Marmor, Stein und Eisen brechen.
Macht zuviel Gefühl und Nähe den Sex kaputt?
Machen, liebe Irma,
machen muss es heißen
Es ist eine gute Frage, genau deswegen ist dieses Forum ein Segen Gottes, denn wo sonst kann man so gut über un- oder abartige Themen jenseits des Mainstreams diskutieren? Leider hast du am Ende deiner Frage die Kurve nicht ganz bekommen, denn in diese Frage das Thema "Beziehungen" mit hineinzubringen, hat der Diskussion nicht geholfen. Ich beschränke mich in meiner Antwort deswegen mal einzig und allein auf die Affäre, auf die Fickbeziehung. Dazu will ich exemplarisch mal zwei (erdachte) Affären schildern.
1. Die zwei Kometen
Zwei Menschen kreisen kometengleich um die Erde, will sagen, sie befinden sich hier oder auf einer ähnlichen Plattform und es kommt der Tag, an dem klickt einer den anderen an, es mach "Peng" und derjenige denkt: »Wow, was für ein(e) tolle(r) Mann/Frau! Den/Die muss ich unbedingt haben/ficken/kennenlernen!« Je nach Gemüt folgt jetzt ein mehr oder weniger offenherziges Anschreiben (weniger ist oft mehr
) und das Spiel beginnt oder auch nicht. Bleiben wir dabei,
dass es beginnt.
Es wird also recht schnell klar, dass es sich um eine potenziell sexuelle Anziehung handelt, und das ist vor allen Dingen
beiden klar. In dem Fall ist es so, dass die Mails oder SMS eindeutig werden und man sich in einen Schreibrausch hineinsteigert, denn in nur in seltenen Fällen kann man seinen Wunsch
sofort in die Tat umsetzen.
Diese Zwangsfrist hast zur Folge, dass sich die Erregung immer weiter steigert und auch das, was man verbal hin- und herschickt einem Unbeteiligten gewaltig rote Ohren machen würde. Auf die Art wird gegenseitig (unauffällig) abgeklopft, wie man denn so tickt und wie man sexuell gepolt ist. Nach einer Weile hat man dann einen Punkt erreicht, an dem man sich einfach treffen
muss, oder die Affäre endet, bevor sie richtig begonnen hat, denn jeder, der diese Phase schon einmal mitgemacht hat, weiß, dass es irgendwann keine Steigerung mehr gibt.
Das Treffen: Jetzt kommt mein Kometenvergleich zum Tragen, denn wenn die beiden sich nun treffen, prallen sie wie zwei Kometen aufeinander und explodieren. Die gesamte aufgestaute Lust entlädt sich in diesem heißersehnten und erwarteten Treffen. Dann kann es eben auch passieren, dass der berühmte Kaffee noch nicht einmal Trinktemperatur erreicht hat, wenn die ersten Hüllen fallen und danach wird der Kaffee
garantiert kalt, ohne dass er eines zweiten Blickes gewürdig wurde.
Der erste Nachteil dieser Art des Einstiegs ist der, dass der Moment, an dem ein Treffen sein muss, verpasst werden kann, ich will nicht genauer darauf eingehen, es ist aber so und der zweite Nachteil ist der, dass man all sein Können und Wollen in die erste oder die ersten Begegnungen legt. Man ist frei, ungehemmt, leidenschaftlich, neugierig und sensationell im Bett. Und dann? Dann merkt man auf einmal: »Hoppla, ich kann mich ja gar nicht mehr steigern, die Lust wird ja gar nicht mehr größer!« Wie denn auch? Man hat ja sein gesamtes Pulver beim ersten (oder bei den ersten) Mal(en) schon verschossen. Das hat zur Folge, dass die Nähe immer mehr zunimmt, man lernt sich ja auch auf anderen Gebieten besser (näher) kennen und der Sex oder dessen Intensität immer mehr abnimmt.
