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Benutzt

Benutzt
(1)

Wie könnte ich den Tag vergessen, als ich ihr zum ersten Mal begegnet bin? Es war einer jener Tage, an denen alles schief zu laufen schien – zwei Aufträge geplatzt, Ärger im Büro, und nun stand ich also im Lipsticks, das Lokal war bereits gut besucht, auf der Tanzfläche bewegten sich die ersten Paare zu Hits aus den 80ern und ich hielt mich an meinem obligatorischen Glas Tomatensaft fest, während ich meine Blicke durch's Lokal streifen ließ. Wenn ich heute Abend nicht wenigstens eine halbseitige Annonce als Auftrag mit nach Hause nahm, würde ich meinen Schnitt für diesen Monat nicht halten können, und dies war eine Frauenkneipe – ok, die größte in der Stadt und an den Wochenenden sehr gut besucht, aber mir war klar, daß beim überdurchschnittlich guten Verdienst homosexuell lebender Menschen die Männer diejenigen waren, die sich Stil, Luxus und große Annoncen leisten konnten, während Frauen nach wie vor froh sein konnten, mit ihrem Einkommen über die Runden zu kommen. „Was nutzt mir jeden Abend ein voller Laden, wenn die Ladies sich stundenlang an einem Tee oder einem Weißbierglas festhalten?“ hatte mir Meg im vergangenen Monat vorgejammert, als ich meinen üblichen Akquisebesuch bei ihr gemacht hatte.

Ich nippte an dem Saft, hatte kaum ein Ohr für das Geplänkel von Biggi und A.J. neben mir, die sich an Coolness und abgebrühter Kaltschnäuzigkeit zu überbieten suchten. „Ey, siehst du die beiden Schnecken da vorne? Frischfleisch...“ trällerte Biggi und steuerte bereits in Richtung Theke, während A.J. noch damit kämpfte, ihren Blick vom Spiegel an der Säule links von mir zu lösen. Unwillkürlich hatte ich in die Richtung geblickt, in die Biggi nun im lässigen Gang einer Gigola schlenderte: unweit von mir, am Ende der Ausschanktheke, saßen zwei junge Frauen auf Barhockern, sie wirkten deplatziert in dieser Umgebung, sahen sich unsicher um. In diesem Szenelokal, in dem es nur besonders androgyne, lässige Frauen mit gegelten Kurzhaarfrisuren oder ausgesprochen feminine, in neckisch-verspielte Hosenanzüge gekleidete Schönheiten zu geben schien, wirkten die beiden wie brave Büromäuse, die sich versehentlich in eine Oben-Ohne-Bar verirrt hatten. „Wieder zwei Junggänse, die mal ausprobieren wollen, wie's mit 'ner Frau ist“ grinste A.J., bevor sie sich endgültig von ihrem Spiegelbild lösen konnte und sich aufmachte, Biggi zu folgen, die bereits souverän der Frau hinter'm Tresen mit zwei Fingern eine Bestellung für die beiden Frauen signalisierte.

Ich wollte mich schon gelangweilt abwenden, um mich weiter nach der Wirtin umzusehen, als mein Blick an der dunkelhaarigen, mir nur halb zugewandt sitzenden jungen Frau hängen blieb: war das nicht die neue Kollegin, die seit einigen Wochen in meinem Betrieb ein Praktikum absolvierte? Neugierig sah ich genauer hin. Jung war sie, gerade mal Mitte 20, schätzte ich, halblanges, glattes Haar, das sie gescheitelt und hinter die Ohren gestrichen trug. Weißes Männerhemd, neu aussehende Jeans, schwarz glänzende Dockers an den Füßen – Jesus, dachte ich, das Outfit muß sie sich aus dem Lesben-Knigge aus den 70ern rausgesucht haben...

Über den Lärm der Musik und der mittlerweile zahlreich tanzenden Paare hinweg sah ich sie verhalten den Kopf schütteln und sich achselzuckend abwenden, als ihre Begleiterin – eine hübsche Blonde in Pumps und Kostümchen – Biggis Aufforderung zum Tanz folgte, sich betont ungeschickt vom Barhocker und direkt in Biggis Arme plumpsen ließ. Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen, als ich mir überlegte, wer da wohl wem in der Kunst der gespielten Naivität überlegen war: Biggis atemlose, zur Schau gestellte Begeisterung und gestotterten Komplimente bei jeder „Neuen“, derer sie im Lipsticks ansichtig wurde, waren so legendär wie gekonnt.

Mein Blick wanderte zurück, als Unruhe am Tresen entstand: A.J. war wohl abgeblitzt, denn sie lachte laut, prostete demonstrativ einer unsichtbaren Bekannten durch's ganze Lokal zu, bevor sie im Weggehen leise etwas zu der nun allein sitzenden Junglesbe sagte. Wurde Zeit, daß ich mir das Ganze mal aus der Nähe ansah, beschloß ich, und schlenderte durch die Tanzenden hindurch zum Tresen. „Was für eine Überraschung, sie hier zu treffen“ begrüßte ich die junge Frau, und sie schien im ersten Moment erleichtert, nun nicht mehr ganz ohne Begleitung dort zu sitzen – gleich danach aber schoß ihr Röte ins Gesicht. Verlegen erwiderte sie meinen Gruß, reichte mir die Hand, als wären wir uns im Büro begegnet und murmelte dann: „Wissen sie, ich war noch nie in so einem Lokal, wenn das im Büro die Runde macht...“

