Fernbeziehung
Du bist nicht da. Mehr braucht es nicht, um zu begründen, warum ich keinen Schlaf finde; warum mein Bett kalt ist und mich nicht schlafen lässt.Ich öffne das Dachfenster. Halte mich an der Brüstung fest. Atme tief ein, recke mein Kinn in den kalten Himmel und sauge mit aller Kraft die Nacht ein ... und für einen Augenblick scheint es tatsächlich, als würde der Mond noch mehr zusammenschrumpfen und müsste für immer eine schmale Sichel bleiben.
Wie still es im Haus ist!? - Wo du jetzt wohl bist? Was du jetzt wohl gerade machst? Kannst du auch nicht schlafen? Vielleicht stehst du auf deinem Balkon über der Stadt und rauchst; ich kann dich förmlich riechen: Deine einmalige Mischung aus Terenzi-Parfum und Mentol-Zigaretten, frisch und mädchenhaft und ich schmecke Gin Tonic mit viel Eis auf meinen Lippen, was freilich deine Küsse nicht ersetzt.
Der Rauch deiner Zigarette steigt also auf und wird in die Ferne zu mir getragen, bis hierher zu meinem Fenster, in ein anderes Land, in eine andere Stadt, mehr als 200 Kilometer entfernt. Ich rieche ihn und wie ein Mondsüchtiger will ich mich aufmachen und zu dir kommen; meine Sehnsucht wird weniger gestillt als angeheizt.
Vielleicht solltest du mir einfach noch mehr Gerüche von dir schicken!? Den Geruch von Coq au Vin etwa oder von Panettone, wenn du backst. Den Geruch deiner Handcreme. Den von Waschmittel und Weichstpüler in deinen Kleidern - liebe ich dich unter Umständen zu wenig? Und kann ich deshalb die Entfernung unserer Fernbeziehung nicht überbrücken?
Um fünf Uhr früh hörst du ein Hämmern und Kratzen und mein ersticktes Rufen an deiner Tür. Du stürzt aus dem Bett, verärgert, denn eine halbe Stunde im Bett wäre dir noch zugestanden, bevor dein Tag beginnt.
Verwirrt flüsterst du ein paar französische Brocken hinter der Tür, öffnest aber schließlich. Vor Kälte zitternd stehe ich in Boxer-Shorts und T-Shirt da. Die Nacht hindurch bin ich zu dir gerast, von Krämpfen in Körper und Seele geschüttelt.
Kurz schreckst du bei meinem Anblick zurück, ohne mich sofort zu erkennen. Dein Gesicht ist blass, deine Augen sind aufgerissen - es geht dann aber sofort ein gerührtes Zittern der Erleichterung und Freude durch dich.
Dann gehen wir aufeinander zu, neigen unsere Köpfe, sinken einander in die Arme, umschlingen uns mit kalten Gliedern und lassen uns nicht mehr los ...