Martika
Für Martika wäre es ein Leichtes, zu mir ins Bett zu steigen, mich zu berühren, sich berühren zu lassen, wie ein nasses Blatt könnte sie an mir kleben und lange Liebe machen, auf jede Art und Weise. Es müsste nur immer eine Fluchttür offen bleiben, ich dürfte mich nicht wundern, falls sie mitten in der Nacht davon schleicht. Ich wunderte mich nicht, als das geschah, bin selbst lange ein Davonschleicher gewesen. Ich muss das heute nicht mehr, es macht mich aber auch nicht traurig, dass sie bislang immer vor dem Frühstück verschwindet. Es ist schön, wie es ist. Wenn sie mit einem Mann Liebe macht, lässt sie sich berühren, geht aber vorsichtig mit Nähe dabei um, denn, um es mit ihren Worten auszudrücken, sollte sie sich zu sehr öffnen, überschwemmt es sie. Sie fürchtet sich vor den Gezeiten.Einmal saß sie einfach auf dem Absatz meines Hauseingangs. Sie hatte nicht angerufen, war auf gut Glück vorbei gekommen, dabei wohnt sie nicht einmal in meiner Nähe. Ich freute mich, sie zu sehen, doch ich riet ihr von solchen „Überfällen“ ab. Ich brauche auch meinen Vorlauf. Wir haben uns darauf verständigt, dass sie mich zumindest eine Stunde vorher anruft, ob es passt. Langfristige Verabredungen treffen wir nicht, doch habe ich so wenigstens genug Zeit für kleinere Besorgungen oder schnelles Aufräumen. Natürlich möchte sie keine Umstände machen. Sie ist so bescheiden, sie ahnt nicht, welches Geschenk ihre Besuche in meinem Einsiedlerleben sind.
Ich bin wirklich von Martika angetan, ich mag sie sehr. Sie geht viel spazieren, meist allein. Zeitweise redet sie nicht gerne, als läge dann ein riesiger Schlammberg vor ihr, den zu durchwaten sie scheut. Es macht sie müde, sagt sie, es strengt an, dabei kann sie ganz zauberhaft erzählen. Auch das habe ich erlebt. Doch ihr Schweigen ist wunderschön, sie braucht keine Worte, um Wesentliches mitzuteilen, ihre Augensprache ist fast lyrisch. Ich erinnere eines solchen Blickmoments im Frühherbst auf der Terrasse. Wir tranken Kaffee, genossen die Sonne, ich hatte nichts mehr zu erzählen, sie sprach ein paar Worte und lächelte dann. Keiner mochte den Beginn der physischen Berührungen einleiten, wir schauten uns nur an. Niemals bin ich derart tief in einen Augenkontakt versunken. Ich könnte nicht einmal sagen, ob das mit Martika etwas Leichtes oder eher Tiefgründiges ist. Ich weiß auch nicht, wo das hinführt. Vielleicht zum nächsten Sommer.
m.brody
2017/2021