Ich antwortete nicht, winkte stattdessen Meg zu, die endlich aufgetaucht war und der Barfrau leise Anweisungen gab. Meg winkte zurück, bedeutete mir, mich noch einen Moment zu gedulden, und als ich mich der jungen Frau wieder zuwandte, sah ich, daß sie meiner stummen Verständigung mit Meg zugesehen und mich nun fast bewundernd ansah. „Sie sind öfter hier, nicht? Aber klar, jeder weiß doch, daß sie...“ Noch während sie sprach, wurde ihr offenbar bewußt, daß sie sich verplappert hatte, tiefe Röte stieg in ihr Gesicht und verlegen stammelte sie eine Entschuldigung, aber ich winkte ab: „Nenn mich Anne, wo wir schonmal hier sind ist das Gesieze wohl überflüssig. Wie heißt du?“ Nachdem sie sich mit Sonja vorgestellt hatte, sah sie sich etwas beklommen um, und ihrem Blick folgend sah ich ihre Freundin hingegeben in den Armen Biggis über die Tanzfläche schweben, ihre Augen schienen miteinander verschmolzen, Biggi zog ihre eleganteste Slowfox-Nummer ab und die hübsche Blonde hing mit schmachtendem Blick an Biggis Lippen – ich verzog mein Gesicht, wandte mich wieder Sonja zu, die ein wenig verloren wirkte, wie sie so da saß.

„Wie seid ihr ausgerechnet auf's Lipsticks gekommen, euch beide habe ich noch nie in der Szene gesehen?“ fragte ich sie, und unschlüssig zuckte sie die Schultern. „Ich bin nur wegen Geli hier, das ist meine beste Freundin, sie wollte mal sehen, wie es mit einer Frau wäre und da dachten wir...“ - „Soso, da dachtet ihr, gehen wir doch einfach mal in den heißesten Aufrißschuppen der Stadt und spielen ein bißchen mit dem Feuer, wie?“ Noch bevor sie antworten konnte, winkte mir Meg zu und ich stand auf: „Hör zu, Sonja, ich hab hier noch was zu erledigen, viel Spaß noch beim Ausprobieren!“ und folgte Meg hinter dem Tresen in ihren dahinterliegenden Privatraum. Ich war ärgerlich, stellte ich mit Verwunderung fest, konnte mir allerdings nicht erklären, worüber.

Meg, eine große, kräftig gebaute Frau mit silberfarbenen, kurzen Haaren und attraktiven Falten um die Augen, begrüßte mich herzlich, musterte mich prüfend und fragte dann: „Was für 'ne Laus ist dir denn über die Leber gelaufen und seit wann machst du dich an grüne Junglesben ran?“ fragte sie mich in der ihr eigenen Direktheit. Meg konnte man nichts vormachen, in all den Jahren, in denen sie nun schon mit verschiedenen Frauenkneipen erfolgreich als Wirtin aktiv war, hatte sie sich einen unbestechlichen Blick für Menschen angeeignet. Wir begegneten uns stets freundschaftlich, vergaßen dabei jedoch nie, daß wir uns aus früheren Zeiten kannten, an die ich mich nur nebelhaft, aber voller Scham erinnerte: damals, als ich fast jede Nacht in ihrer Kneipe herumgehangen war, wahllos mit jeder Frau, die mir ein Getränk spendierte, geschlafen hatte, nur um nicht allein sein zu müssen, Zeiten, in denen ich mein Gehalt schon zur Monatsmitte versoffen und um Megs Bereitschaft, anschreiben zu können, gebettelt hatte...

Unwillig schüttelte ich diese Gedanken ab, antwortete dann mürrisch: „Ach nichts, die Kleine arbeitet bei uns im Büro, nicht der Rede wert!“ Meg zog nur vielsagend die Augenbrauen hoch. „Wenn du nichts hast, möchte ich dir aber nicht begegnen, wenn du mal was hast, Süße!“

„Verdammt Meg, ich hasse diese Weiber, die hierher kommen, um sich aufreißen zu lassen, nur um mal zu sehen, wie's mit einer Frau im Bett ist! Ich hasse diese verfickten Konsumtussen, die sich auf jedes Stück neue Haut stürzen, als wären sie Hyänen, die einen Fetzen Aas gefunden haben! Mir gehen diese dummen, grünen Möchtegern-Bi-Weibchen auf die Nerven, die sich solchen abgefuckten kessen Vätern wie Biggi anbieten, als wären sie Frischfleisch!“ brach es aus mir heraus, und mitten in Megs erstaunten Gesichtsausdruck hinein schüttelte ich verlegen den Kopf, versuchte abzuwiegeln: „Laß uns das Geschäftliche besprechen, hast ja volles Haus heute, ich weiß auch nicht was heute mit mir los ist.“ Meg sah mich noch einen kurzen Moment prüfend an, dann drückte sie kameradschaftlich meine Schulter, bevor wir uns meinem Angebot zuwandten. Die Verhandlungen dauerten nur kurz, Meg war eine Frau, die stets wußte, was sie wollte, und zu meiner Überraschung buchte sie für die nächsten drei Monatsausgaben des Gaymagazins, für das ich nebenbei Anzeigenkunden akquirierte, eine halbseitige Anzeige im Farbdruck. „Das Jahr ist bis jetzt gut gelaufen, im letzten Quartal will ich nochmal richtig Gas geben, zu Silvester soll dann eine große Ladies-Night mit Motto, Partyzelt und mehreren D-Janes steigen“ erklärte sie, und zufrieden legte ich ihr den ausgefüllten Vorvertrag zur Unterschrift hin und versprach, ihr die Probeabzüge schnellstmöglich zukommen zu lassen.

