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Zwei Lektionen in Warschau

Zwei Lektionen in Warschau
Der Weg hat uns in eine Bar in der Marszałkowska geführt. Was so nicht stimmt - wir haben draußen vor der Bar Platz genommen, von der Straße durch Kübel mit Oleander getrennt, von den Passanten auf dem Fußgängerweg durch deren abweisende Blicke getrennt. Wir sitzen unter Sternenmelancholie, die sich ihrer bewusst ist und weder glitzert noch glänzt. Wir sind müde, erschöpft, überreizt. Die Nacht strömt über uns hinweg, während an uns elegante, reiche, großspurige - wie auch schnelleren Schrittes - scheue Leute vorbeiparadieren bzw. -huschen. Es ist zehn Uhr abends und die Stadt erwacht. Soll heißen: der anrüchige Teil der Stadt erwacht, streicht wie ein Fluidum um Tisch- und Stuhlbeine herum, kriecht unsere Beine hoch und legt sich bei nicht wenigen auch um willige Hüften.

Eigentlich mag ich solche Lokalitäten nicht. Wie überall auf der Erde tummelt und versammelt sich aufgesetztes Getue und Gehabe, pfauengleiche Eitelkeit, geschauspielertes Gekreisch, künstlich aufgereiztes zu lautes Lachen über Sparwitze, Lügen, Eifersüchteleien, banales Gequatsche um irgendwas gesagt zu haben, verwickelte Affären oder ganz einfache Affären, hysterische Lustigkeit, Koketterie und alles andere Mögliche und Unmögliche.
Und doch ist es auch auf unbestimmte, aber spürbare Weise anders: Die Begierde verlangt auch hier nach dem anderen Geschlecht (oder auch nach dem gleichen, was auch immer, egal), aber es scheint aufgeräumter - schlechtes Wort - eher: unschuldiger - genauso blödes Wort - sagen wir: einfach normaler, im Sinn dass es einfach dazugehört, also normal ist. Heine sprach in diesem Zusammenhang wohl von den "Weichselaphroditen" ... aber ich sehe schon, auch dieses Wort sorgt nicht für mehr Klarheit, allenfalls für die falschen Assoziationen.

Okay. Was sehen also Ber und ich, was teilt sich uns so geheimnisvoll Verheißendes mit, das hier anders ist als anderswo? - Ach so, ich bin mit meinem Neffen Ber in Warschau. Er ist 18 geworden, hat das Abi geschafft und hat noch drei Monate Zeit, bevor er anfängt zu studieren.
Da sein Vater ihm einen Trip nach Dubai schenken wollte ("Kotz!") und seine Mutter wollte, dass er drei Monate lang irgendwo jobt ("um das Leben kennenzulernen") - hat er sich in einer NachtundNebelAktion dem Enfant Terrible der Familie angeschlossen und ist mit mir für eine Woche nach Warschau geflogen, wo ich einen Termin im Museum für jüdische Geschichte habe ("immer noch besser als Dubai oder Maloche, um einen Arsch reich zu machen und mich mit Almosen abspeisen zu lassen" - man sieht und muss es zugeben, er ist durchaus nicht doof, vielleicht ein bisschen zu stolz, zugegeben!) - wie dem auch sei, wir sitzen also in der Marszałkowska und wenn ich unser gemeinsames Unterfangen benamsen sollte, dann würde ich mit den Worten Iphigeniens sagen: Wir sind hier auf der Suche nach dem Land der Väter, das wir mit der Seele suchen ... oder so ähnlich ... na ja, sein Großvater, mein Vater und der seines Vaters stammte aus Polen, zwar Radom, aber so spitzfindig wollen wir nicht sein und begnügen uns vorerst mit Warschau (wobei meine Mutter - um das der Vollständigkeit halber noch anzufügen - zu allem Überfluss auch noch aus Italien kommt; insofern dürfte dem Letzten klar sein, dass ich mit dieser Mixtur alles andere als normal bin, bzw. mein Dachschaden beträchtlich sein dürfte ... dies an dieser Stelle zu meiner Entschuldigung).

Aber ich schweife ab. Was also sehen wir da, was teilt sich uns mit so geheimnisvoll Verheißendes mit? - Frauen natürlich.
Hier jetzt welche mit Sommerkleidern und Sneakers, welche mit High Heels und Jeans, andere wiederum mit engen, kurzen Röcken, verlockende Schenkel zur Schau stellend, gepflegt, aufgedonnert, natürlich schön - in einem Wort: vielverheißend Vielversprechendes, also vielverheißend Vielversprechende vielmehr.

