*guggst du?*
Beschreibung:
Grundsätzliches
SM und Recht ist eigentlich etwas, was es so nicht gibt. Es gibt weder ein Recht des Sadomasochismus, wie es ein Erbrecht oder Arbeitsrecht gibt, noch gibt es eine umfangreiche Rechtsprechung, die eine sichere Handhabung der Materie erlauben würde. Was man gemeinhin unter SM und Recht versteht, sind zunächst die strafrechtlich relevanten Bezüge des Themas. Unsicherheit besteht immer wieder bei der Frage: mache ich mich strafbar, wenn ich BDSM und vor allem SM praktiziere? wobei? und wie? Unser "Grundgesetz des BDSM": safe, sane and consensual erlangt in diesem Zusammenhang eine ganz besondere Bedeutung. Solange die genannten Grundsätze beherzigt werden, wird die Ausübung von SM weitestgehend nicht strafrechtlich relevant.
Strafrechtliche Aspekte
Als Einführung ein paar Stichworte zu Straftatbeständen, die relevant sein können:
der Bereich der Körperverletzung (§§ 223 - 233 StGB)
Freiheitsberaubung und Nötigung (§§ 239, 240 StGB)
Sexualdelikte (§ 177 StGB)
Da bei SM im Allgemeinen keine sogenannten "gefährlichen Werkzeuge" benutzt werden, ist der Tatbestand der sogenannten "einfachen Körperverletzung" erfüllt (wobei zu beachten gilt, dass Messer, Skalpelle, wie u.U. auch bereits Peitschen zu den gefährlichen Werkzeugen gehören!). Auch aus einer Session hervorgegangene psychische Schäden können unter den Begriff der "Körperverletzung" fallen. In diese kann der Verletzte (consensual) gemäss §228 StGB einwilligen. Es liegt dann zwar objektiv ein strafbarer Tatbestand vor (z.B. ein Schlag), jedoch wird die Rechtswidrigkeit dieser Handlung durch eine wirksame Einwilligung der betreffenden Person beseitigt. Insoweit kommt eine Strafverfolgung nur in Betracht, wenn die Einwilligung nicht (mehr) vorliegt. Probleme können deshalb hier nur entstehen, sofern z.B. das consensual wegfällt oder geleugnet wird (z.B. bei einem Streit mit dem Partner nach der Session).
Grundsätzlich gilt also: eine wirksame Einwilligung beseitigt die Rechtswidrigkeit des Handelns und damit die Strafbarkeit.
Was gilt es bei der Einwilligung zu beachten?
Die Einwilligung selbst muss freiwillig sein
Der oder die Einwilligende muss eine von bestimmten Altersgrenzen unabhängige "natürliche" Einsichts- und Urteilsfähigkeit besitzen, welche es ihm ermöglicht, Bedeutung und Tragweite des fraglichen Eingriffs voll zu erfassen
Die Einwilligung darf nicht gegen die "guten Sitten" verstossen, da sie sonst nichtig und somit unwirksam ist (die guten Sitten sind das, was "die Mehrheit der billig und gerecht Denkenden" als solche ansieht)
Beispiele:
a.) Eine Session in der Strassenbahn wäre wider die guten Sitten
b.) Die Einwilligung in eine Verletzungshandlung, die in einer schweren, dauerhaften körperliche Beeinträchtigung resultiert, ist sittenwidrig (Verlust von Gliedmassen oder Organen etc.)
c.) Sklavenverträge verstossen ebenfalls gegen die "guten Sitten" und sind somit rechtlich gesehen nichtig
die Einwilligung ist jederzeit widerruflich (also: bei Safewort aufhören, da ansonsten keine wirksame Einwilligung mehr vorliegt und der Bereich der Strafbarkeit beginnt)
In der Praxis können und werden wohl am ehesten Probleme auftreten, wenn einer der beiden Partner aus dem ursprünglich consensuellen Spiel aussteigt oder die Grenzen überschritten werden und im Nachhinein Beweisprobleme auftreten, inwieweit von Anfang an eine Einwilligung vorlag. Dabei ist das Problem, dass ggf. auch im Nachhinein behauptet werden kann, es sei nicht consensual gewesen und dabei etwa Schlagspuren zum Beweis dessen herangezogen werden können. Die Einwilligung in eine bestimmte Verletzungshandlung (z.B. mit einem Rohrstock geschlagen zu werden) deckt im übrigen eine auch nur fahrlässig weitergehende (ernsthafte) Verletzung nicht (auch dann nicht, wenn diese unvorhersehbar war).
Das Spiel braucht somit einiges an Vertrauen um (juristisch gesehen) absolut sicher zu sein.
Wann wird ermittelt?
Einfache (sowohl vorsätzliche als auch fahrlässige) Körperverletzung werden gemäss § 232 StGB nur auf Antrag hin verfolgt. Antragsberechtigt ist der oder die Geschädigte. (In Ausnahmen auch Dienstvorgesetzte bei Behörden, Polizei und Kirchenangestellten). Falls die Staatsanwaltschaft ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung bejaht, ist ein Strafantrag des oder der Verletzten nicht erforderlich. Bei gefährlicher Körperverletzung, schwerer Körperverletzung, Körperverletzung mit Todesfolge usw. muss die Staatsanwaltschaft ermitteln.
Wer trägt die juristische Verantwortung?
Der Verletzer hat grundsätzlich das strafrechtliche Risiko, er ist der Täter. Dabei muss er nicht selbst handeln.Beispiel: Der Sub erhält telefonisch den Befehl sich so zu fesseln, dass er hilflos ist (der Top kündigt dabei sein baldiges Kommen an). Der Sub meint es etwas zu gut mit sich und erdrosselt sich. Hier haftet der Top, denn ein solcher "Unfall" ist vorhersehbar (=> fahrlässige Tötung nach §222 StGB).
Der oder die Top muss also Sorge dafür tragen, dass das Spiel "safe" und "sane" ist.
SM in der Öffentlichkeit
Eine sexuelle Handlung (also auch SM) in der Öffentlichkeit kann das Schamgefühl und die "Geschlechtsehre" anderer Personen verletzen. Sexuell ist eine Handlung, die in der Regel durch aktives Tun (selten auch durch unterlassen z.B. entblösst bleiben, wenn jemand kommt) das geschlechtliche im Menschen zum unmittelbaren Gegenstand hat. Die sexuellen Handlungen müssen von einer gewissen Erheblichkeit sein (z.B. Sex in der Öffentlichkeit, Entblössen oder Anfassen der Geschlechtsorgane etc.). Dies fällt in den Bereich der Beleidigung, Erregung öfffentlichen Ärgernisses und eventuell der Verbreitung pornographischen Schriften (§§ 183 - 185 StGB). Hinweis: Wen dieses Thema interessiert, der sollte sich den Buchtip am Ende der Seite anschauen, oder aber den ehemals in "Goldammers Archiv für Strafrecht" erschienenen Aufsatz von Dr. Valentin Sitzmann lesen, der auf Datenschlag als Online-Dokument verfügbar ist.
so.. und nun kannst du dir Gedanken zu dem Thema mal in eine andere Richtung machen.