Als ich wieder in das Lokal zurückkam, hatte ich Sonja und meinen Ärger fast schon vergessen, wollte nur noch nach Hause, aber sie stürmte fast auf mich zu: „Bist du mit dem Auto hier, könntest du mich bitte mitnehmen?“ fragte sie etwas gehetzt, und mit einem schnellen Blick zum Tresen hin erkannte ich ein Grüppchen Frauen, die ich aus früheren Tagen kannte: wir hatten mehr als eine Nacht freudlos zusammen durchgezecht, und bei mehr als einer von ihnen war ich am folgenden Morgen ohne Erinnerung an die vorangegangene Nacht aufgewacht. Zynisch grinsend hob eine von ihnen ihr Glas, prostete mir zu und wandte sich mit einer Bemerkung den anderen zu, die bei diesen Gelächter auslöste. Angewidert griff ich nach Sonjas Arm und steuerte auf den Ausgang zu, ohne mich noch einmal umzusehen.
*****ida Frau
16.813 Beiträge
*bravo* tolle Szenen und schöne Bilder!
****ody Mann
11.684 Beiträge
Es hat das, was es haben muss, einen hohen Unterhaltungswert. Ich hatte ja vor längerer Zeit schon einmal Einblick in Deine Werke und als jemand, der für gewöhnlich Erotik gar nicht liest, musste ich mich dann doch als Fan Deiner Schreiberei outen. Man liest einfach die Sorgfalt heraus, mit der Du Deinen Figuren eigenes Leben einhauchst. Dabei bleiben sie Menschen wie du und ich, das macht es glaubwürdig. *blume*
(2)


„Was ist mit deiner Freundin, bleibt die noch?“ fragte ich und genoß die kühle, schon herbstfeuchte Luft draußen. „Ist mir egal“, antwortete Sonja mürrisch, „wir hatten eigentlich ausgemacht, daß wir zusammen weggehen, aber sie hat sich die ganze Zeit nicht um mich gekümmert, da brauche ich wohl nicht weiter auf sie zu warten“.

„Klette, was?“ spöttelte ich, während ich meine alte Rostlaube aufsperrte und etwas Gerümpel vom Beifahrersitz sammelte, um Platz für Sonja zu schaffen. Sie schwieg gekränkt, schien mir ihre Adresse nur widerwillig zu nennen, als ich danach fragte, und blieb auch während der Fahrt ruhig. Sollte mir Recht sein, ich war nicht scharf darauf, mich um die Launen einer fast Fremden zu kümmern, die gerade alt genug war, um erste unsichere Schritte ohne Ziel und Beständigkeit zu machen. Ich zündete mir eine Zigarette an, suchte dann im Radio nach einem Sender, der nicht allzu verrauscht klang und hörte kaum hin, als sie schließlich unser Schweigen unterbrach: „Könnten wir nicht noch irgendwo hingehen, wo es ruhiger ist? Ich würde dich einladen!“ Es klang, als hätte sie für diesen Satz Anlauf genommen. Ich war überrascht, wollte schon ablehnen, als ich ihr eindringliches „Bitte!“ hörte.

Seufzend gab ich nach, bog bei der nächsten Kreuzung ab und fuhr zum Café Rubster, einer rustikal eingerichteten, kleinen Kneipe etwas abseits des Gayviertels, fand einen Parkplatz und betrat, Sonja im Schlepptau, den etwas schummrigen Raum. „Anne, was für eine seltene Ehre, ich hab dich ja eeeewig nicht mehr gesehen!“ rief mir Hilda theatralisch durch den Raum zu und verschaffte meiner Begleiterin und mir so einen Auftritt, den ich unwillig und gleichermaßen amüsiert zur Kenntnis nahm. Hilda ließ uns keine Zeit für unauffälliges Ankommen, wie eine glanzvolle Yacht schwebte sie auf uns zu und bevor ich auf Tauchstation gehen konnte, versank ich in einer parfümgeschwängerten, knochenbrechenden Umarmung dieser fast 2 Meter großen Queen. „Was für eine entzückende kleine Novizin bringst du mir denn da in meine ruchvollen Gemächer?“ fragte Hilda gleich darauf und hob mit einem Finger Sonjas Kinn, um sie sich näher anzusehen. Es war Sonja anzusehen, daß sie von Hilda fasziniert war. Mit großen Augen starrte sie in deren aufwändig geschminktes, kantiges Gesicht, als sie sich schüchtern vorstellte. „Kümmere dich mal kurz um Sonja, ich bin gleich wieder da“ bat ich Hilda, bevor ich mich um die Theke herum an den dort versammelten Dartspielern vorbeidrängte, um zur Toilette zu gelangen.

Obwohl Hilda eine lokale Berühmtheit in der Stadt war, die durch ihr schrilles Auftreten immer wieder in Klatschspalten und Berichten über Wohltätigkeitsbazaren und Charity-Veranstaltungen auftauchte, war das Rubster nur einem relativ kleinen Kreis bekannt: hier trafen sich Künstler, gestrauchelte Existenzen, Lesben, die aussahen wie biedere Hausfrauen, Schwule in Leder, Nieten und ausladenden Bäuchen neben dem indischen Rosenverkäufer, der hier jede Nacht seinen Tee trank, bevor er Feierabend machte. Man begegnete sich am Dartboard, konnte sich in kleinen Nischen zum vertraulichen Plausch zurückziehen oder an der Theke mit Hilda den neuesten Tratsch oder das Geschehen in der Weltpolitik lautstark erörtern. Nur den wenigsten war bekannt, daß die schrille Dragqueen sich tagsüber in einer Suchtberatungsstelle für abhängige Schwule und Lesben engagierte, wo ich nach einer nächtlichen Schlägerei 60 vom Gericht auferlegte Sozialstunden abzuleisten hatte, um einer härteren Bestrafung wegen Körperverletzung zu entgehen.