Jedoch sind es gar nicht die Frauen und Mädchen, die vorbeiflanieren, die Ber (nichts ödet ihn übrigens mehr an als sein Name mit dem geschlossenen E, das Deutsche partout nicht richtig aussprechen können und ihn immer und überall Bär nennen, manche verirren sich sogar so sehr, dass sie ihn Pierre nennen!?) es sind also nciht die Frauen und Mädchen, die vorbeiflanieren, die Ber in ihren Bann schlagen, es ist das Mädchen an der Kasse (in Polen ist es vielerorts so, dass man am Eingang an der Kasse einen Bon kauft und für diesen Bon dann vom Bedienpersonal das bekommt, was man möchte; will man Nachschlag, muss man nochmal zur Kasse). Und dieses Mädchen ist nicht nur hübsch, sie ist wirklich eine Schönheit. - Wie soll ich sie beschreiben? Am besten mit einem Vergleich: Sie hat große Ähnlichkeit mit der jungen Ava Gardner (Himmel! Wer ist jetzt Ava Gardner!? - Einfach mal googlen). Aber das Mädchen an Kasse ist von noch hellerem Teint und ist zusätzlich mit Sommersprossen um die Nase verziert. (Und hat eigentlich schlechterdings DAS Ausschlusskriterium: Sie trägt einen Ehering!).
Das Mädchen lächelt Ber an. Und was macht er? Er starrt sie wie eine übersinnliche Erscheinung an. Und wirklich, mir gefällt sie auch ... ihr Lächeln ist auf geheimnisvolle Weise körperlos, ein intergalaktisches Strahlen, liebreizend, gütig auch ... aber auch - und das ist der Kontrast, der ihr Lächeln in den Schatten stellt: hinterlistig, man kann ihr nicht einfach trauen, sie führt etwas berechnend im Schilde - was sie andererseits gefährlicher macht, verrufener, was bei gar manchem erst den Jagdinstinkt wachruft ...

Tosia, so heißt das Mädchen - zumindest steht das auf ihrem Namensschildchen (spricht man btw. Toscha aus) sieht uns beide natürlich auch und macht sich so ihre Gedanken ...
Sie sieht uns in die Bar kommen und denkt, der Junge ist noch nicht volljährig! Und weil sie eine fromme Katholikin ist, ist sie gar nicht damit einverstanden, dass dieser süße, goldige Junge sich nachts mit so einem abgehalfterten alten billigen Playboy an seiner Seite rumtreibt! Die werden doch am Ende nicht schwul sein? - Igitt!
Sie sieht den Jungen sie anstarren und fühlt, dass er doch nicht schwul ist, dass er ehrlicherweise unschuldig ist. Sie fühlt seine Unschuld und es gefällt ihr, dass er sie anstarrt und für nichts anderes Augen hat. Sie sieht an seinem Gesicht, dass er unschuldig ist und nicht schwul und sie lächelt und lächelt und lächelt den Jungen immer weiter an - schon nervt es sie, dass immer neue Kunden kommen und sie abrechnen muss ... sie lächelt den Jungen an, er ist so fremd, er ist so anders ... und plötzlich weiß sie ... plötzlich ist sie entschlossen ... plötzlich ist sie sich sicher: Ja, ja .... sie würde es machen ... es ist eine Sünde ... es ist eine große Sünde ... aber sie würde es tun, ohne es zu bereuen ... sie würde diese Sünde tun ... sie kann die Sünde tun ... gut, am nächsten Morgen würde sie die Sünde beichten - in der Kirche, natürlich nicht ihrem Mann ... Tosia sieht den Jungen und sie sieht sich selbst als ein Geschenk, das sie diesem scheuen, verletzten, süßen, goldigen Jungen machen möchte ... Tosia freut sich so, dass sie etwas zu verschenken hat und dass sie es diesem Jungen schenken kann ... man kann nämlich auch einem Jungen etwas schenken, ein so sehr schönes Geschenk und Tosia ist sich sicher, dass sie als Geschenk diesem Jungen eine große Freude sein würde ... ja, sie wollte sich diesem traurigen unschuldigen Jungen hingeben, damit er etwas Freude hat und sie würde es ihrem Beichtvater erzählen und der hätte Verständnis, auch wenn er es nicht billigen würde und sie zehn Vaterunser sprechen ließe ... aber sie hätte etwas Gutes getan, etwas sehr sehr Gutes ...

1. Lektion. Meine Lektion.
Ich sehe, wie das Mädchen nur Ber anlinst, lächelt, lächelt und dahinschmilzt und nicht aufhört ihm zu signalisieren: Ich bin bereit, wenn du nur willst - mich hingegen registriert die gar nicht. Als wäre ich Luft. Als gäbe es mich gar nicht. Frechheit! Was glaubt die eigentlich!? Wie erbärmlich von mir ... wie abgrundtief beschämend ... hier in Warschau in Person des Mädchens zeigt sich der Feind, gemein und schofel, gewissenlos ... er zeigt sich ... er ist mein Alter! Meine grau melierten Haare, mein runzliges Gesicht - Ich bin ein alter Sack! Ich bin hinüber, kann nicht mehr um verlockende Frauen konkurrieren ... verwundert bin ich und fassungslos ... ich bin nicht mehr interessant, ich bin kein potenzieller (klasse Wort! hihi) Lover mehr - ich surfe auf der Drift ins Jenseits - bin schon gar nicht mehr da ... allenfalls als derjenige, der hier in der Bar den Kaffee und Sernik zahlt ... Natürlich gönne ich es Ber, dass das Mädchen auf ihn abfährt und er offensichtlich auf sie, dass er in ihrem Lächelt sitzt und sich sonnt - aber was ist mit mir? Grausam ist das. Grotesk und böse ... Wie furchtbar: Nunmehr scheint es, hat das Leben nur noch eine Rolle für mich bereit: Die des lieben Onkels, der jenseits von gut und böse ist ... welche Schmach!

