Wir alle kennen das: Nach einer anstrengenden und gut erledigten Aufgabe oder was auch immer, freuen wir uns über Anerkennung. Auch wenn es immer noch Menschen gibt, die nach dem Stromberg-Prinzip „nicht gemeckert ist gelobt genug“ agieren, gibt es wohl kaum jemanden, dem der Wert von Anerkennung für ein motivierendes Miteinander nicht bewusst wäre.
Ob ich Anerkennung von Verhaltensweisen als Lob bezeichnen würde, lass ich hier mal außen vor. Eine noch stärker auf zwischenmenschliche Sympathie ausgelegte Form des Lobens ist das Kompliment. Meistens sind Menschen – Erwachsene wie Kinder – sehr empfänglich für Lob und Komplimente. Gelobte Menschen weisen ein höheres Selbstwertgefühl und höhere Selbstsicherheit auf. Lob und Kompliment sind in aller Regel gut gemeint, sind sie aber immer der beste Weg in zwischenmenschlichen Beziehungen?
Bereits 1866 schrieben Jacob Georg Curtmann und Friedrich Heinrich Christian Schwarz in ihrem Lehrbuch der Erziehung über die Risiken des unsachgemäßen Lobens. Die implizite Zurücksetzung der Personen, die nicht gelobt wurden, ist nur eine Schwierigkeit. Hinzu kommt, dass das durch Lob hergestellte Selbstwertgefühl damit stark an die Zufriedenheit des Lobenden gekoppelt wird. Außerdem gewöhnen sich Menschen an häufiges Lob und erwarten das dann immer weiter. Abhängigkeiten entstehen. Es ist daher kein neuer Hut, dass Lob nicht uneingeschränkt gut ist,finde ich.
Natürlich kann man auch „richtiger“ Loben, indem man dabei persönlich und sehr konkret ist, sich auf das Verhalten und nicht auf Persönlichkeitsmerkmale bezieht. Das Lob sollte unmittelbar folgen und zur richtigen Zeit am richtigen Ort ausgesprochen werden – am Besten nicht nur mit Worten. Aber selbst das beste Lob kann häufig eins nicht verhindern: den Verlust von „Augenhöhe“. Denn um ein Verhalten loben zu können, muss ich besser als der Gelobte beurteilen können, ob das Verhalten ein Lob „verdient“ oder nicht. Und wenn schon in der Kindererziehung das Loben von Einigen kritisch gesehen wird, muss das in einer Begegnung auf Augenhöhe im Kontext von Arbeit oder zumindest, wenn sich zwei Erwachsene begegnen, noch kritischer betrachtet werden.
Lob und Komplimente erzeugen zwischen dem Lobenden und dem Gelobten eine Distanz. Lob steht häufig im Zusammenhang mit einer (wohlwollenden) Beurteilung. Der Lobende nimmt sich das Recht raus, in einer Situation beurteilen zu können, ob das Verhalten eines anderen Menschen anerkennenswert ist. Außerdem sind Komplimente und Lob häufig oberflächlich. Es wird oberflächlich ein Verhalten oder ein Ergebnis anerkannt. Das ist nett, aber wenig nachhaltig. Ihr kennt ja alle die große Schwester von nett, oder?
Hast du das auch schon erlebt? Jemand spricht dir ein Lob aus und anstelle von Freude entsteht bei dir Verärgerung, weil du dich fragst, wie sich der Lobende das Recht rausnehmen kann, dich zu loben? Oder weil du das Lob für vollkommen übertrieben und damit nicht für ehrlich hältst? Lob kann zu Misstrauen führen, weil man sich nicht sicher ist, ob das Lob ernst gemeint ist oder vielleicht ein anderes Ziel als das reine Lob verfolgt wird. Ich glaube das kennen wir alle. Heute bist Du etwas Besonderes und morgen Karl Arsch. War daher das Lob der Besonderheit nur Makulatur oder tatsächlich ernst gemeint? Wer vom Besonderem zum Karl Arsch degradiert, hinterlässt ein Widersprüchliches verhalten des lobenden. Oder sehe ich dies nun falsch?
Damit Lob in Form eines Komplimentes funktioniert, muss meiner Meinung nach, ein Vertrauensverhältnis bestehen, Lob erzeugt dabei aber kein Vertrauen.
Ein Lob oder ein Kompliment ist in der Regel eine recht generische Anerkennung von etwas, das greifbar ist: von Persönlichkeitsmerkmalen wie dem Aussehen bis hin zu einer konkret erledigten Aufgabe, einem Text hier im Forum. Von „Schöne Frisur“ bis hin zu „tolle Präsentation“ oder „gut erledigte Aufgabe“ oder „toller Text“ ist da alles dabei.
Dankbarkeit geht einen deutlichen Schritt weiter, es erzeugt eine Bindung und bezieht sich auf die Auswirkungen, die eine anerkennenswerte Leistung ausgelöst hat. Statt einfach nur ein Verhalten oder eine Leistung oder ein Persönlichkeitsmerkmal positiv anzuerkennen, kommt bei geäußerter Dankbarkeit mehr dazu.
Nehmen wir die zwei Beispiele. Als Lob formuliert könnte man sagen: „Das war ein toller Text.“ Würde man stattdessen Dankbarkeit zum Ausdruck bringen, könnte der Satz lauten: „Vielen Dank für deinen großartigen Text. Er hat mir viele neue Denkanstöße gegeben.“ Oder statt „Die Aufgabe hast du gut erledigt“ wäre die Aussage eher etwas wie „Vielen Dank für die Erledigung der Aufgabe. Das hat mir sehr geholfen für meine Aufgaben.“
Dankbarkeit beurteilt nicht die Leistung des Anderen, sondern drückt Wertschätzung aus, indem man den eigenen Nutzen aus der Leistung oder dem Verhalten des Anderen zum Ausdruck bringt. Die Wertschätzung kommt nicht als Gönner von oben herab, sondern als Empfänger auf Augenhöhe oder sogar von unten nach oben. Außerdem rückt es den Nutzen, den Wert ins Zentrum der Aussage und nicht die Leistung oder das Verhalten selbst.
Natürlich mag jeder grundsätzlich Komplimente oder Lob. Besser ist es, ehrliche Dankbarkeit ausdrücken zu können. Denn dann wird es persönlich, kommt von Herzen und baut Bindung auf. Damit ist für mich persönlich Dankbarkeit die viel bessere Möglichkeit als einfaches Lob oder Komplimente, um Anerkennung auszudrücken.