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Strandgut

Strandgut
Die Frau aus dem Meer

© Ginger 2016

Es war 6 Uhr morgens. Über dem Strand waberten noch letzte Fetzen des Nebels. Möwengeschrei erfüllte die kalte, klare Luft. Sven fuhr mit seinem Jeep vor das winzige Strandrestaurant, das er betrieb. Es war damals für die meisten eine wahnwitz Idee, das er seinen gut dotierten Job als Projektleiter in Hamburg an den Nagel hing. „Du hast eine Midlife-Crisis, Alter.“ warf Robert, sein bester Freund, ihm an den Kopf. Doch nein, das war es nicht. Sven wollte einfach raus aus dem Trott, das machen, was ihm schon lange im Kopf herumspukte.

Die Arbeitswelt dort in der Kälte der Großstadt war nie das, was sein Herz berührte. Der Konsum befriedigte ihn nicht, nicht die endlosen Weibergeschichten, das schicke Penthouse oder der niegelnagelneue Sportwagen in der Tiefgarage. Sven fühlte sich leer, unbefriedigt, das Leben hatte trotz des hohen Standards einen faden Geschmack, der Erfolg legte sich nicht süß auf seine Zunge, sondern schmeckte irgendwie bitter. Er wurde danach nicht süchtig. Sven lag oft in den Morgenstunden wach, wenn das erste Licht des Tages sich silbern über Hamburg legte. Der Mann stand auf, trat dann an die großen Fenster und sah der Stadt beim Erwachen zu, die hektische Betriebssamkeit, die Menschen da unten, wie kleine Ameisen, emsig ihren Geschäften nachgehend.

Wo war sein Hunger, sein Biss, seine Kaltschnäuzigkeit, wenn es darum ging, andere auszubooten, um sich einen Vorteil bei der Chefetage zu verschaffen? Sven hatte es satt und er wusste, er musste sein Leben ändern, jetzt, sonst würde er auf ewig in der Tretmühle stecken oder vorzeitig einem stressbedingten Herzinfarkt erliegen. Ein Artikel im Spiegel gab seiner inneren Stimme Recht. Das Zauberwort hieß „Downshiften“. Ja, er sehnte sich danach, nach der Einfachheit des Lebens, nach den wahren Dingen, nach dem Geschmack des Meeres auf seiner Zunge und der Gischt in seinem Gesicht. Er sehnte sich zurück nach seiner Heimat: St.-Peter-Ording. Von dort war er einst losgezogen, um die Welt zu erobern; er, der blonde Hüne aus dem hohen Norden, dessen Augen das gleiche Blau trugen, wie der Himmel über dem Meer an einem heißen Augusttag.

Als Sven mit Robert über seine Gedanken sprach, tippte der sich nach einem Schluck Grappa an die Stirn. „Mensch, Sven, wach auf, Du bist auf dem Zenit Deiner Karriere, Dir liegen die tollsten Weiber zu Füßen, Du scheffelst Kohle ohne Ende und Du? Du rennst einem Hirngespinst nach, faselst von Einfachheit, dem Sinn des Lebens. Mein Junge, Du spürst Deine Sterblichkeit, die Jahre ziehen ins Land und Du meinst gerade jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, um alles in den Dreck zu treten, wovon Du in Deiner öden Provinz damals geträumt hast?“ Sven griente leicht und ließ den Redeschwall Roberts an sich abperlen, wie die Gischt des Meeres. Gedankenverloren spielte er mit seinem Weinglas. Robert redete weiter: „Du musst endlich sesshaft werden, werfe Dein Herz hier vor Anker, suche Dir endlich eine Frau, die Du heiratest und setze ein paar Kinder in die Welt.“ Sven sah Robert in die brauen Augen. Ja, der Freund war angekommen in seiner kleinen, heilen Welt. Schickes Haus in Eimsbüttel, die blonde, hochbeinige Angela an seiner Seite und seit 3 Monaten einen krähenden Stammhalter im Haus. Bei der „Pinkelparty“ fühlte sich Sven unter all den Gästen einsam, wie nie zuvor und sein Herz war von dieser Sehnsucht erfüllt, die ihn so schlecht schlafen ließ.

Der Abend war perfekt, das Catering suberp, die Drinks eisgekühlt und hochprozentig und doch, und doch. Sven fühlte sich wie ein Alien, er sah wie ein Außenstehender auf die plaudernde, fröhliche Gesellschaft, lächelte milde über zotige Witze und sehnte sich in diesem Moment zurück an den endlosen, lichtüberfluteten Strand seiner Kindheit. Wo waren die Jahre geblieben? War es das hier, wofür sich all die Opfer gelohnt hatten? Ja, ausgetobt hatte er sich, hier in Hamburg und viele gebrochene Frauenherzen pflasterten seinen Weg. Noch besaß er das kleine, rote Lederbüchlein, in dem die Namen seiner Eroberungen fein säuberlich notiert waren und in den einsamsten Nächten, an den verlorensten Abenden in all seinem Protz und Prunk bediente er sich manches Mal aus diesem Büchlein, rief einen Namen an, um sich nach einer scheinbar leidenschaftlichten, durchvögelten Nacht noch einsamer zu fühlen, wenn der nackte Frauenkörper neben ihm verschwunden war und nur noch der Duft eines dezenten Parfüms durch das Penthouse zog.

An seinem 45. Geburtstag machte Sven Nägel mit Köpfen. Er lud seine Kollegen und seine Vorgesetzten zu einem Abendessen ins „Jacobs“ ein, wiegte nur geheimnisvoll den Kopf, wenn man ihn nach dem Grund der Einladung fragte, war aufgeregt, wie ein kleiner Junge und doch so unerschütterlich in seinem Entschluss, wie ein Bollwerk gegen feindliche Truppen.

Gespannt saß seine Crew, die seit fast 16 Jahren sein Leben begleitete, in dem noblen Ambiente des Lokals. Sven stand auf, schlug leicht gegen sein Glas. Die Gespräche verstummten und alle Augen waren auf ihn gerichtet. Es gab kein Zurück.

„Liebe Freunde, ich habe Euch heute hier eingeladen, um Euch mitzuteilen, dass ich zu neuen Ufern aufbrechen möchte. Ich werde wieder nach St.-Peter-Ording zurückkehren, um mir dort eine neue Existenz aufzubauen, die nichts mit meinem bisherigen Berufsleben zu tun hat. Vielleicht habt Ihr es schon gemerkt, dass ich mich seit einiger Zeit sehr mit meinem weiteren Lebensweg beschäftige, doch der Plan war in mir noch zu unausgegoren, um ihn Euch zu präsentieren. Manche werden meine Entscheidung verstehen, andere nur den Kopf schütteln, doch Ihr kennt mich und wisst, was ich mir in den norddeutschen Dickschädel gesetzt habe, setze ich auch durch.“ Sven sah in ungläubige Gesichter, manche nickten, Robert grinste schief. Dieser verrückte Sven, er tat es wirklich! „Ich hoffe, dass Ihr mit mir diesen Abend feiern werdet, auf mein Wohl und mein neues Ziel, mit mir trinkt und meine Entscheidung akzeptiert. Was ich hier lasse, kann ich kaum in Worte fassen, Freundschaften, viele Erfahrungen, die mein Leben bereicherten und die beste Zeit meines bisherigen Leben, doch ich spüre, da ist noch mehr und genau das will ich. In diesem Sinne bitte ich Euch mit mir anzustoßen, auf das Alt- und das Unbekannte.“ Die Gesellschaft erhob sich noch erstaunt, verdutzt, manche geschockt, doch alle tranken auf den Mann, der da so unerschrocken ins kalte Wasser sprang, ohne zu wissen, wohin in die kleine Jolle des Lebens treiben würde.

Dr. Bruckner, Svens unmittelbarer Vorgesetzter, räusperte sich: „Nun, mein lieber Sven, Du erwischst mich wirklich auf dem falschen Fuß, aber selbstverständlich werde ich Deinen Entschluss akzeptieren. Was mir persönlich fehlen wird, sind Deine Visionen, Dein Engagement und Dein Sturkopf, der mich doch manches Mal zur Verzweifelung brachte, doch ich wusste, dass Du immer mein bester Mann bist. Ich lasse Dich nur ungern ziehen, doch wie sagte schon Whitmann: Der Veränderung die Tür versperren hieße das Leben selber aussperren. In diesem Sinne, auf Dich.“

Es wurde ein rauschendes Abschiedsfest und als Sven als Letzter das Lokal verließ und auf der nassen Straße stand, der kalte Wind ihm das blonde Haar aus dem Gesicht wehte, überkam ihn ein unbändiges Freiheitsgefühl. Er legte den Kopf in den Nacken und lachte. Ja, die Reise hatte bereits begonnen.

Svens Eltern waren bereits verstorben. Seine erste Amtshandlung war der Besuch des Familiengrabes auf dem Friedhof in St.-Peter-Ording, das durch einen hiesigen Gärtner gepflegt wurde. Sven beugte sich herab und entzündete eine Kerze. „Ma, Pa, ich bin wieder hier.“ flüsterte er leise. „Diesmal bleibe ich.“ Bilder zogen vor seinem geistigen Auge auf. Seine Kindheit unter diesem Himmel, die Jugend, die verschüchterten ersten Küsse hinter einer alten Fischerhütte ... Ja, es war viel Zeit seit damals vergangen und dennoch fühlte er, dass sein Herz immer hier gewesen war, es hatte seine Heimat nie verlassen.

