Hallo ihr Lieben,
na hier ist ja einiges los!
Ich werde mal versuchen, einige der bisher aufgekommenen Fragen aufzugreifen.
Hypnose und Willenlosigkeit
Zunächst zum Thema der Willenlosigkeit in Hypnose, das
@*********acht angesprochen hatte:
"Auch wenn die Frage nach der Willenlosigkeit experimentell nicht leicht zu entscheiden ist, weil der Charakter eines Experiments dem Probanden grundsätzlich die Verantwortung abnimmt, schließt der heutige Stand der Forschung nach Meinung maßgeblicher Autoren praktisch aus, dass ein Individuum unter Bedingungen der hypnotischen Trance als der Kontrolle über seinen Willen beraubt angesehen werden kann."
Und
"Die bisher vorliegenden systematischen Studien und Literaturzusammenfassungen […] kommen einhellig zu der Auffassung, dass in hypnotischer Trance nichts zugelassen wird, wofür nicht eine, wenn auch wahrscheinlich nichtintegrierte Bereitschaft vorliegt."
Aus: Revenstorf, Peter (Herausgeber): Hypnose in Psychotherapie, Psychosomatik und Medizin, 2. Auflage, 2009, S. 142 - sofern mir bekannt ist, steht das in der aktuellen Auflage von 2015 so unverändert.
Der Revenstorf ist das deutschsprachige Standard-Werk zu wissenschaftlichen Hintergründen und mediznischen Anwendungsgebieten der Hypnose und jedem ans Herz gelegt, der diesbezüglich in die Tiefe gehen möchte (allerdings ist es kein Buch, aus dem man Hypnose als Einsteiger gut praktisch lernen kann):
https://www.springer.com/de/book/9783642545764
Subspace als Trance
Zurück zu Hypnose und Sexualität, insbesondere den BDSM-Bereich. Der häufig spontan auftretende und von vielen Passiven angestrebte "Subspace" ist hirnphysiologisch ein einer hypnotischen Trance ähnlicher Bewusstseinszustand der "transienten Hypofrontalität", also einer gedämpften Aktivität in Regionen des Vorderhirns. Hier gibt's eine Studie dazu:
https://www.researchgate.net … iousness_A_Preliminary_Study
Vereinfacht gesagt ist hier das reflektiert rationale, kritische Denken zurückgefahren. Wer schon einmal erlebt hat, dass eine submissive Person im Spiel ihr Safeword "vergessen" hat oder vielleicht gar nicht mehr sprechen kann, hat einen Einblick in solches veränderte Denken bekommen. Wissen über suggestive Techniken, das viele BDSMer intuitiv entwickeln, das aber auch durch eine Hypnose-Ausbildung erlernt werden kann, kann das BDSM-Spiel sogar sicherer gestalten. Im konkreten Beispiel kann so die Sprachfähigkeit der submissiven Person analog zu einer Person in hypnotischer Wachtrance suggestiv wiederhergstellt werden.
Die Konsensfähigkeit von Menschen in veränderten Bewusstseinszuständen ist sicherlich diskutierenswert, und idealerweise erfolgen die Absprachen vor dem Beginn einer Session. Allerdings würde ich nicht argumentieren, man müsse generell aus einem Spiel aussteigen, sobald die Ratio einer Person gedämpft wird, sei es durch sexuelle Erregung, Subspace, akute Verliebtheit oder hypnotische Suggestion. Hypnose ist nicht mehr oder weniger "Gedankenkontrolle" als viele andere Formen der zwischenmenschlichen Interaktion.
Mehr zum Thema BDSM und Hypnose habe ich zum Beispiel hier in einer Folge des BDSM-Podcasts "Kunst der Unvernunft" erzählt:
https://kunstderunvernunft.de/116-liveshow62
Was ist eigentlich Hypnose?
Was das Thema Trance als Bewusstseinszustand oder Metapher vs. Umsetzung hypnotischer Phänomene angeht, oder überhaupt die Frage "Was ist Hypnose?" möchte ich um Verständnis bitten, dass ich für einen Einsteiger-Artikel im Magazin einer Erotik-Community im Format des Erlebnisjournalismus und mit einer Längenvorgabe von 1200 Worten den Stand der Wissenschaft vereinfacht dargestellt habe.
Tatsächlich gibt es eine lange Historie an Hypnose-Forschung und diverse veraltete und moderne Modelle, hypnotische Phänomene zu erklären. Freundlicherweise hat Zoltan Dienes, einer der aktuell zu diesem Thema führenden Kognitionspsychologen, sechs seiner Vorlesungen an der Universität Sussex auf youtube hochgeladen. Daraus hatte ich mal eine Playlist erstellt, wer also richtig tief ins Thema einsteigen möchte, wird hier fündig:
Seine eigene Theorie, die ich für sehr vielversprechend halte, ist die "Cold Control Theory of Hypnosis". Diese besagt, dass zum Erleben hypnotischer Phänomene als unwillkürlich, also Erleben wie "wow, mein Arm schwebt ja von allein, nur aufgrund einer Suggestion" die Unterdrückung von "Gedanken höherer Ordnung" erforderlich ist, also eine veränderte Selbstreflexion. Natürlich ist es die hypnotisierte Person selbst, die den Arm hebt, ihre bewusste Aufmerksamkeit liegt nur gerade nicht auf der Tatsache, dass sie es tut. Mehr dazu gibt's in diesem Artikel von Dienes:
http://www.lifesci.sussex.ac … cold%20control%20chapter.pdf
Hypnose lernen und erleben
Vor allem der letzte Themenblock geht aber nun schon wirklich sehr ans Eingemachte und ich möchte nochmal betonen, dass es wirklich ziemlich einfach ist, mit Hypnose als erotische Spielart allein oder in einer vertrauten Beziehung Spaß zu haben. Ich nehme gern das Kochen als Analogie: Ich fange erst mal an, indem ich verschiedene Kochrezepte ausprobiere und diese meinem persönlichen Geschmack und dem meiner Partner anpasse. Nach einer Weile Praxis entwickle ich aus diesen Grundkenntnissen eigene leckere Ideen. Küchenchemie zu studieren ist natülich auch super spannend, aber für den Einstieg vielleicht ein bisschen viel und auch erst mal nicht notwendig.
Natürlich ist es immer eine ganz individuelle Entscheidung, sich mit einer erotischen Spielart zu befassen. Es scheint fast so als meinten einige hier, sie müssten sich dagegen verteidigen, erotische Hypnose auszuprobieren zu
müssen, oder sie fühlen sich davon gestört, wenn andere das tun. Mitnichten - ein jeder, wie er oder sie möchte, bitte!
Und an dieser Stelle auch noch einmal der Hinweis, dass Hypnose zwar natürlich auch als therapeutisches Werkzeug eingesetzt werden kann, alerdings ist die Grundlage dafür eine therapeutische Ausbildung. Hier geht's um Freizeithypnose zur vergnüglichen Steigerung des sexuellen Erlebens, und die darf leicht sein und Spaß machen!
Beste Grüße
Undine
https://hypnokink.de/