Im Cafe
Im CafeWieder so ein verregneter Freitagnachmittag. Gerade ist Dienstschluss und ich will noch etwas durch die Stadt bummeln. Na ja, bummeln ist es nicht, sondern eher freiluft duschen. Völlig durchnässt betrete ich ein kleines, aber urgemütliches Cafe. Alle Tische belegt, aber wieder raus in den Platzregen ? Nee. "Entschuldigung, ist bei Ihnen noch ein Platz frei ?" "Aber gewiss, setzen Sie sich zu mir." "Danke." "Miriam, eine Latte Macchiatto und einen Erdbeerkuchen." Ich packe meinen Roman aus und versuche zu lesen, da mir nicht die passenden Worte für einen Gesprächsbeginn einfallen: Was für ein Wetter- wirklich dämlich oder Sind Sie öfters hier? -Ja. Und dann? Also lesen.
"Ah, Shades of Gray - Hingabe, Psychologie und Rollenspiel.", sagt Du.
Etwas verlegen blicke ich auf und erwidere angespannt lächelnd: "Eigentlich lese ich eher ..." Aber weiter komme ich nicht. Milde, aber bestimmt schaust Du mir in die Augen und entgegnest: " Eigentlich hat auch nie jemand die "Bravo" gekauft und jeder steht auf subtile Intellektualität. Lesen Sie und träumen Sie sich in die Geschichte und finden Sie Ihre geheimen Wünsche."
"Kennen Sie das Buch?", frage ich zurück. "Aus beruflichen Gründen beschäftige ich mich auch mit dieser Literatur", erwiderst Du.
Jetzt muss ich lachen. " Sie sind genauso intellektuell verklemmt ich wie wir alle. Sind Sie Lektor, Psychologe oder Theaterintendant? Nein, wahrscheinlich etwas ganz anders. Berufliche Gründe, aus Ihrer Jackentasche ragt die Financial Times. Nee, gestehen Sie ein, dass Sie voller Freude dieses erotisch klebrige Frauenbuch lesen!"
Jetzt bist für kurze Zeit etwas irritiert. "Frauenbuch ? " "Ja Frauenbuch, weil es doch den meisten Männer zu emotional ist. O.K. Er ist dominant, sie ist devot, dass passt schon ins Klischee: Er ist erfolgreich, hat Kultur und ist reich. Ein soziales Gefälle, etwas kitschig und ...." Was quassele ich da für einen intellektuellen Stuss. Schließlich habe ich mir ja das Buch gekauft und schon 120 Seiten verschlungen. "Das eigentlich faszinierende an dem ganzen SM, 24/7 und Rollenspiel-Hype ist doch,dass in dieser Welt die ganze Aufmerksamkeit auf einander gerichtet ist, der Meister mit voller Konzentration bei Seiner Gespielin ist, Klare Ansage, klare Fokussierung. Kein Abdriften in Alltagsprobleme und -aufgaben." entgegnest Du und wechselt doch auf die hintergründige Ebene. Dein Blick ist auf mich gerichtet. Miriam kommt in unsere Nähe und fragt: "Wer hat die Latte?"
"Ich!",rufe ich. "Na, ich brauch ja auch keine zu bestellen, meine kommt schon von alleine.", sagst Du lachend. "Wie bitte ?" " Sie setzen sich zu mir an den Tisch, packen dieses Buch aus, bestellen einen Erdbeerkuchen und wollen mir weiß machen, dass Sie nicht vor Erotik knistern?" "Woher wollen Sie das wissen?" Ihre Nippel sprechen durch die durchnässte Bluse eine eindeutige Sprache."
Tatsächlich war ich fast wie in Klarsichthülle gepackt. Und - ich kann es nicht leugnen - sie waren steif, steifer jedenfalls als es die Verdunstungskälte erklärt hätte. "Jeder von uns will begehrt werden, jeder träumt heimlich in seinem Bett, auf der Coach und lebt doch nur sein Mittelmaß. All die Entscheidungen, die Rücksichtnahme, die gemeinsame Lösungssuche für Aufgaben oder Probleme, die eigentlich gar nicht unsere Begierde interessieren. Daher der Wunsch nach klarer Rollenverteilung im erotischen Spiel - zumindest in dieser Lektüre oder diesem Genre - Führen und Geführt werden. Klare Ansage, der eine darf die Regeln bestimmen und gestalten, der andere in sich spüren, geführt werden , folgen. Ich am Tisch hab ich nun die Führung übernommen" führst Du weiter aus, "und es scheint mir als ob es Ihnen gefällt. Nein, ich will nicht Ihren Namen wissen, noch Ihre Adresse. Auch ein Duzen wäre nicht angebracht, dies wäre doch die freundschaftliche, kuschelige Nähe. Diese wäre jetzt genau so zerstörerisch wie vulgäre Sprache. Achtung, Respekt und Dominanz ist jetzt auf der Tagesordnung. Ich führe und Sie lassen sich führen, so einfach ist das."
Errötend frage ich: "Wie meinen Sie das ?" "Ich hätte jetzt gerne Ihren Slip!", antwortest Du und blickst mich dabei eine gefühlte Ewigkeit wohlwollend, aber fordernd an. "Wie jetzt hier im Cafe?" " In 20 Minuten geht meine Straßenbahn. Ich hätte jetzt gerne Ihren Slip, bevor ich gehe. Und kein aber. Denken Sie an meine Worte über das Rollenspiel, denken Sie an Ihr Buch und die damit verbundenen Träume." "Ich muss dann wohl für kleine Mädchen." "Hier und jetzt!". Dein Blick wird strenger. Ich schaue mich um. Alle sind im Gespräch vertieft. Hebe meine Gesäß, greife unter den Rock und ziehe dann Slip herunter. Erst aus dem linken Bein gefädelt, dann aus dem rechten Bein gefädelt. Er ist etwas feucht. Ich schäme mich und wage nicht aufzuschauen. Schüchtern reiche ich Ihn unter dem Tisch hin durch, Du nimmst ihn entgegen ohne dass sich unsere Hände berühren, steckst ihn in Deine Sakkotasche, stehst auf und gehst zum Buffett.. Ich zahle für die Dame und für mich." Beim Hinausgehen schaust Du zu mir und sagst lächelnd: "Ich verkehre öfters in diesem Cafe. Auf Wiederehen und es war mir ein Vergnügen." Die Tür öffnet sich, ich sehe Dir nach und Du verschwindest im Regengrau des Spätnachmittags. Vor mir der unangerührte Erdbeerkuchen und die volle Latte Macchiatto.