weise hingebungsvoll zu empfinden. Doch wenn das, was sie getan hatte, vollständig richtig gewesen war, warum hatte sie danach stets das Bedürfnis verspürt, lang und anhaltend zu duschen?

Vielleicht war sie nicht gut genug für Kilian, mit all diesem Schmutz aus der Vergangenheit, der an ihr klebte. Es schien ihr nach wie vor unmöglich, dass jemand eine Frau wie sie lieben könnte. Ganz egal, was sie in Kilians Augen zu sehen geglaubt hatte, es könnte Einbildung gewesen sein.

Oder es war echt gewesen, aber inzwischen fühlte er anders über sie. Weil sie ihn zu lange hatte warten lassen, weil sie nicht dankbar genug war, weil …

Egal, wie schlimm diese Angst war, die andere war noch schlimmer. Es war die Angst davor, dass Kilian vielleicht, nur vielleicht ganz ähnlich fühlen könnte wie sie.

Was wäre, wenn es nach allem, was sie getan und erlebt hatte, für sie immer noch so etwas wie Freundschaft und Zuneigung geben könnte – oder etwas, was noch tiefer ging? Wenn es irgendwo in ihrem Herzen noch immer diesen Funken gab, aus Gold und Glitzerdiamanten und funkelndem Springbrunnenwasser, der sie trotz all ihrer verdrehten Fantasien so wertvoll machte wie jede andere Frau?

Sina wagte nicht, zu hoffen.

Trotzdem rief sie Kilian an.

*****

Sie trafen sich im Freizeitpark. Es regnete etwas, aber das störte Sina nicht. Bei der Hälfte der Attraktionen wurde man ohnehin nass.

Kilian begrüßte sie, als ob zwischen ihnen alles wie immer wäre, doch das Leuchten in seinen Augen verriet ihn. Sinas Herz flammte als Reaktion darauf auf, und damit war im Grunde alles gesagt. Sie umarmten sich flüchtig, ganz normal, ganz freundschaftlich, doch Sinas Herz sang und glitzerte. Alles wird gut, sang es. Dein Kopf muss es nicht verstehen, deine Angst muss es nicht verstehen, ich allein weiß es. Alles wird gut.

Bist du dumm, fuhr Sina ihr Herz in Gedanken an. Woher willst du das wissen? Was verstehst du von Angst, was verstehst du von Hingabe? Weißt du denn gar nicht, wie gefährlich das hier alles ist?

Ihr Herz lachte nur und glitzerte vor sich hin. Beinah, als würde es so komplizierte Dinge wie Angst und Hingabe verstehen und trotzdem vertrauen. Irgendwie brachte es Sina dazu, sich ganz selbstverständlich bei Kilian einzuhaken, obwohl die Angst blieb. Die Nähe tat gut. Er strahlte Wärme und Präsenz aus, und oh, er duftete so gut! Nach Wald, nach Moos, nach Mann. Ein wenig schüchtern, ein wenig erregt.

Seite an Seite schlenderten sie durch den Freizeitpark. Kilian spendierte ihr Zuckerwatte, Sina kaufte ihm gebrannte Mandeln. Sie fütterten sich gegenseitig und es war lustig, wenn die Zuckerwatte an der Nase kleben blieb. Eigentlich war alles lustig. Die anderen Menschen, die schreienden Kinder, die Regentropfen, die Warteschlangen …

In der Achterbahn schrien sie um die Wette, wenn es steil bergab ging, und hielten sich an den Händen, wenn der Wagen auf dem Weg zum nächsten Gipfel verlangsamte. Sina mochte, dass Kilian nicht wie ein Teenager versuchte, extra cool und abgebrüht zu tun. Darin lag für sie nichts Dominantes. Ihr gefiel das, was an Kilian echt war, egal, wie schüchtern, verletzlich oder albern es sein mochte. Oder eben auch dominant. Denn hinter allem, was sie miteinander verband, hinter allem Lachen, Necken und spielerischen Schubsen …

Da war dieses andere. Das, was sie weich werden ließ, weil sie spürte, dass sie in Sicherheit und am richtigen Ort war. Es war so fremdartig, dass sie nicht darüber nachdenken wollte, damit ihre Alarmglocken nicht wieder klingelten, aber es war da.

Immer wieder trafen sich ihre Blicke, blieben aneinander kleben und lösten sich verlegen voneinander. Immer wieder berührten sie sich beinah zufällig. Und schließlich, im Beinah-Dunkel vor dem 100-Meter-Tower, wirkte Kilian plötzlich sehr verlegen und richtete sich auf. „Sag mal … Wenn ich dich jetzt frage, ob ich dich küssen darf, wäre das angemessen?“

Sina lachte auf, weil die Frage so schüchtern und kompliziert war, doch wurde schnell wieder ernst. Sie wollte ihn nicht verletzen, indem sie über seine Nervosität lachte, wenn sie doch selbst mehr Schüchternheit verspürte, als sie für möglich gehalten hätte.

