Im Zuge der Veröffentlichung von
"untervögelt - Macht zu wenig guter Sex uns hässlich, krank und dumm...?!" bat mich mein Verlag um meine Antworten auf ein paar der besonders kniffligen "Kernfragen" im Umgang mit Liebe, Partnerschaft und Sexualität.
Eine von diesen lautete:
"Wir überlegen, unsere Beziehung zu öffnen. Was würdest du uns raten...?!"
Um das Rad hier nicht neu zu erfinden, poste ich hier einen Ausschnitt daraus. Darin gehe ich genau auf das Stichwort der "Erlaubnis" ein, das in derartigen Situationen häufig Anlass ist für heftige Auseinandersetzungen...
Vielleicht hilft die Perspektive, die ich damit aufmache, auch dir bzw. euch dabei, eure aktuelle Situation ein kleines bisschen klarer zu betrachten.
Dies ist, was ich zu diesem Stichwort zu sagen habe:
"Ein Gedankenfehler, dem viele Menschen in einer zuvor monogamen, nun aber frisch geöffneten Beziehung aufsitzen, lautet: „Ich habe jetzt mehr Rechte als vorher!“ Halten wir uns vor Augen, dass das Erleben sexueller Erfüllung das unveräußerliche Geburtsrecht eines jeden und einer jeden einzelnen von uns ist. Das ändert sich weder dadurch, dass wir in unsere Beziehung „monogam“ nennen, noch dadurch, dass wir in ein Kloster eintreten. Wir mögen unser Recht auf sexuelle Erfüllung aufgrund derartiger Entscheidungen befristet ruhen lassen, aber es wird uns dadurch nicht genommen. Nichts kann uns dieses Recht nehmen.
Dennoch streiten sich viele Liebespaare, insbesondere, wenn es um Sex geht, gerne darüber, was dem/der anderen oder einem selbst erlaubt oder verboten wäre. Vor dem Hintergrund des oben definierten Geburtsrechts jedoch sind all diese Wortgefechte absurd. Keine/r von euch hat das Recht, dem anderen Erlaubnisse oder Verbote darüber zu erteilen, wen dieser trifft, küsst oder auch vögelt. Was jedoch klingt wie eine Einladung zu hedonistischer Egomanie, ist genau das Gegenteil davon.
Wenn euch klar wird, dass die Erlaubnis des jeweils anderen für euer Tun nicht von Bedeutung ist, dann erkennt ihr, dass etwas anderes sehr wohl eine große Bedeutung hat. Nämlich die Frage, ob ihr das, was ihr tut, mit dem Segen eures Partners oder ohne diesen tut. Während die Erlaubnis etwas ist, das euch niemand nehmen oder geben kann, ist ein Segen etwas, das uns nur jemand anderes schenken kann. Und zwar freiwillig. Du kannst den Segen deiner Partnerin nicht einfordern, nicht herbeiflehen und dir nicht erschleichen. Einen Segen kannst du auch nicht kaufen. Einen Segen gibt es nur geschenkt. Und dennoch hat er zumeist einen Preis.
Sprecht miteinander daher nicht über das, was ihr einander oder euch selbst gerne erlauben oder vielleicht vorerst doch lieber verbieten möchtet. Sprecht darüber, was es braucht, damit das, was sich der eine wünscht, potenziell die Chance haben könnte, den Segen des anderen zu bekommen. Vielleicht braucht es kleine Schritte. Vielleicht braucht es Kommunikation. Vielleicht braucht es ein Entgegenkommen auf ganz anderer Ebene. Oder vielleicht braucht dein Segen (oder der deines/deiner Liebsten) noch etwas vollkommen anderes. Vielleicht hat er oder sie gerade gar keine Ahnung, was es brauchen würde, um deinem Wunsch nicht nur die Erlaubnis zu geben (die du ja schon hast!), sondern wahrlich seinen oder ihren Segen."
Ich bin mir sehr darüber bewusst, dass das, was ich hier empfehle, in unserem Kulturkreis alles andere ist als Love-Classics. Wahrscheinlich gibt es nur wenige Menschen in eurem Umfeld, die in der Liebe und Lust derart transparent und partnerschaftlich miteinander umgehen, wie ich es hier schildere...
Darum klingen meine Worte möglicherweise auf Anhieb erstmal ein wenig verrückt...
Aber vielleicht gibt es ja auch hier im Forum den einen oder die andere, der/die bestätigen kann, dass das, was ich hier beschreibe, nicht nur grundsätzlich möglich ist, sondern darüber hinaus tatsächlich mehr Glück, mehr Liebe und mehr Fülle möglich macht als all das, was man uns hier sonst so als "Beziehungs-Leidkultur" vorlebt oder gar verkündet...
Gerne zur Diskussion...!