Als die Klotür hinter mir zugefallen war, blieben Musik und Gelächter wie abgeschnitten draußen. Ich ging zum Waschbecken, ließ kaltes Wasser über meine Handgelenke laufen, wusch mir das Gesicht, und betrachtete mich dann im Spiegel: müde sah ich aus, blasses Gesicht mit großen, grauen Augen unter einer widerspenstigen Haarmähne, volle Lippen, die nicht so recht zu meinen ansonsten herben Gesichtszügen paßten. Nachdenklich sah ich mich an, fragte mich, warum ich mich von Sonja so leicht hatte breitschlagen lassen, mit ihr den Abend zu verbringen. Sie war nicht mein Typ: zu jung, zu unfertig für meinen Geschmack. Ich hatte noch nie viel übrig gehabt für Frauen, die ihren Weg im Leben noch nicht gefunden hatten, und ich hatte auch wenig Verständnis für jene Lesben, die ganz versessen darauf schienen, unerfahrene junge Frauen in die lesbische Liebe einzuweihen. Sonja sah auf eine knabenhaft-zarte Art nett aus, wirkte sehr unerfahren, ernst, sie schien der Typ Frau zu sein, der früher oder später in einer jener Gruppen politisch engagierter Lesben landen würde, Jeans und schniekes Herrenhemd gegen naturgewirkte Baumwollshirts und Korksandalen tauschen und in einigen Jahren mit ihrer großen Liebe per Standesamt besiegeln und ein bis zwei Kinder mit einem befreundeten schwulen Paar zeugen würde.

Ich schüttelte den Kopf über meine Gedanken, strich mir die letzten Tropfen aus dem Gesicht und ging zurück in den Gastraum. Sonja saß inzwischen bei Hilda an der Theke, lachte begeistert über deren dramatische Inszenierungen und schien sich pudelwohl zu fühlen. Als ich mich neben sie auf einen Barhocker schwang, lächelte sie mich so strahlend an, daß ich gar nicht anders konnte als ihr Lächeln zu erwidern. „Und diese unscheinbare Person, mein liebes Kind,“ führte Hilda mit mißbilligendem Blick auf mein ungebügeltes graues Flanellhemd und meine verwaschenen, zu weiten Hosen, die nur durch einen Gürtel auf meinen Hüften gehalten wurden, aus - „ist eine der schlimmsten Herzensbrecherinnen der Stadt. Du solltest aufpassen, mit wem du um die Häuser ziehst, so ein unbelecktes Herzchen wie du kann da schnell seine Unschuld verlieren!“ Schwungvoll stellte sie ein Glas Tomatensaft vor mir auf die Theke, und ich spürte ärgerlich Hitze in meine Wangen steigen, als Sonja mich neugierig ansah, noch etwas anderes im Blick, das ich nicht so recht deuten konnte. „Hilda-Liebes, du redest Stuß“ bemerkte ich trocken, verbarg meinen Unmut hinter dem Getränk. „Jetzt erzähl mal, weswegen du mit deiner Freundin heute eigentlich losgezogen bist. Bist du wirklich nur mitgegangen oder steckt da mehr dahinter?“ wandte ich mich dann an Sonja. Nun war es an ihr, ihre Verlegenheit mit einem Schluck aus ihrem Glas Cola zu verstecken, bevor sich antwortete: „Nein, ich bin eigentlich normal, weißt du“ begann sie, bemerkte ihren Fauxpas, noch bevor ich die Augen verdrehte, setzte neu an: „Also es ist schon so, daß ich mir manchmal überlege, wie Frauen miteinander schlafen und so, das stelle ich mir irgendwie viel sinnlicher und zärtlicher vor als mit einem Mann.“

Hilda warf mir einen betonten Blick zu, als sie mir unaufgefordert einen Espresso hinstellte und sich dann mit dem ihr eigenen Gespür für private Gespräche zurückzog. „Wie kommst du darauf, hast du's schon mal probiert?“ fragte ich Sonja, aber sie schien meine Frage nicht gehört zu haben, mit fast schwärmerischem Eifer sprach sie weiter: „Ich meine, eine Frau weiß doch am besten, was einer Frau gefällt, es muß toll sein, so zärtlich verwöhnt zu werden und genießen zu können, wenn eine Frau die schönsten Stellen berührt, ohne daß man erst alles erklären muß, nicht? Wenn ich da an meinen Ex denke, wie schnell der immer fertig war und dann wollte er nicht mehr, Frauen haben da bestimmt mehr Geduld...“ Sie brach ab, als ich lauthals loslachte, errötete wieder, fragte fast patzig: „Stimmt das etwa nicht?“

Ruhig trank meinen Espresso aus, beugte mich dann leicht zu ihr und fragte: „Sag mal: mit wie vielen Männern hattest du bis jetzt Sex?“ - „Mit zweien“, antwortete sie irritiert, und sie verstummte, als ich sie fragte: „Und: waren die im Bett gleich? Haben die auf dieselben Sachen reagiert, haben die dich auf dieselbe Weise angefaßt, hast DU sie auf dieselbe Art verwöhnt?“