Was sollte sie antworten?
*****t38 Mann
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Na ich hoffe doch sehr, dass der ängstliche Verstand die Klappe hält und das glitzernde *herz2* antwortet...
**********lerin Frau
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Herzglitzern
Sina schluckte. Sie spürte Kilians Präsenz wie ein warmes Feld, das den Rest der Welt ausschloss. Irgendwo waren andere Menschen, krakeelten Kinder und fuhren buntbemalte Wagen über ratternde Achterbahnen, doch das alles war außen. Innen war sie. Und dieser Mann, der vor ihr stand, dessen Verlegenheit sie genauso fühlen konnte wie seinen Hunger. Er roch so gut. Wie hatte sie jemals leben können, ohne auf diese Weise vor ihm zu stehen und den Duft seiner Haut zu inhalieren?

Eine Quelle in ihrem Herz sprang auf. Etwas begann, warm und süß zu glühen. Das Gefühl war so intensiv, dass es ihr Angst gemacht hätte, wenn es nicht Kilian gewesen wäre, der vor ihr stand. Es machte ihr trotzdem Angst, wenn sie ehrlich war, doch es war eine Angst, die im Rahmen des Erträglichen blieb. Das hier war Kilian. Der Mann, der ihr auf dem Festival fast beiläufig befohlen hatte, wie viele Männer sie auf welche Weise küssen sollte.

Wenn es sich nicht so richtig anfühlen würde, würde sie sich gruseln.

Wäre es angemessen, wenn er sie küsste?

War es angemessen, dass er fragte, statt es einfach zu tun?

Sina öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Ein Ja und ein Nein schienen gleichermaßen unmöglich. Es war nicht ihre Aufgabe, so etwas zu entscheiden, das war falsch! Sollte sie ihn etwa auffordern, sie zu küssen, und damit von einer devoten Frau zu einer werden, die die Regeln bestimmte?

Die Vorstellung fühlte sich falsch an.

Gleichzeitig war es richtig, dass er sie fragte, spürte sie. In dieser Frage lagen die Art von Respekt und Achtsamkeit, die Kilian zu einem vertrauenswürdigen Mann machten.

Was sollte sie antworten?

Er sollte auf keinen Fall denken, dass sie ein Leben führen wollte, in dem ihre Wünsche keine Rolle mehr spielen sollten. Das wäre falsch, zutiefst falsch. Bisher hatte sie sich kontrolliert in unkontrollierbare Situationen gebracht, aber wenn er sie küssen würde, dann verlor sie die Kontrolle. Und dann würde die Mauer um ihr Herz einreißen, hinter der sie sich so lange versteckt hatte.

„Du entscheidest“, flüsterte sie so leise, dass es sich im Lärm der Außenwelt verlor.

Ihr Herz war Fließen. Alles an ihr war weich. Sie hoffte, dass er an ihrem scheuen Lächeln sehen konnte, wie willkommen er war. Wie sehr sie sich danach sehnte, dass er bestimmte und hart und klar genug war, dass sie für ihn weich und golden werden konnte.

Er zog sie an sich. Seine Hände in ihrem Nacken führten sie, und sie drückte sich an ihn, um ihn überall zu fühlen, als er sie küsste. Es war der süßeste, sanfteste und zärtlichste Kuss ihres Lebens. In dieser Zärtlichkeit lag mehr Inbesitznahme als in der härtesten Penetration. Es war Sinas ganzes Sein, das in seine Umarmung floss, das er mit seiner Zunge erforschte, und als er sich aus dem Kuss ein wenig aufrichtete, schlang Sina ungeduldig die Arme um seine Schultern und zog ihn zurück, um den Kuss fortzusetzen.

Schließlich hielten sie inne, um Luft zu holen. Sina sah scheu und erstaunt hoch. In seinen Augen lag die gleiche ungläubige Freude wie das, was sie selbst fühlte.

Plötzlich wurden sie lachend von den Menschen hinter ihnen aus der Versenkung gerissen. Das nächste Fahrgeschäft war eingetrudelt und die Schlange ging weiter nach vorn. Die Welt drehte sich weiter, auch wenn es sich anfühlte, als sei sie einen Moment lang implodiert und dann neu erschaffen worden.

Sina lachte leise und schmiegte sich an Kilian. Plötzlich war alles gut. Sein Arm lag um ihre Schultern, als hätte er immer dorthin gehört. Sie gingen weiter, als hätten sie immer zusammengehört. Als sie das Ende der Schlange erreicht hatten und in ein aus Stahl gegossenes Holzboot mit Sicherheitsbügeln stiegen, auf dessen Bänken noch Wassertropfen von der Fahrt zuvor perlten, lachte Sina leise auf.

„Was lachst du?“, fragte Kilian. Sein Gesicht wirkte ungewohnt sanft.

„Du lachst ja selbst“, sagte Sina und piekte ihn in die Seite, während die Fahrt begann. Nach wenigen Metern verließ ihr Fahrzeug das Gleis und plumpste ins Wasser, wo es in trügerisch sanftem Tempo weiterschwamm und sich auf die erste Steigung zubewegte.