Durch einen Makler fand Sven schnell ein winziges Häuschen, etwas windschief, doch mit seiner weißen Farbe und den blauen Fensterläden friesischer Charme vom Feinsten. Es wurde möbeliert angeboten und Sven fühlte sich von der ersten Sekunde an pudelwohl. Am ersten Abend fuhr er zu seinem ehemaligen Elternhaus und als Sven vor ihm stand, war ihm, als würde seine Mutter eine Kerze ins Fenster stellen, damit er den Weg zurück finden würde. Warum musste ein Neuanfang oft so weh tun, warum fühlte er sich trotz seines Freiheitsgefühls traurig, woher kam diese Wehmut? Sven versackte an diesem Abend in einer rustikalen Pinte und genoss reichlich die hiesigen hochprozentigen Lokalspezialitäten. Kurz und gut: Er besoff sich wie selten zuvor in seinem Leben. Vielleicht wollte er ja einfach auch nur die kleine Stimme des Zweifels in sich zum Verstummen bringen. Draußen heulte der kalte Wind um das Gemäuer. Es war noch keine Saison in St.-Peter-Ording und wenn man alleine durch die verlassenen Straßen ging, schien es so, als würden Geister längst vergangener Zeiten um die Ecken ziehen.

Für den Neuanfang besaß Sven sehr gute Rücklagen. Sein altes Leben verscherbelt, der Sportwagen, fast neu, verkauft. Nun konnte er einem alten Traum folgen. Er wollte ein Strandbistro eröffnen. Wie der Zufall es wollte oder doch das Schicksal, war eines der Strandrestaurants in Böhl zu verkaufen. Zwischen Besichtigung und Kauf lagen keine 2 Wochen und selbst Sven wurde es angesichts des Tempos schwindelig. Als er abends in seinem neuen Lebensmittelpunkt stand, die Sonne golden in der Nordsee versank, heulte er wie ein kleines Kind, vor Glück und über das Gefühl nach Jahren der Suche endlich angekommen zu sein.

St.-Peter-Ording lag im Winterschlaf, doch die Tage wurden schon wieder länger. Noch nie war Sven so gerne aufgewacht, noch nie konnte er so gut schlafen. Er war voller Tatendrang und Vorfreude. Das Innere des Strandbistros wurde vollständig verändert, stylisch, schwarz-weiß, eine neue Soundanlage musste her, Angestellte angeheuert werden. Sven ließ alte Kontakte aufleben. Sein Erscheinen in St.-Peter-Ording war nicht unbemerkt geblieben und alte Weggefährten schwankten in ihren Empfindungen zwischen Schadenfreude und Respekt, doch Sven war das Gerede egal. Als die Leute merkten, dass in dem Rückkehrer noch immer das norddeutsche, echte Herz schlug, die Großstadt ihn nicht versnobt hatte, öffnete sich ihm so manche Tür. Richard, ein Freund aus alten Tagen, der nunmehr den elterlichen Hof betrieb, war der Erste, der den Heimkehrer willkommen hieß. Er stand eines Tages einfach im Strandbistro, von kleiner, untersetzter Figur, doch noch immer den Schalk in den Augen, wie damals, als sie den Urlauberinnen nur zu gern die hiesigen Gepflogenheiten und Bräuche näher brachten. Ja, da kamen die Erinnerungen an manches Bikebrennen wieder hoch.

„Mensch, Sven!“ röhrte Richards Stimme durch den Gaststraum. „Richard! Altes Haus“ Sven lachte laut auf und fiel dem Freund aus früheren Zeiten um den Hals. Nie waren sie sich näher als in diesem Moment und sollte sich Fremdheit über die beiden gelegt haben, so wich sie wie der Seenebel bei Sonnenaufgang. „Ja, Mensch, was machst Du denn hier? Ich konnte es ja kaum glauben, als mir die alte Telse erzählte, wer wieder hier gelandet ist.“Ja, Rich, so ist das. Der Ausflug in die große, weite Welt ist beendet. Hier bleibe ich.“ Der Abend wurde lang und die Nacht noch länger. Der Einfachheit halber und dem Alkohol geschuldet, schliefen die beiden Männer im hinteren Raum des Strandlokals auf alten, muffigen Pritschen und der ewige Wind wiegte sie in Träume aus Wogen und Wellen.

Bis zur Eröffnung war es noch eine Woche. Robert war zu Besuch gekommen. Erstaunt und lachend sah er sich in Svens Behausung um, der Kamin verströmte heimelige Wärme, die Holzscheite knackten und bei Ostfriesentee und Wattenläuper saßen sich die ehemaligen Kollegen gegenüber. Sven war kaum wieder zu erkennen, doch die Jeans, das karierte Hemd und die vom Wind zerzausten Haare standen ihm. Er wirkte jünger, fitter, der verdrießliche Zug um seine vollen Lippen war gewichen, jetzt nisteten dort Zufriedenheit und Wohlbehagen. Das sah Robert auf den ersten Blick. „Ich beglückwünsche Dich.“ sagte er warm. Sven lachte. „Du bist hier jederzeit herzlich willkommen, wenn Dir Hamburg auf den Sack geht.“ „Das Angebot nehme ich gerne an. Hamburg geht mir jetzt schon auf den Sack.“ Robert wirkte in seinen Designerklamotten fehl am Platz. Er sah aus dem Fenster in den noch schlafenden Wintergarten. Wie bunt musste er aussehen, wenn alles blühte und die Stockrosen fast über die Eingangstür wucherten? Ja, sein Freund schien alles richtig gemacht zu haben und in Robert tauchte sie auch leise auf: Die Frage nach dem Sinn des Lebens.

Das Strandrestaurant erstrahlte in voller Pracht. Flyer waren gedruckt, die örtliche Lokalpresse würde über die Neueröffnung berichten, das Team war komplett. Annelore, die dralle Blondine, Nane, eine zierliche Brünette und Sven, der sich nunmehr den lukulischen Genüssen zuwenden wollte, um seine Gäste damit zu verzaubern. Wie so oft stand er hinter dem Fensterglas, blickte auf den noch leeren Außenbereich und konnte sich nicht satt sehen an diesem Ausblick, das Meer, das jede Minute seine Farbe zu wechseln schien und diesen unglaublich hohen Himmel, in dem man sich verlor, wie in den schönen Augen einer Frau. Fern war Hamburg, fern, das alte Leben, so, als sei es nie gelebt worden. Sven fühlte sich wie neugeboren, in seinen Adern floss Salzwasser, dessen war er sich nun bewusst. Das Bistro sollte eine Mischung aus Restaurant und Chillout-Lounge sein, Events mit wechselnden DJs waren in Planung und würden den Sommer und diesen Strandabschnitt hoffentlich zu einem angesagten Hotspot machen.

Es war der 5. Januar, als Sven die Frau das erste Mal sah. 6 Uhr morgens, der Nebel lichtete sich und da war sie, tauchte auf, aus dem Dunst der Nacht, eine große, schmale Gestalt, in einen weißen Wollponcho geschmiegt, das rote Haar einer Fahne gleich um den Kopf wehend, an ihrer Seite ein Weimaraner. Sven beobachtete sie von dem Bullaugenfenster der kleinen Küche aus. Die Unbekannte ging nicht, nein, sie schien über den grauen, nassen Strand zu schweben. kein Make-Up verunstaltete das klare, fast weiße Gesicht, in dem grüne Augen brannten, deren Blick in die Unendlichkeit gerichtet schien. Der Hund wich ihr nicht von der Seite und er wirkte genauso königlich, wie die Frauengestalt. Ja, das war Rasse und Klasse. Frauenkenner Sven erkannte es auf einen Blick. Das war kein Leichtgewicht, kein namenloser Fick in der Nacht. Diese Frau brannte sich ins Herz und man würde sie nie vergessen, selbst wenn man alt und grau wurde. Sven verließ seinen Beobachtungsposten. Er war neugierig und wollte der Unbekannten unter einem Vorwand begegnen. Schnell hastete er die glitschige Treppe herab, doch als er unten ankam, seinen Blick über den Strand gleiten ließ, war die die Frau verschwunden, verschluckt von dem silbrigen Nebel, der sich wieder wie einem Leichentuch gleich über die frühe Morgenstunde legte.



• Fortsetzung folgt - *zwinker*
Und es geht weiter ...
Sven drehte sich verwundert um. Wo war sie? Sie war weg, einfach weg, aufgelöst, auftauchend, wie ein wunderschönes Irrlicht, mit ihrem grauen Gefährten und dann? Nichts, aufgelöst im Nebel. Sven sah angestrengt über den Strand; kein Schemen, kein Schatten, keine Spuren im Sand, verwischt von der eifrigen Zunge der Nordsee. Kopfschüttelnd ging Sven zum Strandbistro zurück. Die seltsame Begegnung am Morgen begleitete ihn den restlichen Tag und er ertappte sich immer wieder dabei, dass er Ausschau hielt, nach der schönen Fremden, die aus dem Nebel kam.

