Da ist ja das Abendland in Gefahr ...
@TE
Deine Gedanken und inneren Konflikte sind ziemlich verständlich. Du hast ja jetzt auch einige Seiten lang gelesen, dass es vielen hier ähnlich ergeht. Die Monogamieerwartung ist in unserer Gesellschaft ziemlich tief verwurzelt. Da passiert es sehr schnell, dass jemand, der diese nicht erfüllt Egoismus vorgeworfen wird. Dein Partner ist ehrlich zu dir. Das ist was ziemlich tolles. Er lässt sich auch von dir bisher in seiner Freiheit einschränken, da nun aber ein Lebenslanges Gelübde abgelegt werden soll, möchte er die Bedingungen eurer Ehe klären und ist eben nicht bereit sich so einschränken zu lassen. Er hat ja auch ein Leben und es ehrt euch und eure Beziehung, dass ihr beide erwachsen genug seid, die Konsequenzen einer Familiengründung vorher auf den Tisch zu bringen.
Verstehe mich nicht falsch. Das ist keine Aufforderung oder gar eine Verpflichtung deinerseits unter diesen Bedingungen eine Familie zu gründen. Es ist nur die Aussage, dass dein Freund gerade ein sehr hohes Maß an Verbindlichkeit bereit ist einzugehen, dir jedoch offen sagt unter welchen Bedingungen er dazu bereit ist. Verantwortung übernimmt man nicht mit Exklusivitätsversprechen. Einige lernen dies erst nach 20 Jahren Ehe, andere sind da schneller. Verantwortung bedeutet für den anderen da zu sein, wenn man gebraucht wird. Wenn ihr eine Familie gründen wollt, liegt sehr viel Verantwortung vor euch. Verantwortung füreinander und Verantwortung für ein (oder mehrere) kleines nervendes, sabberndes, schreiendes, lachendes, weinendes, lernendes, wachsendes, anspruchsvolles, Freude und Sorgen schenkendes Wunder. Wie viele Paare gibt es, die trotz dieses unreflektierten Exklusivitätsversprechends an dieser Verantwortung scheitern?
Jetzt zu ein paar hoffentlich hilfreichen Tipps. Mach dir bewusst, wo deine Verlustängste liegen. Das ist meist ziemlich schwer. Und: nur dadurch, dass du die Ursache für deine Verlustängste findest, werden sie nicht verschwinden. Ein trügerisches Exklusivitätsversprechen wird sie aber auch nicht verschwinden lassen, es lullt sie nur ein. Mit dem Wissen über ihren Ursprung, kannst du aber besser beurteilen, ob diese Form des Lebens für dich möglich ist. Du kannst erkennen, welche Sicherheiten dir eigentlich fehlen und was du wirklich brauchst, um das nötige Sicherheitsgefühl zu erlangen.
Du beurteilst dich selbst als monogam. Worin bist du denn monogam? Worin gewährst du denn Exklusivität? Liebe ist es sicher nicht, denn da du die Gründung einer Familie anstrebst, wird dir bewusst sein, dass du deine Kinder lieben wirst. Gleiches gilt vermutlich auch für eine Eltern und auch deine beste Freundin. Zeit ist es sicher auch nicht. Du verbringst sicher auch Zeit mit anderen Menschen als deinem Partner. Unterstützung ist es wohl auch nicht, denn du hast sicher noch andere Menschen, denen du deine Unterstützung angedeihen lässt. Loyalität? Was ist mit deinem Arbeitgeber? Bist du dem gegenüber nicht auch loyal? Aber auch hier kann man wieder deine ungeborenen Kinder anführen, denen gegenüber du sicher auch loyal sein wirst. Diese Exklusivität ist schon was komisches. Ich vermute (wie bei vielen anderen auch) Monogamie bezieht sich bei dir auf Sex und sexuelle Intimität. Das ist total in Ordnung. Niemand sollte von dir verlangen hier in Clubs zu gehen oder selber auf die Pirsch zu gehen, nur um da ein "Gleichgewicht" zu erreichen. Aber glaubst du wirklich, dass dieser kleine Teil so wichtig und entscheidend ist? Neben all den anderen Ebenen auf denen du deinen Freund jetzt schon teilst, wieso bedeutet diese Ebene ein höheres Verlustrisiko?
Ein weiterer sehr wichtiger Punkt, den ihr zusammen gemeinsam ansehen solltet, ist Abhängigkeit. Momentan ist dein Freund von dir abhängig. Denn du legst die Grenzen für seine Art zu sein fest. Hier kann es sehr leicht passieren, dass du sehr leicht in eine Co-Abhängigkeit rutschst. Es kann sein, dass du dir selber Dinge versagst, nur um das Gleichgewicht eurer Abhängigkeit aufrecht zu erhalten. Sprich: Du versagst dir deine Freiheit, um die Kontrolle über seine zu behalten. Co-Abhängigkeiten entwickelt man seltenst bewusst. Erlaube dir mal in einer ruhigen Minute, wenn es dir selber gut geht, in dich hineinzuhören. Umgekehrt kann es Punkte geben, an denen du dich selbst abhängig fühlst. Wirtschaftliche, emotionale (er ist so ein toller Mann - und ich kann mich glücklich schätzen so einen zu haben) und auch organisatorische Abhängigkeiten solltet ihr gemeinsam finden und aufdecken. Nur dann kannst du eine reflektierte und selbstbewusste Entscheidung treffen, ob du unter den Bedingungen deines Freundes mit ihm eine Familie gründen willst.