„Weil ich glücklich bin.“ Kilian streichelte Sina über die Schultern. „Ich bin so glücklich, ich habe Angst, dass ich gleich aufwache und alles war nur ein Traum.“

Sie lächelte schüchtern. „Das geht mir ähnlich.“

Der Mechanismus unter ihrem Boot hakte sich irgendwo ein und sie wurden emporgezogen. Regentropfen fielen auf Sinas Gesicht und kühlten das lavaheiße Blut, das durch ihre Wangen floss.
**********lerin Frau
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Wie es weiterging
An dieser Stelle verspürt die Autorin eine gewisse Verlegenheit.

Ist es im Angesicht so zarter, tiefer und intensiver Empfindungen erlaubt, die voyeuristische Linse der literarischen Pornoregisseurin auf etwas zu richten, was so zart und verletzlich ist wie die Zuneigung der zwei Menschen, die in diesem Augenblick von der unerbittlichen Maschinerie der Achterbahn des Lebens nach oben gezogen werden und kurz vor dem ersten gemeinsamen Höhenflug stehen?

Sina und Kilian werden ein Pärchen, so viel sei verraten. In vieler Hinsicht ist es eine ganz normale Paarbeziehung, wie viele Menschen sie kennen. Manche Abende verbringen sie gemeinsam, andere für sich allein oder mit anderen Freunden. Manchmal ist der eine oder die andere eifersüchtig, sie streiten und vertragen sich, und Sina lässt das Essen beim Kochen häufiger anbrennen als Kilian.

Nur eine Sache ist anders. Es ist eine Sache, die so winzig klein ist, dass man sie von außen kaum erkennen könnte. Zwischen ihnen herrscht keine Augenhöhe. Wann immer Kilian sich etwas wünscht, wenn er diesen Blick hat, der klarmacht: Das wünsche ich mir, das wäre hübsch, damit würdest du mir eine Freude machen … Dann legt sich in Sina ein Schalter um, ob sie will oder nicht, und sie gehorcht.

Kilian ist dann jedes Mal sehr glücklich. Für ihn fühlt es sich an, als sei Sina das wertvollste Juwel der Welt.

Weil er weiß, wie gefährlich diese Dynamik zwischen ihnen ist, hat er vorgeschlagen, dass sie sich jede Woche einmal auf Augenhöhe zusammensetzen. Für mindestens eine Stunde, in der das Machtgefälle nicht gilt und sie darüber reden, ob sich alles noch immer richtig anfühlt. Sie eröffnen das Machtgefälle damit, dass Sina ihr Choker-Halsband abnimmt. Damit das so funktioniert, musste Kilian ihr natürlich eins schenken, das jetzt im Alltag dafür steht, dass sie ihm gehört. Auch dann, wenn sie duscht und es dafür abnimmt oder so.

Manchmal gehen sie auf Augenhöhe essen und genießen es wie etwas Ungewohntes. So, wie andere Pärchen für einen Abend ins Machtgefälle einsteigen und SM spielen. Es ist hübsch, hin und wieder aus dem Alltag auszubrechen und jemand ganz anders zu werden.

Sina liebt Kilian für diesen Vorschlag noch mehr, als sie es ohnehin tut. Sie hat früher im Leben erlebt, wie gefährlich es wird, wenn ihre devote Seite die Kontrolle übernimmt, sie den Weg aus dem Machtgefälle heraus nicht mehr findet und zu viel von sich selbst aufgibt. Jetzt fühlt sie sich endlich in Sicherheit. Eine Stunde Augenhöhe ist lang genug, um nachzuspüren, was schiefgeht. Wünsche zu äußern, Vorschläge zu machen und No-Gos zu artikulieren. Kilian hat ihr erzählt, dass ihm diese Stunde ebenfalls sehr wichtig ist, um sich sicher zu fühlen. Er möchte kein Tyrann sein, im Gegenteil. Er liebt sie, aber nicht nur für die devote Seite, sondern auch für ihr Lachen, ihren Ehrgeiz und all das, was sie glücklich und schön macht.

Was im Schlafzimmer der beiden passiert, ist deutlich härter als das, was vermutlich bei den Nachbarn passiert. Gleichzeitig bleibt es weit unterhalb von dem, was Sina sich auf ihren herzlosen Exkursionen hat antun lassen. Von außen klingt das sicher langweilig, aber wer braucht körperliche Extreme, wenn das Herz so sehr überfließt und das Gefühl genießt, nach Hause zu kommen?

Manchmal, wenn Sina danach erschöpft mit oder ohne blaue Flecken in Kilians Armen einschläft, flüstert sie: „Ich habe mich mein ganzes Leben danach gesehnt, dir zu gehören …“

Kilian hält sie dann noch fester.

Und wenn von draußen die Regentropfen ans Fenster prasseln und der Nachtwind rauscht, fühlen sich beide sehr geborgen.

--- Ende der Geschichte ---
*****t72 Frau
85 Beiträge
Ich hätte es mir als unendliche Geschichte gewünscht.

Es war immer toll zu lesen, mitzuerleben, nachzufühlen.

Herzlichen Dank dafür!
*******_77 Mann
270 Beiträge
Das ist eine wunderschöne Geschichte- ich werde sie mir zu Herzen auf meinem weiteren Weg,
*danke*dafür!
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