Bis zur Eröffnung mussten noch einige Kleinigkeiten erledigt werden. Das Lampenfieber wuchs ins Unermessliche. Robert wollte auch kommen, doch seine Zusage war noch vage. Ja, Robert tauchte in regelmäßigen Abständen auf und es verwunderte Sven, dass sein Freund ein derartiges Gefallen an der Einfachheit des Lebens hier oben fand. Die alte Vertrautheit zwischen den Freunden konnte auch die Entfernung nicht schmälern. „Sven, Du hast alles richtig gemacht." resümierte Robert eines Abends bei Scholle und Bier, als er einmal wieder bei Sven weilte. Er prostete diesem zu. „Irgendwie hast Du mich mit Deinem Virus infiziert.“ sagte Robert leicht verwundert. „Komm her, ich brauche noch einen, der die Fische putzt.“ lachte Sven. Ja, in Robert war ein Prozess in Gang gekommen, vielleicht konnte man es auch eine Sättigung nennen, die Oberflächlichkeit der gehobenen Schicht, die ewigen langweiligen Plattitüden auf ebenso langweiligen Dinner-Partys. Seine Frau erkannte ihren Mann kaum wieder. Ihr entging jedoch nicht die Veränderung, die Svens Weggang in Robert verursachte. „Was ist los, Honey?“ fragte Angela ihren Mann eines Abends. „Ich vermisse Sven." antwortete Robert gerade heraus. Seiner cleveren Frau konnte er nichts vormachen. Hinter der glatten, hohen Stirn saß ein Gehirn mit telepathischen Fähigkeiten. Liebevoll sah Robert seine Frau an. „Ich kann Dir doch nichts vormachen." lachte er etwas verlegen „Also versuche es erst gar nicht." erwiderte Angela und küsste ihren Mann sanft auf den Mund. „Fahr doch zu ihm. Du hast doch noch ein paar Tage Resturlaub. Er eröffnet bald und möchte Dich gerne dabei haben, ganz bestimmt.“ „Und Karl und Du?“ „Wir kommen sehr gut alleine klar. Meine Mutter kommt gerne für ein paar Tage aus Hannover zu uns, wir machen es uns hier gemütlich und Karl wird von zwei liebenden Frauen umsorgt.“ Robert küsste seine schöne Frau andächtig. Er beglückwünschte sich einmal mehr zu seiner Wahl.

Die Eröffnung des Strandrestaurants fiel auf das Biikebrennen. Der monströse Haufen aus Holz war kaum zu übersehen und alle fieberten diesem jahrhundertealten Brauch entgegen. Man kam zusammen, klönte, schnackte, trank und freute sich, den eisigen Geist des Winters und böse Gesellen vertreiben zu können. Ein kollektives Innehalten in der modernisierten Zeit, ein Statement zu seinen Wurzeln, ein Verlangsamen, ein Innehalten der Gedanken. Gerade in stressigen Zeiten wurden alte Rituale gerne beschworen, ließ sie auferstehen und feierte sie.

Sven lief, nein rannte durch das Strandbistro. Alles war perfekt. Die Kellnerinnen strahlten ihn hochmotiviert an, angesteckt von dem Fieber ihres Chefs. Seine charismatische, freundliche Art öffnete auch hier oben die Herzen und Türen. Richards Trecker knatterte unten vor dem Holzbau. Er brachte eine Ladung frischen Fisch, der heute Abend den hungrigen Gästen vorgesetzt werden sollte. Wenig später trat er in den Gaststraum. „Moin, moin, hier, für Deine Meute heute Abend. Man, hast Du mal einen Aquavit? Der Wind der pfeift heute durch alle Knochen.“ „Klar, setz Dich hin.“ Richard hievte sich umständlich auf einen der schicken, neuen Barhocker. Sven stellte ihm den Schnaps hin. „Auf Dich.“ prostete Richard und ließ den Aquavit kehleabwärts rinnen. „Jau, das tut gut. Alles im Griff?“ „Klar, kann losgehen.“ griente Sven und verschwieg natürlich seine Angst vor einem misslungenen Auftakt. Richard lachte hinterlistig. „Na, wird schon klappen.“ beruhigte er seinen Freund auf seine etwas wurstige Art. Richard konnte kaum etwas erschüttern. Er war genauso knorrig, wie die alten Bäume um sein Gehöft. Seine Welt war geradlinieg, ohne Fallgruben, er besaß einen Charakter, urwüchsig, wie das Land, das er bestellte. Sven ergriff die große Schiefertafel und beschriftete sie mit klaren, feinen Buchstaben:

- Wolkom -
Wir freuen uns, Sie heute begrüßen zu dürfen.
Seien Sie unsere Gäste bei frischem Fisch, einer steifen Brise und guter Musik. Lassen Sie sich von den Flammen des Biikebrennes und unseren kulinarischen Leckereien verzaubern -

Um 18 Uhr war Eröffnung. Die Minuten schienen zu schleichen, zogen sich wie Kaugummi. Sven gönnte sich auch einen Schnaps. Himmel, ihm ging der Arsch auf Grundeis. Hier wurde gerade sein Baby geboren und er fühlte sich, als sei es in einer Steißlage. Hoffentlich ging alles glatt über die Bühne. Die Tür klappte. „Robert!“ Svens dunkle Stimme schallte durch den Raum. Eine stürmische Umarmung, ein Schulterklopfen, als habe man sich 20 Jahre aus den Augen verloren. „Mensch, Sven, ich freue mich so hier zu sein.“ lachte Robert. Annelore stellte dem attraktiven Gast mit den graumelierten Schläfen ebenfalls einen Aquavit hin. „Geht aufs Haus.“ flötete sie und senkte ihren Blick nur zu gerne in die Augen ihres männlichen Gegenübers. Robert, der alte Schwerenöter, prostete der hübschen Blondine zu. Sven überprüfte die Musikanlage und bald waberte ein rhythmischer Sound durch das Restaurant. Zufrieden nickte Sven. „So, Leute, ich muss jetzt in unsere Kombüse.“ „Lass mich Dir helfen.“ lachte Robert. „Du mit Deinen zwei linken Händen ... Komm mit. Erzähle mir den neusten Klatsch aus Hamburg.“ Richard erhob sich. „Ich muss zurück, die Kühe melken. Komm dann später, um Deine Blamage hautnah mitzuerleben.“ zwinkerte er Sven zu und verzog sich. Sven und Richard gingen in die Küche. Annelore stand hinter dem Thresen und polierte die Gläser. Die Sonne ging langsam über den Meer unter und über allem lag ein erwartungsvoller Zauber in diesem unwirklichen Licht des sterbenden Tages, den man immer wieder spürte und immer wieder von Neuem nur zu gerne erlag.

Die Werbetrommel schien prächtig funktioniert zu haben. Um 19 Uhr war das Strandlokal voll besetzt. Gut gelaunte Gäste, ein seeliger Inhaber und zwei kompetente Kellnerinnen sorgten für ein Aufgehen des Konzeptes. Svens Baby war geboren und es schien sich wohl zu fühlen, auf diesem neuen, aufregenden Terrain. Der Fisch mundete allen hervorragend und das frisch gezapfte Bier sowie die bunten Longdrinks fanden reißenden Absatz. Gegen 22 Uhr gab Sven Annelore ein Zeichen. „Ja, Chef?“ „Du, ich verziehe mich mal für eine Stunde. Will mir das Biikebrennen angucken.“ „Alles klar, Chef, wir werden das Kind schon schaukeln.“ Annelore zwinkerte Sven zu, der in seine Jacke schlüpfte und ins Freie trat. Die Musik drang an sein Ohr, vermischt mit dem Gesang der Wellen und dem Geschrei einer Möwe, die einsam ihre Bahnen über dem Wasser zog. Das Feuer schickte seine Armee der Funken gen Himmel, viele Menschen hatten den Weg zum Biikebrennen gefunden.

Sven saß ein Schluchzen in der Kehle. Sein erstes Biikebrennen seit Jahren. Wie hatte er es vermisst. Eilig lief er auf das Feuer zu. Er erkannte in der Menge Richard, der ihn gleich zu sich heran winkte. „Na? Alles im Lot?“ „Klar, komm nachher noch auf einen Absacker vorbei.“ Richard lachte. Die Einladung ließ er sich bestimmt nicht ergehen. Das Biike-Lied erklang und Sven verstand nach all den Jahren noch jedes Wort. Die Kinder hielten das Stockbrot in die Flammen und so manche Buddel machte die Runde. Sven ließ seinen Blick kreisen und verfing sich in den gold-glänzenden Augen der rothaarigen Frau vom Strand. Die Flammen glitzerten in dem Blick der rassigen Fremden, die Sven unverwandt ansah. Ein leises Lächeln umspielte die vollen roten Lippen der Frau. Der Weimaraner saß zu ihren Füßen, hingegossen wie eine Statue, ergeben den Blick zu seinem Frauchen gewandt. Sven war wie gebannt, gebannt von der fast ätherischen Schönheit der Fremden, gebannt von der Aura, die sie umgab, einer Magie gleich, die sein Herz in Feuer verwandelte und das Blut wie Gold durch seine Adern fließen ließ. Ein unsanfter Stoß von Richards Ellenbogen riss Sven aus seiner Versunkenheit. „Mönsch, Du Döspaddel, gib mal die Pulle her.“ Sven nahm die freundlich dargereichte Flasche seines Nachbarn an und reichte sie dem anscheinend immer noch durstigen Richard. Sven hob seinen Kopf und suchte wieder den Blick der schönen Unbekannten. Doch sie war weg, lautlos verschluckt von den Schatten der Nacht ...