Ihr Blick wurde nachdenklicher, als sie einen Moment überlegte, dann fragte sie mich offen: „Wie ist es wirklich, mit einer Frau zu schlafen, ist es etwa nicht zärtlich?“

„Ich weiß nicht, ich habe noch nicht mit allen Frauen geschlafen“ antwortete ich lakonisch, und noch während ich sprach, fragte ich mich, welcher Teufel mich ritt, als ich sie fragte: „Willst du's heute probieren?“
(3)

Sonjas Lachen geriet etwas zu laut und konnte den erregten Schauer, der sie bei meiner direkten Frage überlief, nicht verbergen. Ich lehnte mich etwas mehr in ihre Richtung, neigte ein wenig meinen Kopf, um ihr so mit einem leichten Augenaufschlag von unten einen tiefen Blick zu schenken, setzte mein früher berüchtigtes Lächeln auf und verfluchte den Umstand, daß eine wie zufällig in Tomatensaft getauchte Fingerkuppe bei weitem nicht so vielsagend über den Rand eines Glases streichen konnte, wie ich das früher mit Rotwein immer getan hatte. Ich hatte das Spiel noch drauf, Sonja reagierte unmittelbar, erwiderte scheu meinen Blick, ihre Wangen flammten in schönstem Rot, in ihre Augen trat ein Glanz, der meinen längst verloren geglaubten Eroberungswillen entfachte. Behutsam, kaum wahrnehmbar, ließ ich meinen Zeigefinger durch die Spalte, die sich zwischen ihrem Ring- und kleinen Finger bildete, gleiten, sah ihr dabei bedeutungsvoll in die Augen, den Kopf nun leicht schräg gelegt – und dann zuckten wir zusammen wie zwei ertappte Schulmädchen, als Hilda geräuschvoll ein neues Glas Tomatensaft vor mir auf den Tisch knallte.

Ernüchtert richtete ich mich auf, erwiderte kühl Hildas beredten Gesichtsausdruck, während Sonja sich nervös auflachend das Haar aus dem Gesicht strich, sich vom Barhocker gleiten ließ und mit einem entschuldigenden Lächeln in Richtung Klo verschwand. Hilda musterte mich mit hochgezogenen Augenbrauen, dann fragte sie: „Schätzelchen, entdecke ich da etwa Seiten an dir, die noch niemand kennt?“ Der warnende Unterton in ihrer Stimme war nicht zu überhören, ich fühlte mich ertappt, bat Hilda um die Rechnung, weil mir keine Antwort einfiel, nahm ihr „das geht heute mal auf's Haus, Liebes“ mit einem ruppigen: „Auf die Weise wirst du nie reich und berühmt!“ entgegen, und hatte bereits meine vergilbte Lederjacke übergeworfen, als Sonja zurückkam. Enttäuscht sah sie mich an, als ich ihr ihre neu aussehende Jeansjacke bereithielt und beantwortete ihren stummen Protest mit einem kurzen: „Laß uns für heute gehen, ich muß morgen früh raus“. Ich war bereits auf dem Weg zum Ausgang, Hildas gesungenes „Ciaaaaoooo“ mit einem kurzen Winken beantwortend, als Sonja mich einholte.

„Habe ich irgendwas falsch gemacht?“ fragte sie etwas atemlos, als wir in die kühle Luft hinaustraten. Ich wußte keine Antwort, fühlte den leisen Ärger, den ich bereits bei Meg empfunden hatte, neu aufsteigen, schüttelte nur den Kopf, aber Sonja ließ nicht locker. Bevor ich weitergehen konnte, hatte sie meinen Arm gepackt, zwang mich, sie anzusehen: ihre weit offenen Augen, das leichte Zittern ihrer Lippe, dieses Gesicht, das fahl im Licht einer Straßenlaterne aus der Dunkelheit in dieser Seitengasse leuchtete... ohne weiteren Gedanken hob ich meine Hand, berührte zart ihre Wange, beugte mich leicht zu ihr herunter und verharrte so, meine Lippen nur eine Winzigkeit von ihrem Mund entfernt. Ich konnte ihren Atem spüren, die Wärme ihrer Haut, noch bevor ich sie berührte. Still stand sie da, hielt mir nur ihr Gesicht entgegen, fast andächtig meinen ersten Kuß entgegennehmend. Weich, so unendlich zart waren ihre Lippen, ließen sich berühren, hielten ganz still, ließen zu, daß meine eigenen Lippen ihre Form nachzeichneten, kaum wagte ich, meine Zungenspitze ihren Geschmack kosten zu lassen. Nur ihr verhaltenes, tieferes Atmen verriet mir, daß ich ihr willkommen war, und als meine Zunge zärtlich in ihren Mundwinkel eintauchte, einem heimlichen Gast gleich ihre Lippen aufbrach, kam sie mir entgegen, sacht nur, weich, passiv lehnte sie sich Nähe suchend an mich, weiter ihr Gesicht mit den geschlossenen Augen zu mir emporgereckt. Einen langen Moment lang sah ich sie an, bewunderte die Schatten, die ihre Wimpern auf die Wangen warfen, den Verlauf ihrer kurzen, geraden Nase, die Gelöstheit ihres jetzt leicht geöffneten Mundes, ihr Kinn, das so energisch und zugleich doch weich, nachgiebig wirkte. Als meine Finger zart darüberstrichen, bevor sie ihre Kehle hinab zum Schlüsselbein, weiter unter ihren offenen Hemdkragen glitten, erschauerte sie leicht, und erneut tauchte ich in sie, verschloß ihren Mund mit meinem, ließ meine Zunge nun forscher werden, spürte mit Entzücken die schüchterne Antwort ihrer Zunge, die mir entgegenkam. So versunken standen wir da, so innig, die Zeit vergessend, daß kein Platz mehr war für Zweifel oder Fragen. Ich weiß nicht, wie lange wir in diesem Kuss verharrten, irgendwann holte sie tief Luft, zog sich ein wenig zurück – nur ein kleines Bißchen, flüsterte dann in diese verzauberte Stille hinein: „Nimmst du mich mit zu dir? Bitte?“

