Ohne Titel
Das Bett, in dem alles anfing und nie weiterging, war ein großes, breites Futon in einem Hotel mitten in der Stadt.Es stammt aus einer Zeit, als sich Design und nicht Corona aufmachte, die Welt zu erobern.
Eigentlich wäre dies ein Raum für eine Geschichte ganz anderer Art – für eine Geschichte, in der der Exzess bis ins letzte Detail beschrieben und auf die Fortsetzung hingearbeitet werden würde.
Aber da mein Text kurz ist und schon längst angefangen hat, bleibt mir nur, den Leser in Bezug auf Jugendfreiheit vorzuwarnen und einen Namen für die Heldin dieser Geschichte auszusuchen:
Ich nenne sie Sylvia.
Sylvia ist wild, hemmungslos und spontan. Im Gegensatz zu mir verweilt sie nicht gerne bei Zwischentönen.
Nur so lässt sich auch erklären, dass Sylvia jenen Exzess in jenem Hotelzimmer genoss, bis die Synapsen in ihrem Kopf explodierten - und ihren Liebhaber binnen drei Tagen wieder vergaß.
Ich hätte mindestens drei Jahre vorher mit ihm geschrieben, mich augenblicklich verliebt und gewartet.
Natürlich versuchte der namenlose Liebhaber, Sylvia wiederzusehen.
Sie hatten sogar einen Plan.
Dieser Plan besagte, dass der Liebhaber mit verbundenen Augen, kniend und nackt, wieder in jenem Hotelzimmer Sylvia komplett befriedigen sollte.
Aber wie bei jedem Plan, der geil, genial und surreal ist, gab es Schwierigkeiten bei der Umsetzung.
Zu wenig Zeit, zu wenig Geduld, zu wenig Interesse.
Sylvia zog sogar schon in Erwägung, eine Freundin ihrer statt zu schicken.
Damit der Liebhaber weder zu aufdringlich wurde, noch in der Höhle seiner Einsamkeit verschwand, fand Sylvia eine Möglichkeit, den Plan auf wirksame Weise weiterzuverfolgen, ohne dass sie zu viel investieren musste.
Aufgaben.
Nenn es Training, nenn es Übungen, nenn es Vorspiel.
Der Liebhaber lernte also das beste Tennismatch der Geschichte Punkt für Punkt auswendig, malte Porträts von ihr, hatte bald keinen Würgreflex mehr und eine ordentliche Sammlung an Plugs.
Und sollte ich Sylvia nicht im Laufe der Geschichte sterben lassen, stellt sie dem Liebhaber noch immer Aufgaben bis an sein Lebensende.
Verdammt, ich wäre barfuß durch den Schnee gelaufen, um nur einmal von diesem Mann massieren zu werden.
Aber so ist das Leben. Hart.
Weich sind nur die Märchen.
Und tatsächlich brauchte es nicht viel mehr als das Klingeln meines Smartphones, um mich zu wecken.
„Hey Du“, hörte ich am anderen Ende der Leitung. „Ich werde am Wochenende in der Stadt sein. Du trägst Nylons und High Heels, verbindest dir die Augen, ich streiche mit dem Zeigefinger die Linie deiner Nase nach, stecke dir zuerst meine Finger und dann mein bestes Stück in den Hals. Ich werde dir das geben, was du dir wünschst, und mir das nehmen, was ich will.“
Der Traum meiner Begierden, meiner Sehnsüchte, meiner Hoffnungen.
Das Warten hatte ein Ende. Endlich.
„Weißt du“, antwortete ich, „mein Kanarienvogel hat Asthma und wir müssen in die Klinik. Tut mir so leid. Ein anderes Mal.“