• Fortsetzung folgt - *zwinker*
Und weiter geht`s ...
Sven kehrte gedankenverloren zu seinem Bistro zurück, nachdem er den volltrunkenden Richard in ein Taxi Richtung Tating zum heimischen Gehöft setzte. Ein eiskalter Wind pfiff über den Strand. Plötzlich sauste ein grauer Schatten an Sven vorbei. Der Weimaraner tobte über den nassen Sand, dann umtänzelte er den einsamen Wanderer, kläffte, um dann wieder wie ein Blitz in die Nacht davonzusausen. Sven rief in die Finsternis: „Hallo, ist da jemand?“ Ein glockenhelles Lachen erklang. „Entschuldigen Sie, ich hoffe, dass Hector sie nicht erschreckt hat.“ erklang ein melodiöse Stimme. Sven vernahm ein angenehmes Parfüm, das ihn an Heu und Sommerblumen erinnerte. Die Fremde stand vor Sven. „Guten Abend, ich bin Marleen. Hector wollte noch einmal unbedingt an den Strand. Er ist nun einmal ein Energiebündel.“ Sven konnte in der Dunkelheit kaum etwas erkennen, nur den schemenhaften Umriss einer Frauengestalt. „Oh, nein, Ihr Hund hat mich nicht erschreckt.“ brachte der überraschte Mann mühsam hervor, völlig fasziniert von dieser Begegnung zu später Stunde. „Ich wollte gerade zu meinem Strandrestaurant zurück, darf ich Sie noch auf ein Glas Rotwein einladen?“ fragte er kühn die nächtliche Spaziergängerin. „Mein Name ist Sven Henke.“ stellte er sich dann vor. „Gerne.“ antworte die Frau unverhofft und folgte Sven schweigend zum Ziel. In der Beleuchtung des Restaurants musterte der Mann sein Gegenüber und er fühlte seinen Herzschlag einen Moment lang aussetzen. Niemals zuvor hatte er in ein solch exquisites Frauengesicht gesehen. Sie war schön, von einer Reinheit und Klarheit, die man kaum beschreiben konnte. Das rote Haar, das das blasse Gesicht umschmeichelte, wieder kein Hauch von Make-Up, doch das brauchte sie auch nicht, sie war einfach vollkommen. Marleen lachte etwas verlegen unter Svens Blick, den man auch sehr gut als Starren bezeichnen konnte. Sven schüttelte den Kopf und riss sich aus seiner Versunkenheit. „Bitte.“ Er ließ der Fremden den Vortritt und folgte ihr. Oben vor der Tür verharrte die Schöne und pfiff. Hector tauchte auf, selig über diesen nächtlichen Spaziergang, Sand auf der feuchten Nase. Welche Krabbe hatte er wohl aus ihrem Schlaf gescheucht? Stürmisch hüpfte der Weimaraner die Holztreppe hoch. Als Marleen die Tür öffnete schlüpfte der Hund hinein. „Na, er hofft, dass er noch eine Leckerei abstauben kann.“ lachte Marleen wieder. Sven war einfach nur fasziniert, paralysiert von der Anmut und Grazie des weiblichen Gastes.

Annelore stand im Gästeraum. „Hey, ich dachte, Du hättest schon Feierabend gemacht.“ „Nee, Chef, ich wollte das Chaos noch etwas beseitigen. Der letzte Gast ging auch erst vor einer halben Stunde. Er wollte partout hier bleiben.“ grinste die Kellnerin über das ganze Gesicht. „Jetzt sieh aber zu, dass Du in die Falle kommst. Soll ich Dich bringen?“ fragte Sven. „Nee, lassen Sie mal, ich finde schon heim.“ antworte Annelore beruhigend und musterte neugierig die schöne Frau. „Hallo.“ sagte Marleen und lächelte die Kellnerin freundlich an. „Hallo. Jaaa, Chef, dann gehe ich mal.“ Etwas unschlüssig stand Annelore hinter dem Thresen, hing das Trockentuch dann auf und nahm ihre Jacke von der Garderobe. „So, dann gute Nacht.“ „Tschüss. Komm gut heim." Sven und Marleen blieben alleine zurück, sahen sich an und lachten wieder etwas verlegen. Hector machte es sich bereits auf einem der Sisalteppiche gemütlich und leckte seine nassen, salzigen Pfoten ab. „Darf ich Ihnen Ihre Jacke abnehmen.“ fragte Sven galant. Marleen trug einen grauen Webpelz, der einen gerade dramatischen Kontrast zu ihren roten Haaren abgab. Im warmen Licht des Restaurants sah Sven, wie sich ihre blassen Wangen etwas röteten. Der wollweiße Norwegerpullover schmiegte sich anmutig an die Frauengestalt. Ihr Alter konnte Sven nicht einmal schätzen, sie besaß etwas Zeitloses, Stil und ihr Geschmack schien teuer. Das sah Sven auf einem Blick. Wer immer die Frau aus dem Nebel auch war, am Hungertuch schien sie nicht zu nagen. Sven nahm ihre Jacke entgegen und für einen Sekundenbruchteil berührten sich ihre Hände. Ein Stromstoß schoss durch Svens Körper, 100000 Volt setzten sein Herz in Brand und seinen Verstand außer Gefecht. Er war verknallt, bis über beide Ohren.

Marleen lächelte und Sven versank in dem Grün ihrer Augen. Er riss sich zusammen, räusperte sich. „Möchten Sie schon einmal Platz nehmen?“ fragte er mit nicht ganz fester Stimme. „Gerne.“ Marleen setzte sich an den runden Holztisch direkt neben dem Tresen und rieb sich ihre kalten Hände. Sie ließ ihren Blick wandern und Sven hatte Gelegenheit das klassisch vollendete Profil Marleens zu bewundern. „Hübsch haben Sie es hier.“ „Oh, danke. Möchten Sie ein Glas Leverano?“ „Ja, gern.“ Sven ging hinter den Tresen und öffnete die Flasche Wein; er dekantierte ihn, nahm zwei Gläser und setzte sich dann zu Marleen an den Tisch. Hector stand auf und stupste sein Frauchen an. „Oh, ich glaube, wir haben jemanden vergessen.“ lachte Marleen laut auf. „Haben Sie ein Schälchen Wasser und noch vielleicht etwas aus Ihrer Küche?“ fragte sie Sven mit einem spitzbübischen Lächeln. „Hector ist immer tödlich beleidigt, wenn er nicht beachtet wird.“ Zärtlich strich sie dem Hund über den grauen Kopf. „Ja, natürlich.“ Sven stand auf und verschwand in der Küche. Er nahm eine Tupperschale, füllte sie mit Wasser und stöberte im Kühlschrank. Eine Salami musste etwas von ihrem Leben und Leib lassen. Sven ging mit Wasser und Wurst zurück. Kurz darauf schlabberte Hector das kühle Nass und auch die dargereichte Salami schien ganz nach seinem Gusto zu sein. Wenig später rollte sich der Weimaraner wieder auf dem Sisalteppich zusammen und seufzte zufrieden. Sven setzte sich zu Marleen und goss den Wein ein, der blutrot in den Kristallgläsern schimmerte. „Ich heiße Sie herzlich Willkommen, hier in meiner kleinen Strandmuschel.“ prostete Sven Marleen zu. Sie lächelte und neigte dankend den Kopf. Der Wein mundete vortrefflich. „Ich kann auch noch eine Käseplatte anrichten.“ sagte Sven eifrig. „Nein, danke.“ Marleen sah sich erneut um und Sven betrachtete einmal mehr verzückt sein bezauberndes „Strandgut“. Ja, so war sie, angeschwemmt worden von einem launischen Schicksal, in sein Dasein getreten aus dem Nichts und jetzt saß sie an seiner Seite. Real, voller Leben und wunderschön.

Das Brummen eines Handys zerriss den Zauber des magischen Augenblicks. Sven ging zur Garderobe und sah auf das Display. Robert! Mein Gott, den hatte er ganz vergessen. „Ja?“ „Mensch, Du Trottel! Wo warst Du? Ich habe Dich beim Biikebrennen gesucht.“ schall Roberts wütende Stimme an Svens Ohr. „Ich komme extra aus Hamburg, um mit Dir zu feiern und Du verziehst Dich!“ „Robert, entschuldige, ich bin aufgehalten worden.“ erwiderte Sven lahm. Marleen lauschte dem Gespräch amüsiert. „Wo bist Du denn?“ „Mann, Du Pfeife! Ich bin schon in Deinem Haus. Ich war noch einmal an der Strandmuschel, aber Deine nette Kellnerin sagte, Du seist schon weg. Na, Gott sei Dank habe ich den Schlüssel. Ich gehe jetzt schlafen. Ich wollte nur wissen, ob bei Dir alles klar ist.“ Robert schien sich etwas abreagiert zu haben. „Ja, ich bin jetzt wieder im Lokal.“ „Na, dann gute Nacht, wir sehen uns dann morgen." Robert beendete das Gespräch. „Ich habe meinen Freund „versetzt“.“ lachte Sven Marleen an. „Oh, ich denke, dass Männer das leichter verzeihen als wir Frauen.“ erwiderte Marleen und lächelte bezaubernd. Sven setzte sich wieder. „Woher kommen Sie?“ fragte er Marleen. „Ich bin die Frau aus dem Nebel.“ erwiderte Marleen, Schalk in den Augen. „Ich habe Sie an jenem Morgen gesehen. Sie sahen aus dem Fenster.“ „Ich glaubte schon, einem Spuk aufgesessen zu sein, Sie waren da und im nächsten Moment, nichts.“ Marleen lächelte leise. Sven konnte sich an ihrem Gesicht einfach nicht satt sehen. Es war nicht die Schönheit alleine, nein, es war die Mischung aus Klugheit, Sensibilität und etwas Geheimnisvolles, ein Gesicht, das durch seine Tagträume wanderte, seit jener Stunde im Zwielicht des Morgens.

