Wertschätzung und Achtung
Es ist normal, irgendwann an den Punkt zu kommen, dass ein weiteres Zusammenleben nicht mehr möglich erscheint. Alle Menschen brauchen auch die Freiheit, sich auszuprobieren. Aber dann braucht man auch wieder die Nähe, des Menschen, in dem man in engster Beziehung steht. Es wechselt sich ab. Babies, die nun wirklich die engste Beziehung zur Mutter haben, brechen alle 7 Minuten den Kontakt zur Mutter ab, um ihn dann wieder aufzubauen. Der Wechsel zwischen dem Wunsch nach Nähe und dem Wunsch nach Entfernug und eigenem, unabhängigem Erleben sind lebenslänglich vorhanden und brauchen einander.
Wenn ein Baby später dann krabbeln lernt, und das erste Mal um die Ecke krabbelt, und seine Mutter nicht mehr sieht, dann entdeckt es erst einmal Neues. Aber dann kommt der Moment, wo es wieder zurück möchte und schreit. Wenn es dann eine wache Mutter vorfindet, die es liebevoll wieder aufnimmt, und den Baby auch noch zugewandte und zuhörende Aufmerksamkeit schenkt (auch wenn das Baby noch nicht sprechen, sondern nur Brabbeln kann), anstelle zu schimpfen oder besogrt zu sein, dann entwickelt das Baby Urvertrauen. Es kann wegkrabbeln und zurück kommen.
Leider haben wir dieses Urvertrauen nicht alle. Wenn die Mutter z.B. lieber ein Kind haben möchte, was so sein soll, wie sie ein Kind gerne hätte. In diesem Fall wird das Kind zum Objekt der Mutter. Dann bleibt nur die Chance, entweder sich selbst als unfähig zu finden und in die Minderwertigkeit für sich zu flüchten, oder irgendwann zu sagen: Blöde Mutter. Beides sorgt dafür, den Schmerz leichter zu ertragen, wenn man nicht mehr der sein kann, der man ist. Der Preis ist hoch, denn von da an muss man auch einen Teil, entweder den Wunsch nach Nähe oder den Wunsch nach eigener Entwicklung aufgeben, obwohl wir beides benötigen, um seelisch und emotional gesund zu bleiben.
Wenn wir dann später in unseren Beziehungen an den Punkt kommen, wo wir oder der andere sowohl Nähe als auch eingenen Raum und eigene Entdeckungsmöglichkeiten fordern, dann neigen wir oft dazu erstmal in dem Muster zu verharren, das uns davor bewahrt hat, dass es nicht so weh tut. Man möchte verharren, man möchte den alten Status behalten, und der verlangensschwächere wird meist der sein, der bremst.
Wenn man zu sich selbst stehen will, und die Parterin gar nicht folgen kann oder sich nicht weiterentwickeln will, dann ist die Trennung eine Option, besonders, wenn es sich um die Frage von Monogamie oder offene Beziehung geht. Wie ich hier gelesen habe, sind die Erfahrungen verschieden.
Es daurt manchmal lange, und vielleicht auch eine Zeit lang auf getrennten Wegen, bis man an dem Punkt ankommt, an dem beide sich doch für so zugewandt und wertvoll erfahren (also wenn der beide sich so sehr fehlen), dass sie sich nicht trennen wollen, bzw. wieder zusammenfinden und bereit erklären, zu experimentieren und neue Wege auszuprobieren.
Dann kann es passieren, dass sich die Dinge noch ein paar mal wenden. Da rudert dann der anfänglich verlangensstärke Partner wieder zurück, und der andere möchte seine Freiheit.
Das ist ok, und gehört dazu. Wichtig ist, dem anderen zuzhören und ihn wertzuschätzen. Und dann entwickelt man sich wirklich weiter. Und es passieren Dinge, die soch schön sind, wie sie sich keiner vorher vortellen konnte, und die Bezogenheit wird größer.
Am Ende können beide eine emotionale Monogamie entwickeln, die offene Körperlichkeit und Nähe mit anderen zulassen können, ohne diese tiefe Verbindung in Frage zu stellen. Ich sage extra offene Körperlichkeit und Nähe, weil Sex nur ein Teil davon ist.
Also, habe Gedult, warte auf Deine Frau, lass ihr Zeit, ohne Dein Selbst und Dein Verlangen aufzugeben, lasst Euch Zeit, versucht Kontakt zu halten, versucht das Urvertrauen wiederzufinden. Hoffentlich findet ihr einen guten Therapeuten. Am besten einer, der David Schnarch (führender Sexual- und Paartherapeut) und seinen Therapieansatz kennt. Glaubt mir, es lohnt sich.
Tja, und wenn es nicht gut kommt, dann bleiben wir selbst in der Objekthaftigkeit kleben, werden zum Objekt gemacht oder machen unseren Partner zum Objekt: Böser Partner, böse Partnerin. Und dann sitzen wir irgendwann enttäuscht alleine in einer schicken Wohnung, davor das zweisitzige Cabrio, vielleicht an Weihnachten, vielleicht auch im Forum chattend: Warum finden Männer ab 50 keine Frau hier?
Und irgendwoher hört man die Heerscharen der Engel singen: Wir wollen kein Objekt sein.
Wir auch nicht.