Wie ein eisiger Schauer fiel die Ernüchterung in meinen Kragen, kühlte meine Haut, ließ die gerade eben noch engelhaft sanften Gesichtszüge Sonjas nun hart und kontrastreich aussehen, es dauerte einen Moment, bis mein Blick wieder an Schärfe gewann, und als ich meine Lippen erneut auf ihren Mund preßte, hatte die Kälte mein Innerstes schon erreicht. Noch immer hielt sie still, noch immer blieb sie passiv empfangend. Als ich mich nun hart an sie preßte, meine Arme fordernd um sie schlang, meine Zunge tief in ihrem Mund vergrub, schien sie gewillt, alles, was ich mit ihr tun wollte, einfach hinzunehmen, fast so, als hätte sie eigene Impulse, Begierden, ihre Neugier abgeschaltet. Als ich mit einer Hand ihren Hinterkopf griff, mich tiefer in ihren Mund wühlte, ihren Leib heftig an mich preßte, den Schenkel meines rechten Beins hart, keinen Widerstand duldend zwischen ihre Beine schob und mich so an, in sie hineinrieb, begann sie zu keuchen, laut, heiß an meinem Ohr... wie von Sinnen war ich, wollte sie jetzt, ganz, auf der Stelle, so sehr, wie ich noch nie vorher einen Menschen begehrt hatte. Das Rauschen, das wie eine Meeresbrandung in meinen Ohren tobte, trug mich hinweg, mächtig und laut, und erst allmählich, wie aus weiter Ferne, drang ihr ersticktes Wimmern an mein Ohr, spürte ich Widerstand, bemerkte ich die Fäuste, die sie gegen mich stemmte im Bemühen, sich aus meiner Umklammerung zu lösen.

Abrupt ließ ich sie los, sie taumelte etwas, wäre fast gestürzt, als meine Arme sie freigaben, meine impulsiv vorgestreckte Hand, die sie halten wollte, schlug sie beiseite, dann keuchte sie: „Ich weiß nicht, was ich dir getan habe, aber so nicht, so nicht!“

Und dann drehte sie sich um und ging, rannte weg von mir, einfach so.
(4)


In den folgenden Wochen hatte ich viel zu tun, in unserem Betrieb herrschte Hochkonjuktur und die Anzeigenkunden wurden buchungsfreudiger, je näher das Jahresende heranrückte. Ich kam kaum zur Ruhe und war darüber froh. Sonja sah ich während dieser Zeit nur selten, gelegentlich begegneten wir uns auf dem Weg zur Kantine, aber wir beließen es beiderseitig bei einem kühlen Kopfnicken.

Es war bereits Ende Oktober, als ich nach einer stressigen Woche beschloß, mir ein gemütliches Samstagsfrühstück im Café Seitensprung zu gönnen, einem geräumigen, hell eingerichteten Lokal im Gayviertel der Stadt. Ich mochte die gelöste Atmosphäre dort, die Frühstückskarte war reichhaltig und bot Langschläfern bis weit in den Nachmittag die Möglichkeit, allein oder mit Freunden ausgiebig zu frühstücken.

Ich hatte gerade meine Bestellung aufgegeben, da sah ich Biggi vom Nachbartisch aufstehen und mit einem großen Becher Milchkaffee in der Hand auf meinen Tisch zusteuern. Seufzend legte ich das Buch, das ich gerade aufgeschlagen hatte, wieder zur Seite und nickte ihr zu. „Du siehst scheiße aus, Biggi, was ist los?“ begrüßte ich sie, als sie sich niedergelassen hatte. „Danke für die Blumen, und wie geht’s dir so?“ antwortete sie. Wir unterhielten uns ein wenig über Belanglosigkeiten, dann fragte sie unvermittelt: „Hast du in der letzten Zeit eigentlich was von Sonja gehört?“ Ihre Frage, in gleichmütigem Ton gestellt, ließ mich aufhorchen. Woher wußte sie – dann fiel es mir wieder ein. Richtig, an jenem Abend war sie ja auf Sonjas Freundin angesprungen. Ich antwortete nur mit einem unbestimmten Kopfschütteln, war überrascht, als ich Tränen in Biggis Augen aufsteigen sah, die sie unauffällig wegzuwischen versuchte.

„Anne, mich hat's erwischt“ erklärte Biggi. Ich nickte nur, aber sie fuhr schon fort: „Du, diesmal ist es Ernst, Geli ist die Frau meines Lebens, die ist so klasse, keine von den üblichen Szeneschlampen, bei der stimmt einfach alles!“ schwärmte sie. - „Biggi, bei dir ist es immer die große Liebe, die wievielte ist es in diesem Jahr schon?“ erinnerte ich sie. Seufzend lehnte sie sich zurück, nippte unglücklich an ihrem Milchkaffee, überraschte mich zum zweiten Mal, weil sie nicht wie sonst lebhaft protestierte.