„Ich fürchte, dass wir unsere Begegnung hier beenden müssen. Die Flut kommt bald. Ich möchte Sie noch trockenen Fußes zu Ihrer Unterkunft bringen.“ sagte Sven und bedauerte zutiefst die frühe Verabschiedung. „Oh, das ist nicht nötig. Hector wird mich sicher nach Hause bringen. Nur keine Sorge.“ Marleen und Sven standen auf, sahen sich etwas unschlüssig an, dann nahm Sven Marleens rechte Hand, umfasste sie warm und sagte eindringlich: „Es hat mich sehr gefreut Sie kennenzulernen. Sehen wir uns wieder?“ Marleen lächelte sanft. „Ganz bestimmt.“ erwiderte sie leise und entzog Sven sachte ihre Hand. Er half ihr in den Webpelz. „Hector.“ Der Hund sprang auf und lief zu seinem Frauchen. Marleen öffnete die Tür. Der Wind nahm stetig zu. Die Flut kam und das Meer brüllte sein Kommen förmlich heraus. „Soll ich Sie nicht doch bringen.“ „Nein, keine Angst, ich kenne den Weg.“ Marleen lächelte Sven noch einmal an, dann verließ sie den Gastraum und lief eilig die Treppe herab. Hector wartete bereits auf sie. Sven sah Marleen und dem Hund gedankenverloren nach, den immer kleiner werdenden Gestalten, bis die Dunkelheit wieder einmal mit ihren Silhouetten verschmolz. Er vermisste sie jetzt schon, seine Frau aus dem Nebel ...
*******n69 Mann
6.463 Beiträge
@Ginger2014
Wow. Peter
@Peter
Danke ... *blumenschenk*
Neues von der "Waterkant" ...
Erst das bedrohliche Grollen der nahenden Nordsee riss Sven aus seinen Gedanken. Schnell löschte er im Bistro die Lichter und verschloss die Eingangstür. Die Wellen leckten bereits an den Stelzen der „Strandmuschel“. Jetzt wurde es allerhöchste Zeit. Sven rannte über den Strand, Richtung Land. Der Wind peitschte die Wellen immer weiter voran, die Priele füllten sich mit dem salzigen Wasser. Jetzt ging es um Sekunden. Der blanke Hans schien allgegegenwärtig. Der Jeep stand oben auf dem Parkplatz. Nach dem Biikebrennen und dem genossenen Alkohol wollte Sven den Wagen besser stehen lassen. Noch nie war Sven der Fußmarsch zum trockenen, rettenden Ufer so weit vorgekommen. In der Dunkelheit fiel ihm die Orientierung schwer. Kein Licht vom Festand wies ihm den Weg. Um diese Stunde lagen alle in ihren Betten und schliefen. Der herumirrende Mann fühlte Panik in sich aufsteigen. Da! In der Ferne leuchtete ein Lichtkegel, der dann sein Gesicht traf. „Mensch! Sind Sie bescheuert? Machen Sie, dass Sie da wegkommen oder Sie enden hier als Wasserleiche!“ erscholl eine barsche Stimme. Sven sah einen uniformierten Polizisten und lief auf ihn zu. „Ich habe mich total verschätzt.“ rief er mit überschlagender Stimme. „Ja, das sehe ich! Mann! Die Flut ist pünktlich! Hat Ihnen das schon mal einer gesagt?“ Sven keuchte und konnte nur nicken. Der Polizist ergriff seinen rechten Arm und zog ihn mit sich. Hinter sich das tosende Meer, dieses unwirkliche Szenario und die Angst ließen Sven fast die Beine wegsacken. Der Polizist zog ihn hoch und stieß ihn weiter, immer weiter. Sven mobilisierte seine letzten Kräfte. Im Licht der Taschenlampe erschien ein Streifenwagen. Die Männer stiegen schnell ein. Die Reifen standen schon bedrohlich im Wasser. Es war immer wieder erschreckend und faszinierend zugleich, wie schnell sich das Meer das Land zurückeroberte.

Der Motor des Wagens jaulte auf, der Polizist gab Vollgas. Mit schlingernden Reifen raste der Kombi durch die steigende Flut. Dann erreichten sie endlich den asphaltierten Weg und entkamen den nassen, klammen Fingern des Meeres. Oben hinter dem Deich angekommen, hielt der Polizist. „Menschenskind! Ich sah noch Licht im Restaurant und dachte, na? Braucht da einer Hilfe?“ Sven kam mühsam zu Atem. Er hatte völlig die Zeit aus den Augen verloren. „Danke.“ Mehr brachte er nicht heraus. Der Polizist griente etwas bärbeißig. „Na? Kennst mich nicht mehr?“ Sven sah in das Gesicht. „Flo?“ fragte ungläubig. „Ja, Florian Kristen, Dein Kumpel, der die Schulbank mit Dir gedrückt hat.“ lachte der Polizist laut auf, dann umarmte er Sven und klopfte ihm auf den Rücken, als gäbe es kein Morgen. Er war genauso erleichert wie Sven. Florian Kristen, der größte Haudegen der damaligen Klasse, kein Baum war ihm zu hoch, kein Weg zu weit, nie war eine Klappe größer. „So, jetzt fahre ich Dich heim, nenne mir mal die Adresse.“ „Böhler Weg 25.“ Florians Mundwerk stand nicht still. Weitschweifig ereiferte er sich über den Dummkopf an seiner Seite, den er gerade noch dem Meer entreissen konnte. Heute Nacht würde sich Neptun keinen neuen Bewohner für sein nasses Reich unter den Nagel reißen.

Am Haus angekommen bedankte sich Sven noch einmal bei Florian. Der brummelte etwas, grinste dann: „Na, in Hamburg bist Du wohl eine olle Landratte geworden, was?. Da hat man die Gezeiten nicht mehr so im Blut.“ Sven lachte verlegen. Er stieg aus, grüsste und Florian fuhr davon. Sven ging mit staksigen Beinen auf die Haustür zu und steckte den Schlüssel ins Schloss. Die Tür ging mit einem leisen Knarzen auf. Wohlige Wärme schlug dem durchfrorenen Heimkehrer ins Gesicht, genau das, was er jetzt brauchte. Der Schreck steckte ihm noch in den Gliedern. Dieses Gefühl der Orientierungslosigkeit war das Schlimmste gewesen. Er, der eigentlich jeden Zentimeter und Wattwurm persönlich kannte. Sven zog die schweren Boots aus und stellte sie vor den noch glimmenden Kamin. Aufatmend ließ sich der erschöpfte Mann auf die weiche Couch sinken. Auf dem Tisch stand eine Flasche Holsten Pilsener, ein Zettel lehnte an ihr: Gute Nacht, Du treulose Tomate! Ach, der Robert ... Sven griff nach dem bereitliegenden Öffner und labte sich wenig später an dem Gerstensaft. Was für ein Tag, was für eine Nacht, was für eine Frau. Marleen ... Er wusste nichts von ihr und doch war die wenige Zeit, die sie gemeinsam in der „Strandmuschel“ verbrachten, von einer bedeutungsvollen, schicksalsschwangeren Schwere. Sven stellte die Flasche auf den Tisch und legte sich auf die Couch, er griff nach der auf der Lehne liegenden buntgemusterten Decke, zog sie über sich und versank fast unmerklich im Land der Träume.

Lautes Pfeifen weckte Sven. Der Duft von Spiegeleiern und starken Kaffee zog durch das Wohnzimmer. Robert stand anscheinend gut gelaunt in der Küche und kredenzte das Frühstück. Sven schälte sich aus der Decke und setzte sich auf. Seine blonden Haare standen kreuz und quer, als habe er in der Nacht mit den Fingern in der Steckdose geschlafen. „Na, Du alte Schnarchnase, wie ist das werte Befinden? Hast Du es nicht mehr ins Bett geschafft?“ Robert stand im Türrahmen, in blaues Flanell gehüllt, gut gelaunt und ausgeschlafen seinen Freund angrinsend. „Hör bloß auf, letzte Nacht wäre ich fast ersoffen.“ erwiderte Sven genervt. „Wieso das? Bist Du blöd? Annelore hing doch den aktuellen Gezeitenplan an die Pinnwand, für jeden sichtbar und gerade Du, der die Ecke und das Meer kennt wie seine Westentasche, droht fast abzusaufen, wie ein doofer Touri, der von Ebbe und Flut soviel Ahnung hat, wie ein Yanomami-Indianer von einem Quantensprung?“ Verblüfft sah Robert Sven an. Dieser lächelte kläglich. „Ja, ja, ist ja gut. Der Dorfbulle hat mich gerettet.“ Kurz schilderte Sven das Erlebte in der letzten Nacht. Robert horchte auf. Eine Frau? An Svens Stimmfarbe erkannte er, wie sehr diese Frau seinen Kumpel beeindruckt haben musste. „Und wo ist die Schöne jetzt?“ fragte er lauernd. „Keine Ahnung.“ antwortete Sven grummelnd. „Na, dann komm, erst mal frühstücken.“ Wenig später war der Tisch gedeckt, fluffige Brötchen, starker Kaffee und dazu Roberts berühmte Spiegeleier mit gebratenen Tomaten, Käse und jeder Menge Tabasco.