Im Überschwang der ersten Begegnung liegt es nämlich in der Natur der Dinge, dass wenn man sich auf solch hohem Niveau trifft, einem eigentlich
alles gefällt, was der andere macht und man selbst vielleicht auch Dinge tut, die einem normalerweise nur mäßig Spaß bereiten. In dieser aufgeheizten Stimmung gefällt einem einfach alles und wird dann bei den zukünftigen Begegnungen der Kopf wieder etwas klarer, selektiert man wieder genauer, was man "normalerweise" will und was eher nicht. So beschneidet man das sexuelle Repertoire Stück für Stück und der Sex wird scheinbar oder auch anscheinend schlechter. Gute für sich selbst, wenn man erkennt, dass er nur
scheinbar schlechter wird, dann kann es nämlich weitergehen.
2. Zwei Katzen schleichen um den heißen Brei
Hier haben wir das Gegenteil. Man trifft sich, ohne dass klar ist weswegen (Sex), ohne dass es vorher verbal heiß hergeht, ohne vorher abzuklopfen, was man mag und was nicht (negierte Ankreuzlistchen), ohne Erwartungen. Halt! Stop! Das stimmt so nicht, denn so gerne man es sich einreden würde, ohne Erwartungen zu solch einem Treffen zu gehen, so weitab von der Realität ist es; denn hätte man keine Erwartungen, würde man auch gar nicht erst hingehen, oder sich nicht einmal verabreden.
Wenn jetzt auch noch zwei Menschen aufeinandertreffen, die beide eher schüchtern sind, was das Ausleben von Teilen ihrer Sexualität betrifft, kann es zugehen wie in einer Snickers™-Werbung: »Wenns mal wieder länger dauert.« Ja und dann? Dann ist es möglicherweise vorbei, bevor es richtig begonnen hat. Er denkt, dass sie denkt, dass er annimmt, dass sie nicht will oder doch ...
Kurzum, es passiert nichts, man verharrt auf niedrigem Niveau und Veränderungen betreffen hauptsächlich Marginalien (Randerscheinungen). Beide sind latent frustriert, weil es zum Ausleben ihrer Wünsche nicht reicht, weil es keine Gespräche gibt und man glaubt, der andere sei mit der sexuellen Situation zufrieden.
In diesem Fall trifft die Eingangsthese eher nicht zu, da helfen dann eher Gefühl und Nähe, dass man einander auch sexuell näher kommt und mutiger wird. Nun mag man einwenden, die "Katzen" beträfen nur diejenigen, die ausschließlich auf der Suche nach einer Partnerschaft sind, aber dem ist nicht so. Ich glaube, besonders unter den Frauen ist das noch häufig, denn es gilt in weiten Teilen der Gesellschaft immer noch als unschicklich, exorbitante Wünsche im Sexuellen zu haben und diese auch offen auszuleben, ergo hält Frau lieber den Mund, als sich zu weit aus dem Fenster zu lehnen.
Fazit: Findet man die goldene Mitte, steht auch in einer länger andauernden Affäre dem steigenden Genuss der Sexualität nichts im Weg. Natürlich geht man ein kleines Risiko ein, wenn man sich ein bisschen zurückhält, denn der Partner könnte ja auch denken, meine Güte wie langweilig, dann das Weite suchen und schon hat man sich verspekuliert. Alternativ macht man es wie das Kometenpärchen, aber dabei genau wissend, dass eine Steigerung kaum mehr möglich ist. So erfeut man sich an der zunehmenden geistigen Nähe und akzeptiert es, dass der Sex so ist wie er nun mal ist.
Die Anzahl der Körperöffnungen in die man irgendwelche Körperteile stecken kann ist nun mal begrenzt, beim Sex mit einer anderen Person wird in seltenen Fällen das Rad neu erfunden und schöner können die Erlebnisse dann eigentlich nur noch durch größere Innigkeit, weil man sich eben zunehmend lieber mag, werden.