Wie so viele Lesben, die sich in der Szene herumtrieben und die fast jedes Wochenende auf Partys, in Kneipen oder Filmnächten zu sehen waren, war Biggi eine dieser souverän wirkenden, von vielen bewunderten, vor Charme sprühenden kessen Väter *), die keine Gelegenheit ausließen, wenn es darum ging, neue Gesichter im Meer der suchenden Seelen ausfindig zu machen, sich mit Enthusiasmus und schnell entflammten Gefühlen in die Eine, Einzigartige, noch nicht von der Szene verdorbene, von Klatsch und Tratsch noch unberührte Frau zu verlieben. Immer dasselbe Spiel: da wurden öffentlich glanzvolle Liebeserklärungen inszeniert, die die Übertragung von Prince Charles' Hochzeit wie eine armselige Verkaufsshow aussehen ließ. Dann wurde die neue Geliebte auf jeder Veranstaltung stolz präsentiert, auf Tanzflächen geknutscht und beturtelt, daß es einem die Schamesröte ins Gesicht treiben konnte... und nur wenige Wochen später war's dann vorbei mit der großen Liebe und die Suche ging von vorne los. Wie mich dieses Getue anödete!

Unaufmerksam hatte ich Biggis Stimme gelauscht, erst die Erwähnung von Sonjas Namen ließ mich erneut aufhorchen. „...ist jetzt bei Sonja untergekommen, aber das ist auf Dauer auch keine Lösung. Sag mal, hörst du mir überhaupt zu?“

„Sorry, ich war gerade in Gedanken. Also was ist mit dieser Geli, sie wohnt jetzt bei ihrer Freundin?“ erwiderte ich lahm, aber das schien Biggi nicht weiter zu stören, denn sie sprach schon weiter. „Ich hab mich wie eine eifersüchtige Kuh benommen und war sauer, daß sie zu Sonja und nicht gleich zu mir gezogen ist, aber sie meinte, sie braucht Zeit, sich an den Gedanken zu gewöhnen, daß sie sich in mich verliebt hat und wie sie das ihrem Freund beibringen soll!“ Ich seufzte. „Biggi, deine Geli ist sicher nicht die erste und auch nicht die letzte Frau, die sich mal als Bi-Schnecke ausprobieren will, das kennen wir doch inzwischen zur Genüge. Meine Güte, manchmal könnte man meinen, du wärst neu in der Szene, stürzt dich jedesmal mit Pauken und Trompeten auf diese Hetenpussis und bist kurz danach am Boden zerstört, wenn die Neue an dir rumgespielt hat, nur um dann zu ihrem Macker zurückzugehen und sich dabei auch noch toll und verrucht zu fühlen, weil sie's mal mit 'ner echten Lesbe getrieben hat. Merkst du nicht, wie diese Weiber ticken?“ redete ich mich in Fahrt, und zuckte zusammen, als Biggi ungewohnt ruhig, mit kalter Wut in der Stimme antwortete: „Da redet gerade die Richtige... Du weißt schon, daß die größten Moralapostel immer diejenigen sind, die's selbst am ärgsten getrieben haben, oder?“

Mit vor Wut weißen Gesichtern starrten wir uns für einen Moment an, dann zuckte ich mit den Schultern, atmete ein paar Mal tief durch, wandte meinen Blick als erste ab. Nur das Zittern meiner Finger verriet meine Betroffenheit, als ich betont ruhig in meiner Kaffeetasse rührte. „Wenn du so weitermachst, hast du den Tassenboden bald durch“ hörte ich Biggis Stimme wie von weit her, und dann spürte ich ihre kräftige Hand auf meiner, die meinem Rühren in der Tasse Einhalt gebot.

„Tut mir leid, ich wollte dir nicht wehtun“, entschuldigte Biggi sich, als ich aufsah. „Du hast ja Recht, ich hab mich wirklich auf jedes Stück Frischfleisch gestürzt in den letzten Jahren, und all diese braven Hausfrauen, die unsereins nur mal ausprobieren wollen als wären wir fleischgewordene Liebesspielzeuge, gehen mir mittlerweile auch auf die Nerven. Aber sei ehrlich: benutzen tun wir uns doch alle, welche Seite dabei mehr verletzt wird... das nimmt sich nicht viel, oder?“

Kurz darauf winkte sie nach dem Kellner, beglich ihre Rechnung, küßte mich links und rechts auf die Wangen und ließ mich dann nachdenklich an meinem Tisch zurück.


*) = KV ("kesser Vater") oder Butch – Bezeichnung für betont maskulin auftretende Lesben, im Gegensatz zur „Femme“
********lara Frau
5.937 Beiträge
Bravo! Klingt sehr authentisch! Bin gespannt wie es weiter geht!
Dieser Beitrag wurde als FSK18 eingestuft.
Zur Freischaltung

(6)


Am nächsten Morgen weckte mich Caruso auf seine gewohnt zärtliche Art, indem er mit leisen Gurrgeräuschen auf meinem Kissen seinen langsamen Knettanz veranstaltete und dabei vorsichtig in meine Nasenwurzel biß, darauf bedacht, mich nicht zu verletzen. „Zu früh, du Idiot“ vollendete ich unser Morgenritual und zauste mit einem Finger sein Ohr.