Am Nachmittag reiste Robert wieder ab. Beide Männer umarmten sich. „Mach‘s gut, Alter, und sage dem blanken Hans, wenn er Dich wieder scheucht, lege ich ihn trocken.“ „Keine Sorge, ich achte jetzt auf den Gezeitenplan, das kannst Du mir glauben. Grüße Deine Hübsche und Karl.“ Robert wuchtete den Trolley in seinen BMW-Combi und stieg hinter das Lenkrad. „Wir sehen uns, Alter.“ „Ciao.“ Weg war er und Sven fühlte sich ziemlich alleine, verwirrt und irgendwie unruhig. Gut, dass er gleich zu der „Strandmuschel“ musste. Arbeit lenkte ihn von seinen merkwürdigen Gedankengängen ab. Wenig später stand Sven unter der Dusche und das heiße Wasser brachte endgültig seine Lebensgeister zurück. Ob er Marleen wieder am Strand treffen würde? Er musste sie einfach wiedersehen. Sie ging ihm nicht mehr aus dem Kopf.

Sven ging durch St.-Peter-Ording zu seinem Weinhändler. Die Sonne strahlte von diesem friesisch-blauen Himmel und auch der Wind strich milder über Svens Wangen. „Moin, Hinnerk.“ „Moin, Sven. Brauchst Du Nachschub?“ Sven sah in Hinnerks wettergegerbtes Gesicht. „Klar, ich nehme 15 Flaschen von dem Grauburgunder und 12 von dem Tignanello." „Alles klar, mache die Bestellung fertig und lasse Sie Dir dann liefern." Die beiden Männer klönten noch eine Runde, dann verließ Sven den Laden. Die Straße füllte sich. Die ersten Touristen belebten das Stadtbild und Sven freute sich schon auf den Beginn der Saison. Das Handy klingelte. „Ja?“ „Hi, Chef, Annelore, ich bin dann um 13 Uhr im Restaurant.“ „Alles, klar, ich komme auch gleich. Ciao.“ Sven stieg in seinen Jeep und fuhr Richtung Böhl. Es war einer dieser klaren Tage, von strahlender, leuchtender Schönheit, an dem sich die nordischen Farben besonders tief ins Herz gruben. Sven war weit gereist, doch er kam einmal mehr zu der Erkenntnis, das dies der schönste Flecken Erde auf der Welt war. Er stellte das Radio an, RSH. Der launige Moderator verkündete für die nächsten Tage sonniges, aber kaltes Wetter. Sven fuhr die Strandauffahrt hoch, hielt an. Die silbernen Wellen des Meeres, ein einsamer Lenkdrachen, der seine Kreise zog, emsige Möwen und Strandläufer suchten im Schlick nach Fressbarem.

Zu Svens unbändiger Freude erspähte er Marleen und Hector auf dem Deich. Sie trug wieder ihren hellen Wollponcho und die Sonne küsste ihre roten Haare und ließ es so aufleuchten, dass es wie ein kupferfarbenes Flammenmeer aussah. Sven stieg schnell aus dem Wagen und rief laut: „Marleen! Marleen!“ Doch die schöne Frau schien ihn nicht zu hören und war wenige Augenblicke später auf einem sandigen Nebenpfad des Deiches abgebogen. Sie ging vermutlich in das Kiefernwäldchen. Sven stieg schnell in das Auto und fuhr dorthin. Er stellte den Wagen ab und bog ebenfalls in den Seitenweg ein. „Marleen! Marleen!“ rief er laut und ging den Weg entlang Über Sven lachte gackernd eine Möwe. Der blonde Mann sah sich um. Nichts, Marleen schien wieder einmal so schnell verschwunden zu sein, wie sie aufgetaucht war. Das Einzige, das Sven erblickte, waren Abdrücke zierlicher Frauenfüße auf dem sandigen Boden. Sven seufzte. Mist. Er musste zum Lokal. Unschlüssig stand er noch eine kleine Weile da, dann drehte er sich seufzend um und ging Richtung Wagen.

Trotz des gut gefüllten Strandrestaurants schweiften Svens Gedanken immer wieder zu Marleen. Er ertappte sich dabei, dass er immer wieder suchend über den Strand sah, doch vergebens. Bei jedem Öffnen der Tür schlug Svens Herz einen kleinen Moment höher, doch Marleen ließ sich an diesem Tag nicht blicken.

• Fortsetzung folgt - *zwinker*
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@Ginger2014
Grandios. Ich freue mich auf die Fortsetzung. Schönen Sonntag. Peter

Übrigens bin beeindruckt, dass Du einen Tinianello kennst.
Wen es interessiert ...
Feierabend! Der letzte Gast verließ gerade die "Strandmuschel". Sven machte die Kasse und war mit dem Ergebnis mehr als zufrieden. Annelore werkelte noch in der Küche herum. Sven sah nach ihr. „Man, perfekt.“ sagte er lachend und steckte der Blondine 50,00 € zu. „Chef!“ „Hast Du Dir heute redlich verdient. Ich bin sehr zufrieden mit Dir, Du hast ein gutes Auge, weißt die Kunden zu nehmen.“ lehnte Sven etwaigen Dank ab. Er konnte sich glücklich schätzen, auf Anhieb eine derartig fleissige und mitdenkende Kraft gefunden zu haben. „So, jetzt mach einen Abflug.“ Sven grinste. Marleen ließ sich das nicht 2 x sagen. „Nacht, Chef.“ Sie verließ die Küche und ging pfeifend zur Ausgangstür. Sven blieb zurück. Er seufzte und sah auf die Uhr. Höchste Zeit die „Strandmuschel“ zu verlassen. Ein zweites Mal würde ihm das Glück bestimmt nicht Florian schicken.

Sven öffnetete den Küchenschrank und entnahm ihm die Taschenlampe, die er wohlweislich mitgenommen hatte. Er zog sich seine Jacke an, ließ noch einmal den Blick schweifen. Keine Kerze brannte mehr, alles aus. Sven trat ins Freie und verschloss die Tür. Der Wind schien fast eingeschlafen zu sein. Der sternenklare Nachthimmel erstrahlte in seiner ganzen mystischen Pracht und der große Mann stand wie damals als kleiner Junge staunend unter diesem samtig-schwarzen Firmament, dann ging er über den Strand Richtung Parkplatz. Der Lichtkegel seiner Taschenlampe tanzte über den Sand. Sven stockte. Das waren doch eindeutig Hundespuren, da im Sand vor ihm. Der Mann leuchtete weiter. Die Abdrücke führten geradewegs auf das Wasser zu. Sven folgte ihnen. Und da! Fußabdrücke von zierlichen Frauenfüßen. „Marleen?“ rief Sven in die Dunkelheit hinaus. Nichts, nur das Rauschen der Brandung war zu hören. Nachdenklich ging Sven zu seinem Jeep. Er drehte sich noch einmal um, leuchte in die Nacht, doch zu dieser späten Stunde war der Strand wie leer gefegt. Sven stieg in den Wagen und fuhr zu seinem Haus. Er fühlte sich einsam und Sehnsucht wallte ihn im auf. Obwohl er Marleen gar nicht kannte, vermisste er sie, ihre Gestalt, ihre Stimme, einfach ihre Nähe. Sven öffnete die Haustür und trat in den Flur. Der Anrufbeantworter blinkte, Sven hörte ihn ab: „Hi, Sven, Robert hier. Na? Wie geht es Dir. Melde Dich mal, ich möchte Neuigkeiten über die Fremde hören.“ Ja, Robert, schön wären Neuigkeiten, doch da gab es nichts. Sven öffnete eine Flasche Wein und belegte eine Scheibe Roggenbrot mit Schinken. Danach ging er in das Wohnzimmer, legte die Füße auf den Tisch und gab sich seinem einsamen Mahl hin.

Der nächste Morgen zeigte sich von seiner nebeligen, grauen Seite. Alle Geräusche schienen gedämpft, die Menschen schemenhafte Schatten, in den Bäumen hingen silberne Netze aus Raureif. Sven fuhr zur „Strandmuschel“ und begutachtete die Vorräte. Es war 10 Uhr und es schien, als würde sich der Nebel heute gar nicht mehr lichten. Die See lag in bleiernem Grau, kein Windstoß versetzte das Wasser in Wallung, eine spiegelglatte Fläche lag vor dem Auge des Betrachters. Die Melancholie des Tages legte sich über Sven. Er drehte das Radio lauter und wenigstens die Musik suggerierte Fröhlichkeit. Es klopfte an der Tür. Sven stutzte. Die Kellnerinnen? Er ging zur Tür und sah durch die Glasscheibe. Marleen stand vor der Tür und lachte ihn an. Schnell öffnete Sven. „Marleen.“ Ungestüm umarmte er die zierliche Frau. „Na, das nenne ich eine Begrüßung.“ Marleen trat ein, Hector folgte schwanzwedelnd. „Komm, setz Dich. Möchtest Du etwas trinken?“ „Oh, ja, mache mir bitte einen Pharisäer.“ bat Marleen. Sie setzte sich hin, Hector verzog sich in seine Lieblingsecke. Sven kredenzte zwei Gläser des alkoholischen Heißgetränks. „Bitte schön.“ Er setzte sich zu Marleen und sah unverwandt in das zauberhafte Gesicht. Ihre grünen Augen erwiderte seinen Blick. Sven streckte die Hände aus und ergriff Marleens. „Du hast mir gefehlt.“ Marleen lachte. „Was macht meine geheimnisvolle Schöne hier? Du musst mir jetzt alles erzählen, sonst lasse ich Dich nicht mehr gehen.“ „Nun, ich lebe in Husum, ich besitze dort eine Galerie, bin 36 Jahre alt, allein lebend, natürlich ist da noch Hector. Hier habe ich mir vor Jahren ein Häuschen zugelegt, das ich nur zu gerne besuche, wenn der ganz normale, alltägliche Wahnsinn in Husum mir zuviel wird.“ Marleen entzog Sven ihre Hände und rührte mit dem Löffel in ihrem Pharisäer. Dann nahm sie einen Schluck. „Meine Güte, hast Du das Mischverhältnis verwechselt?“ „Du hast mich abgelenkt.“ erwiderte Sven und lachte schelmisch. Verliebt blinzelte er Marleen an. Hector schien in das Land der Hundeträume entschwunden zu sein, er winselte und seine Hinterläufe zuckten. Bestimmt machte er gerade sämtlichen Kanichen hinter den Dünen den Garaus.

