„Nochmal deutlich: Erfülltes Leben verwendet wie "mission accomplished", wenn man sein Leben Reveu passieren lässt; man ist sich nichts schuldig geblieben, weil man in einer Zweierbeziehung geliebt hat?
Das ist doch individuell sehr unterschiedlich.
Man muss nicht in einer Zweierbeziehung gelebt haben, um ein "erfülltes Leben" gehabt zu haben - und ein Leben kann rückblickend äußerst unbefriedigt und unerfüllt gewesen sein, obwohl (oder gerade weil?) man in einer langjährigen Zweierbeziehung gelebt hat.
Ich komme hier doch wieder auf den Begriff "Glück" zurück.
Und das definiert doch jeder anders.
Ich persönlich definiere es auch nur für den Augenblick.
Selbst rückblickend versetze ich mich in die Zeit zurück, um zu spüren, ob ich in dieser Zeit glücklich war - und versuche es nicht mit meinem Wissen, meinen Erfahrungen von heute zu betrachten und zu bewerten.
Klar würde ich mit dem Wissen von heute wohl einiges anders machen. Aber damals hatte ich dieses Wissen nicht und habe nach meinen damaligen Gefühlen (und Gedanken) entschieden - mit dem Ziel, glücklich zu sein.
Und JA, für mich gehört dazu, dass ich eine tolle, liebevolle, einfühlsame und starke Frau hatte, zwei tolle Jungs (ob ich der biologische Vater bin, weiß ich nicht genau, war mir aber auch nie wichtig) - und genau so auch die anderen Menschen, die ich davor und während dieser Zeit lieben durfte und die mich geliebt haben. Das hat mein Leben bis vor gut 10 Jahren mit viel Glück erfüllt.
Vielleicht wäre es aber anders auch sehr glücklich und erfüllend verlaufen? Ich weiß es nicht, werde es nie wirklich wissen - aber es ist mir auch egal.
Seit dem Tod meiner Frau lebe ich ähnlich und doch anders - auch das erfüllt mein Leben auf eine andere Art.
Es gibt keine "primäre Liebesbeziehung" mehr für mich (auch wenn ich eine Frau schon seit fast 25 Jahre liebe und eine andere seit über 10 Jahren - ja, die eine habe ich parallel zu meiner Frau schon geliebt, und sie war eine sehr gute Freundin meiner Frau).
Trotzdem nehmen verschiedene Menschen liebevoll an meinem Leben teil und ich an ihrem. DAS erfüllt mich weiterhin.
Kurz:
Ich genieße den Augenblick, erfreue mich an den schönen Erlebnissen der Vergangenheit und schaffe Möglichkeiten für eine mir angenehme Zukunft.
DAS reicht mir, um jetzt (und vermutlich auch zu jedem späteren Augenblick) sagen zu können: "Ja, es war ein erfülltes Leben."
Wahrscheinlich wird es auch - egal wie alt ich werde - immer noch Dinge geben, denen ich ein wenig nachtrauere, dass ich es nie machen konnte. Aber das ist mir egal.
___________________
BTW:
Meine Frau ist auch mit einem Lächeln gegangen - sie sagte mir kurz vorher noch, dass sie letztlich ein erfülltes Leben hatte: Sie hatte viele gute Freunde, mit einem ist sie sogar 30 Jahre durch dick und dünn gegangen, sie hat zwei tolle Söhne mit großgezogen und noch erleben können, wie sie beide "auf eigenen Beinen stehen" können.
Ich denke, DAS hat ihr sehr geholfen, diesen letzten Schritt dann auch selbstbestimmt und mit einer gewissen "Zufriedenheit" gehen zu können.
Die Zweier-Liebesbeziehung war also auch bei ihr nur ein Teil des Lebensglücks, nur ein Teil ihres "erfüllten Lebens". Vermutlich hätte sie es ohne diese auch als "erfüllt" angesehen.