Dieses ewige Verleugnen des Sexualtriebs ist im Grunde genommen eine Schwäche, auch wenn es von denjenigen natürlich(!) als Stärke ausgelegt wird.
Dem kann man ganz gewiss zustimmen. Aber wenn jemand argumentiert, Sex sei überbewertet und werde zu ernst genommen, dann ist das eben gerade kein
Leugnen des Triebs, sondern ganz im Gegenteil ein
Zugeständnis an ihn, nach dem Motto:
"Ich weiß, wie stark der Trieb in mir ist - also räume ich ihm genügend Platz in meinem Leben ein und gestehe dies auch anderen zu."
Und wie dieser Platz, den ich dem Sex in meinem Leben einräume genau aussieht, das sollte man nach Möglichkeit den eigenen Empfindungen überlassen.
Die
Überbewertung findet dann statt, wenn ich mich durch Übertreibungen, Verklärung und Mythen in Gesellschaft und (Populär-)Kultur unter Druck setzen lasse, "höher, schneller, weiter" zu kommen, es noch "größer, mehr, aufregender" zu treiben als notwendig, um mir Lust zu verschaffen. Die Menschen werden unzufrieden gemacht dadurch, dass ihnen beständig eingeredet wird, ihr Sexleben wäre noch gar nicht das eigentliche, es ginge ja noch viel besser!
Man kann vielleicht darüber streiten, ob "Überbewertung" der richtige Begriff für dieses Problem ist, oder ob nicht ein andere Begriff treffender wäre, oder ob man an den Begriff "Überbewertung" nicht Vorstellungen hängen könnte, die in eine ganz andere Richtung gehen.
Was aber die Sache an sich betrifft, denke ich, dass fintan einen wichtigen Punkt beschrieben hat, und ich sehe nicht, dass er seinen Sexualtrieb leugnet. Den eigenen Sexualtrieb vor künstlich überhöhten Erwartungen zu schützen heißt nicht, ihn zu leugnen.
H.