Der Nebel lichtete sich. Eine fahle Sonne lugte hervor, zaghaft tastende sonnige Finger, die den grauen Schleier lüfteten, wie ein Akteur den Vorhang bei einer bevorstehenden Theaterpremiere. Die ersten Strandspaziergänger liefen am Wasser entlang. „Hast Du heute Zeit?“ „Du, ich habe hier heute leider volles Programm. Nachher haben wir eine geschlossene Gesellschaft.“ bedauerte Sven. „Nun, egal. Sehen wir uns wir vielleicht nach Feierabend?“ „Ich denke, dass ich mich hier um 18.00 Uhr davonstehlen kann. Annelore hat alles im Griff.“ „Gut, ich muss nachher sowie noch einmal nach Husum zurück, ein Kunde möchte sein Domizil einrichten und will sich ein paar Bilder angucken.“ Marleen strich sich die roten Haare aus dem Gesicht und Sven konnte wieder den Blick nicht von ihr wenden. Die hohen Wangenknochen, der sinnliche, schön geschwungene Mund, den er so gerne küssen würde. Das Verlangen überkam ihm, fast schmerzhaft und doch sogleich lustvoll. Marleen sah den veränderten Ausdruck seiner Augen und rückte etwas von Sven ab. Er bemerkte ihren Rückzug, sie schien sich zu verschließen, wie eine Auster. Ihr Lächeln wirkte jetzt etwas unsicher und sie wich seinem Blick aus. Die unverhohlene Lust in seinen Augen machte ihr etwas Angst. Eine Liaison war das Letzte, was ihr vorschwebte.

Nach vielen Irrungen und Wirrungen in ihrem Leben suchte sie einen Hafen, vor dem sie Anker werfen konnte. Ob Sven dieser Mann war? Sie sah ihn an, seine blonden, widerspenstigen Haare, der markante Drei-Tage-Bart, die sensiblen Hände. Oh, ja, er konnte ihrem Herzen gefährlich werden, doch den Schlüssel dazu verbarg sie noch gut. Sie gab ihn nicht leichtfertig heraus, diesmal sollte das Schloss dazu passen, denn es blieb ihr wahrscheinlich nicht mehr viel Zeit. Marleen wusste seit 2 Tagen, dass sie an einem Gehirntumor erkrankt war. Der vorläufige Befundbericht lag in Husum auf ihrem Küchentisch und präsentierte in sterilen Worten, wie schnell das Leben von Licht in Schatten wechseln konnte: Raumforderung im Corpus callosum, DD Schmetterlingsgliom; Vorstellung der Patientin im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf zwecks weiterer Differentialdiagnostik wird dringend angeraten.

Im Schein der immer stärker werdenden Sonne sah Marleen in Svens Augen und für einen Moment fühlte sie so etwas wie Glück. Sie wollte nur eins: Zeit.

• Fortsetzung folgt . *zwinker*
Etwas Warmes braucht der Mensch ...
Kurz vor Feierabend betrat Marleen die „Standmuschel“. Sven grüßte freudig. „Ich bin gleich fertig. Annelore, machst Du hier den Rest? „Klar, Chef.“ Annelores flinke Augen musterten neugierig die schöne, rothaarige Frau, die im Flur wartete. „Tschüss, bis morgen.“ Sven schlüpfte in seinen Parker und gab Marleen die Hand. „Hallo, Marleen.“ sagte er warm und den Ausdruck seiner Augen empfand Marleen als wohltuend und tröstlich. Sie wollte in dieser Situation nicht alleine sein. Svens zurückhaltende Aufmerksamkeit tat ihr gut und sie spürte in sich einen Hunger auf das Leben, auf die Liebe. Gott, sie wollte doch nur leben. Ihr war nach Weinen zumute und Sven sah, dass sich ihre grünen Augen verschleierten. Besorgt ergriff er Marleens rechte Hand und zog sie vor die Tür des Bistros. Ein schneidener Wind kam auf, tiefe Wolken jagten über das Meer, das sich zu einem grauen Ungeheuer erhob, die Vorhut seiner Wellen an den Strand spie und gierig den Sand verschlang. Marleen und Sven gingen Hand in Hand zum Parkplatz. Sie setzten sich in den Wagen. Stille, keiner sagte ein Wort. Sven nahm wieder Marleens Hände. „Was ist los? Dich bedrückt doch etwas?“ bohrte Sven. Marleen sah ihn an und ihre Augen schrieen geradezu um Hilfe. „Nicht hier.“ würgte die traurige Frau hervor. Sven schwieg. Er startete den Wagen und beide fuhren Richtung St.-Peter-Ording, zu Svens Haus.

Eine Viertelstunde später, die in vollkommener Stummheit, vonstattengegangen war, erreichten sie ihr anvisiertes Ziel. Sven parkte den Wagen vor dem Carport, ging um das Auto herum und öffente Marleen die Tür. Wenig später standen beide im Flur des Hauses. Marleen sah sich um. Es wirkte alles so heimelig, gemütlich, ja, wie ein Zuhause, das einen umfing und die raue Realität direkt vor der Tür aussperrte, wie einen unliebsamen Gast. Der Wind nahm immer mehr zu und pfiff um das Haus. Laut Radio wurde ein Sturm für die Nacht erwartet und das Land duckte sich bereits vor der heranziehenden Armee der Naturgewalten. Sven führte Marleen in das Wohnzimmer. Diese ließ sich in die weiche Couch sinken. „Möchtest Du einen Cappuccino?“ „Etwas Stärkeres wäre mir lieber.“ erwiderte Marleen und versuchte zu lächeln, was kläglich misslang. Svens Besorgnis wuchs. Was war mit seiner schönen Bekanntschaft geschehen? Ihre Traurigkeit konnte man geradezu greifen. Sven ging zur Bar und kredenzte zwei Dimple. Schweigend reichte er Marleen das Glas und prostete ihr zu. Sie leerte das Glas in einem Zug. Schlagartig verflog die Kälte in ihr, die sie seit Tagen gefangen nahm, ihr Herz einem Eisklumpen gleich in der Brust schlagen ließ, sie hatte Angst, einfach fürchterliche Angst. In wenigen Tagen war ihre heile Welt zusammengebrochen, das sorgsam gewobene Geflecht aus Erfolg und Sicherheit, verpufft in wenigen Minuten in einem MRT, das die Wahrheit ans Licht förderte. Man wurde ungefragt zu einem Spielball des Schicksals, auf dem man nunmehr auf einem maroden Kahn der Hoffnung gleich über die Wellen des Lebens jagte, ohne zu wissen, wo der Hafen war.

„Was ist los?“ fragte Sven drängend und sah in Marleens Gesicht. Sie sah ihn an. „Komm, her zu mir.“ bat sie den Mann und klopfte auf das Sofa. Sven stand auf und ließ sich neben Marleen nieder. Behutsam legte er seinen linken Arm und die zarten Schultern der Frau, die sich nun an seine Brust lehnte und tief Svens Duft einatmete. Ein Schluchzen erschütterte den schmalen Frauenkörper und Marleen fing an zu weinen. All die mühsame Contenance ertrank in einem Meer aus Tränen. Sven fühlte sich hilflos, drückte Marleen fest an sich und streichelte ihr etwas unbeholfen über die zuckenden Schultern. Nach ungefähr 10 Minuten ebbte der Tränenfluss etwas ab. Marleen kramte mit zittrigen Fingern in ihrer rechten Hosentasche und entnahm ein Tempotaschentusch. „Entschuldige bitte.“ wisperte sie leise und schneuzte sich die Nase. Dann hob sie den Kopf und sah Sven an. Selbst die Tränen konnten ihren Augen nicht die Schönheit nehmen. Sven beugte sich vor und küsste der traurigen Frau den letzten salzigen Tropfen sanft von der rechten Wange. Der Mann genoss den Duft ihrer Haut und in ihm keimte der übergroße Wunsch auf, dieses zerbrechliche Wesen an seiner Seite zu beschützen und zu behüten. Marleen wandte den Kopf und küsste Sven auf den Mund. Ein scheuer, zaghafter Kuss, der alles verdampfen ließ, was an Skepsis und Vernunft in den beiden Menschenköpfen noch vorhanden war. Jetzt gab es kein Halten mehr. Sven umschlang Marleen und sie überließ sich seinen starken Arm. In jenem Moment fand sie den Halt und Trost, das, wonach sie sich so sehr sehnte.