2. Lektion. Die von Ber.
Ber trinkt nichts und hat den Kuchen noch nicht angerührt. "Hey, Frau hin oder her, du musst was essen!" - "Du hast keine Ahnung, was los ist", wirft er mir vor. "Doch, du bist zur Beute geworden," gebe ich zurück und grinse (ja, ich bin ein Arsch) und: "Du lernst gerade den fiesesten aller Schmerzen kennen." "Weißt du wirklich, was es ist?" und geradezu ängstlich: "Müssen wir schon gehen?" - "Sie heißt Tosia. Wir können auf sie warten, wenn du willst?" - Um seinen Mund zuckt es, er stiert vor sich hin, dann: "Ich glaube nicht, dass du verstehst, was los ist!?"
Kacke!
Nein, er hatte keine Angst vor dem Mädchen. Er hat auch keine Angst vor einer Bettgeschichte mit ihr. Es ist etwas viel Tiefschürfenderes: Er denkt und er will sich damit begnügen, dass Mädchen nur anzuschauen, das reicht und das ist das Größte. Und er hat recht. Das Anschauen ist das Glück. Es ist das Glück, weil das Mädchen kein Glück einlösen wird und kann. Wenn er standhaft bleibt und nicht mit ihr ins Bett geht, hat er tatsächlich etwas gewonnen. Etwas Wichtiges. Dass die Realität es nie mit einem Traum aufnehmen kann - das Schlimme dabei ist nur, dass er zwar diese Einsicht gewinnen mag, doch die bohrende Gewissheit mitnimmt, gleichsam viel mehr verloren zu haben ...
****na Frau
1.230 Beiträge
Abgesehen von der fehlerhaften Orthografie, Grammatik und Zeichensetzung und abgesehen davon, dass sich der Text an vielen Stellen nicht entscheiden kann, ob er Prosa oder Kommentar sein möchte, und abgesehen davon, dass die meisten Metaphern schneller abstürzen als eine Sternschnuppe, und abgesehen davon, dass ich die "Pointe" a bisserl dünn finde, ist das ein endgeiler Text, weil er mich innert Sekunden eingefangen hat in eine Bar, in eine Stimmung, in eine Situation, in ein Lebensgefühl, in eine Interaktion und in die Sehnsüchte eines jungen und eines älteren Mannes. Mir war, als spielte ein Tom-Waits-Song, während die beiden in dieser Bar saßen.

Hier würde sich eine Überarbeitung und Ausarbeitung wirklich lohnen - vielleicht auch der Herkunftsgeschichte, die im Hintergrund kurz aufschimmert. Ich rate zu!
Dieser Beitrag wurde als FSK18 eingestuft.
Zur Freischaltung

*********in365 Frau
1.321 Beiträge
Ich liebe es deinen Worten zu folgen, sie lassen mich deine Geschichten fühlen ... und es ist mir dabei völlig gleich ob sie gut enden oder schlecht, ob jedes Wort richtig geschrieben ist oder ein Satzzeichen fehlt ... ich empfinde es als Kunst, wie du mit Worten Stimmungen schaffst.

Danke
*******ant Frau
28.302 Beiträge
Ich habe spontan Assoziationen an "Berlin, Alexanderplatz" ob des Schreibstils.
(Ich liebte dieses Buch, den ihm eigenen Sog und das damals wohl Damm- und bahnbrechende daran, was Teil einer Strömung war und einen der Grundsteine für so vieles legte, was Kunstspartenübergreifend folgen sollte, aber das wird OT.)

Mir gefallen prinzipiell die gedachten
(Ja! -Literatur ist Fiktion, solange es sich nicht um Fachbücher handelt) Perspektivwechsel und
(die personenabhängigen) -tempi in der Geschichte, und von daher finde ich das Unperfekte in der Interpunktion auf eine Art sogar sehr stimmig.

Nur der Hinweis mit dem googeln hat mich irgendwie kurz rausgebracht, da kam plötzlich so eine Art Meta- Ebene rein.

Den zweiten Teil der Geschichte konnte ich nicht lesen (ist kein Betteln!) und beziehe mich daher rein auf den ersten.

Ich freue mich immer, wenn ein Autor/ eine Autorin mit konstruktiver Kritik souverän umgeht.
*liebguck*
*zwinker*

Gruß von einer Ex-Buchhändlerin, was allerdings nicht viel zu bedeuten hat.
Außer, dass sie viel gelesen hat.
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