Ich fühlte mich zerschlagen, hatte unruhig geschlafen, aber erst als Monika sich hinter mir räkelte und einen Arm um mich schlang, fiel mir wieder ein, was am Vorabend geschehen war. Während Caruso fauchend sein Mißfallen kundtat, drehte ich mich zu ihr um, betrachtete ihr verschlafenes Gesicht und begrüßte sie leise: „Na du?“

Ihr Strahlen, ihr tiefer Blick verursachten mir Unbehagen. „Ich werde mal Kaffee kochen“ sagte ich und war schon im Begriff, mich aus ihrer Umarmung zu lösen, aber sie hielt mich fest. „Ach komm, noch ein bißchen!“ bettelte sie, und für einen Moment zögerte ich, ergab mich ihrer Umarmung und erwiderte sie, bis sie mit einem „Autsch!“ zusammenzuckte. Schuldbewußt sah ich mir meine Bißspuren auf ihrer Haut an, registrierte die blutige Verkrustung an ihrer Brustwarze. „Ich wußte, daß du eine harte Liebhaberin sein würdest“ seufzte sie genüßlich, als sie meinen Blick bemerkte, „du hättest mich nicht so schonen müssen, ich steh darauf!“

Einen Moment lang starrte ich sie an, spürte, wie mein Magen sich zu einem Knoten verdichtete, wollte sie anschreien, nein, das bin ich nicht, du irrst dich! - aber ich wandte nur meinen Blick ab, dann richtete ich mich entschlossen auf und entschuldigte mich: „Ich muß mich beeilen, ich hab Hilda versprochen, ihr im Rubster zu helfen, schlaf du noch und zieh die Tür hinter dir einfach zu, wenn du gehst, ja?“ Ich war froh, diese Verabredung nicht vorschieben zu müssen, als ich mich erhob und Caruso in die Küche folgte. Nachdem ich seinen Napf mit frischem Futter gefüllt und eine Kanne Kaffee aufgesetzt hatte, duschte ich eilig, zog mich an und verließ hastig meine Wohnung.

Ich kam zu früh bei Hilda an, erst nach energischem Klopfen am Kneipenfenster hörte ich Schritte, dann wurde der Eingang aufgeschlossen und vor mir stand Clemens, Hildas Lebensgefährte. Er wirkte müde und unrasiert, als er mich hereinbat, und als er langsam davonschlurfte, um Hilda zu holen, sah ich, daß er abgenommen hatte, seine Wirbelsäule zeichnete sich in kleinen Höckern durch sein Unterhemd ab. Während ich wartete, ging ich im schummrigen Zwielicht des grauen Morgens zur Kaffeemaschine, stellte den Knopf zum Aufwärmen ein und ließ die melancholische Stimmung des leeren Lokals auf mich wirken, sah die geleerten, noch ungespülten Aschenbecher in hohen Stapeln neben der Spüle stehen, holte mir einen der aufgestuhlten Hocker vom Tresen und ließ mich darauf nieder, während ich dem Fauchen der Kaffeemaschine lauschte. Ich war müde und angespannt, und der Knoten in meinem Magen, den ich beim Gedanken an Monika hatte, wollte sich nicht auflösen. Für einen Moment vergrub ich mein Gesicht in meinen Händen, rubbelte meine Wangen, um etwas Wärme und Klarheit in meine Gedanken zu bringen, dann hörte ich eine Tür klappen und wandte mich um, um Hilda zu begrüßen.

Es war nicht Hilda. Ich mußte wohl wie ein Schaf aussehen, als ich Sonja entgegensah, die sich mir zurückhaltend näherte und mir förmlich die Hand entgegenstreckte, als sie am Tresen angekommen war. Mechanisch nahm ich sie, starrte sie an wie eine Erscheinung: so jung sah sie aus, blaß, mit zurückgebundenen Haaren, ihr Gesicht wirkte nackt und blaß in dem fahlen Licht, das durch die Fenster hereinsickerte, und der Morgengruß wollte nicht von meinen Lippen. Wie ertappt ließen wir unsere Hände los, als Hilda ins Lokal polterte. „Meine Lieben, wie schön, ihr seid pünktlich!“ rief sie ekelhaft munter aus, als sie um die Theke herumschwebte und uns beide gleichzeitig an sich drückte. Geschäftig brachte sie die Kaffeemaschine in Gang, nachdem sie eine Tüte frischer Croissants auf einen Tisch geworfen und uns angewiesen hatte, Platz zu nehmen.

Erleichtert überließ ich mich Hildas raumgreifender Präsenz, hörte unaufmerksam ihren Anweisungen hinsichtlich der jährlichen Renovierungsarbeiten in ihrem Lokal, für die sie Sonja und mich über's Wochenende angeheuert hatte, zu und überließ mich dann meinen Gedanken, während die beiden sich in die Planungen für die Arbeitsschritte vertieften, so daß ich erschrak, als Hilda meine Hand griff. „Hat dir schon mal jemand gesagt, daß einem bei deinen Tischmanieren schlecht werden könnte, Liebes?“ fragte sie grinsend, dann sprang sie auf, reckte sich theatralisch und klatschte in die Hände: „Auf, auf, Mädels, der Tag ist noch jung und wir haben viel zu tun!“ Erleichtert ließ ich die zerkrümelten Reste meines Croissants in meinen kalt gewordenen Kaffee fallen und stand auf.
*****o78 Frau
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Ich bin ja gespannt wie es weiter geht !
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