Mitten in der Nacht wachte Marleen auf und sah auf den nackten Mann neben sich, von dem nur ein breiter Rücken und ein verwuschelter Schopf aus dem riesigen Plumeau lugte. Marleen beugte sich vor und küsste Sven ganz sacht zwischen die Schulterblätter. Dieser murmelte im Schlaf und griente seelig. Marleen stieg leise aus dem Bett und hüllte sich in eine Decke, die am Fußende des Bettes lag. Dann trat sie an das Fenster und sah in die stürmische Nacht hinaus. Der Wind riss die Wolkendecke in Fetzen und ab und zu lugte ein fahler Mond totenkopfgleich auf die Erde. Marleen dachte an die vergangenen Stunden voller Leidenschaft und Ekstase. Sie konnte sich vollkommen fallen lassen, versunken, in den Mann, den sie erst seit Kurzem kannte und der ihr dennoch so vertraut erschien. Morgen, morgen würde sie mit ihm sprechen. Bis dahin gehörte die Nacht ihnen. Sie wollte sich an ihn schmiegen, ihn spüren und die Wirklichkeit wenigstens noch für ein paar Stunden verleugnen. Es konnte doch nicht schon alles vorbei sein, jetzt, wo es gerade erst anfing.
... Ach, ja, Fortsetzung folgt ... *zwinker*
*****ree Frau
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*top*

Das hOffe ich doch *g*
*******n69 Mann
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@Ginger2014
Ja aber bitte. Du hast einen tollen Schreibstil und weißt die Spannung aufrecht zu erhalten. Peter
Auf ausdrücklichen Wunsch ...
Der Morgen brach viel zu schnell an. Angespannt und blass saß Marleen am Esszimmertisch. Sven brachte ihr schweigend eine Tasse Kaffee, dann setzte er sich ihr gegenüber: „Ich bin ganz Ohr.“ sagte er nur und Marleen erzählte ...

Sven stand am Fenster und sah in den Garten. Die Sonne ergoss ihren goldenen Glanz in diesen Morgen, in einer Fülle und Pracht, die fast blendete. Sven nippte an seinem Cappuccino. Er drehte sich um und sah die verweinte Marleen an. „Wir schaffen das, gemeinsam. Annelore wird einige Tage das Bistro führen. Ich werde ihr von einer dringlichen Familienangelegenheit erzählen und dann fahren wir zum UKE nach Hamburg-Eppendorf, Du lässt Dich stationär aufnehmen. Ich werde immer an Deiner Seite sein.“ Sven kniete vor Marleen und sah sie eindringlich an. Sie hob den Kopf und versuchte etwas zu lächeln. Seine Wärme tat ihr so gut. Sie streichelte sanft über Svens blonden Schopf. „Da hast Du Dir ja einen Problemfall erster Güte angelacht.“ sagte Marleen traurig, doch Sven sah in ihren Augen einen Funken Hoffnung, Freude darüber, dass sie nicht alleine war. Ja, sie vertraute dem Mann da vor ihr und seine Nähe gab ihr Halt und etwas Zuversicht. Sven lächelte Marleen ermutigend an und griff zu seinem Handy. Er instruierte Annelore, erläuterte die Umstände seiner Reise aber nur vage.

Wenig später fuhren sie zu Marleens Haus, das außerhalb von St.-Peter-Ording in dem Örtchen Welt lag. Klein, schneeweiß, mit einem Reetdach, dazu ein alter Obstgarten. Sven sah sich um; ein bezaubernder Ort. Marleen lächelte und öffnete die Tür. Angesichts der niedrigen Räume musste sich Sven etwas bücken, wenig später standen sie in einem behaglich eingerichteten Wohnzimmer. Hector kam aus der angrenzenden Küche wie von der Tarantel gestochen hervorgeschossen. „Mein Schöner, verzeih mir. Komm, ab in den Garten." Schnell öffnete Marleen dem grauen Rüden die Haustür. Hector bellte laut und entschwand ins Freie. „Hübsch, hast Du es hier.“ sagte Sven uns sah sich um. „Ja, ich liebe dieses Haus. Es wurde 1930 erbaut, eigentlich war dies hier ein großer Bauernhof, doch der brannte vor ungefähr 20 Jahren bis auf die Grundmauern nieder, nur dieses Gesinde-Haus überstand den Brand. Es stand danach lange Zeit leer; der Garten war vollkommen verwildert, viel musste neu gemacht werden, so konnte ich es seinerzeit zu einem Spottpreis kaufen.“ erzählte Marleen. Sie stand in der Mitte des Raumes, sah so klein, zierlich und hilflos aus, dass Sven sie einfach in die Arme nehmen musste. Marleen überließ sich nur zu gern seiner Umarmung. Solange er bei ihr war konnte ihr nichts passieren. „Komm, rufe im UKE an.“ sagte Sven aufmunternd und küsste Marleens Stirn. Sie seufzte und ergriff nur zögernd das Telefon. Wie gerne hätte sie diesen Moment bis in alle Ewigkeit hinausgezögert ...

Die Aufnahme stand um 14 Uhr an. Sven brachte Hector zur „Strandmuschel“, der gleich schwanzwedelnd auf Annelore zulief. Sie streichelte den Hund und sah ihren Chef an. „Ich bin jetzt weg. Wenn etwas ist, Handy oder E-Mail. Ich danke Dir.“ sagte er dann warm zu der blonden Frau. „Geht klar, Chef. Nur keine Bange.“ Die Kellnerin lachte. Nein, Annelore kannte kein wankendes Weltbild, unerschütterlich wie ein Leuchtturm trotzte sie den Widrigkeiten des Lebens, immer mit dem Glauben, dass auch der stärkste Sturm irgendwann einmal Luft holen musste. Sven beneidete sie für ihr Gottvertrauen. Er verließ das Strandlokal. Wenig später fuhren Sven und Marleen los. Der stummen Beifahrerin brannten die Augen, als sie diesen lichtdurchfluteten Morgen einem Schwamm gleich in sich aufsog. Würde sie wieder zurückkehren? Sven ahnte Marleens Gedankengänge, drang aber nicht weiter in sie. Er war genauso angespannt und je mehr Kilometer der schnelle Jeep fraß, umso größer wurde Svens eigene Angst und Hilflosigkeit.

Marleen wurde stationär aufgenommen. Der Verdachtsbefund ließ keinen weiteren Aufschub zu. Nach einem Untersuchungsmarathon stand die Diagnose: Anaplastisches Astrozytom Grad III. Damit hatten sich die schlimmsten Befürchtungen bestätigt, nun hieß es, den Gorgonen ins Gesicht schauen zu müssen. Marleen stand wenig später für den nächsten Morgen auf dem OP-Plan.

Abends ging Sven in den Krankenhauspark und rauchte eine Zigarette. Marleen war völlig erschöpft und lag schon in ihrem Krankenhausbett. Die Schwester gab ihr eine leichte Beruhigungstablette. Sven sah in den Nachthimmel hinauf und schrie eine stumme Frage in die tiefe Schwärze: Warum? Wenig später ging der rastlose Mann zu Marleen zurück. Sie schlief und sah in dem Bett wie ein verlorenes, einsames Kind aus. Sven zog leise einen Sessel heran und setzte sich neben Marleen. Er nahm ihre kleine, kalte rechte Hand und hielt sie so lange, bis er einschlief.

Der Eingriff dauerte 5 Stunden. Sven verließ den Wartebereich nur für Toilettengänge und Zigarettenpausen. Unmengen schwarzen Kaffees flossen in diesen Stunden durch seine Kehle. Die Gemütsverfassung des Wartenden wechselte von Optimismus zu tiefer Hoffnungslosigkeit. Er sah die MRT-Bilder vor sich: Dieses hässliche Monstrum, das sich in dem Gehirn Marleens ausbreitete, wie ein Parasit; schon eine geraume Zeit darin wuchs und jegliche Lebensplanung zu Staub und Asche verbrannte. Als endlich die Tür zum OP-Bereich klappte, zitterten Sven die Knie. Der Professor erschien im Wartebereich. Er lächelte und spreizte Mittel- und Zeigefinger der rechten Hand zum Victory-Zeichen.



Die Sommermonate gingen als die heißesten in die Analen Nordfrieslands ein. Nie schienen die Nächte heller und leuchtender gewesen zu sein; das Leben pulsierte und die Sonnenuntergänge, die man Abend für Abend am Strand verfolgen konnte, versetzten jeden hoffnungslosen Romantiker in Ekstase. Die „Strandmuschel" war zu einer angesagten Location geworden, doch Sven hatte sich während Marleens Rekonvaleszenz aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Annelore übernahm seine Stellung und Sven merkte nach kurzer Zeit, dass er sich auf die resolute junge Frau absolut verlassen konnte.


Heute sah er wieder einmal nach dem Rechten. Sven stand in der „Strandmuschel“ am Tresen, trat dann in den Außenbereich und lugte durch die Glasscheibe. Das Meer zeigte sich heute wieder von seiner spiegelglatten Seite. Der Wind strich als warmer, liebkosender Hauch über die erhitzten Gesichter der Badegäste. Marleen stand unten am Wasser und warf Hector ein Stöckchen zu, das dieser begierig auffing und wild herumschleuderte. Marleen lachte. Sie drehte sich um, erblickte Sven und winkte wild, dann warf sie ihm eine Kusshand zu. Sven winkte zurück. Marleen trug einen grünen Badeanzug, der sich an ihren schlanken Körper schmiegte. Hector hüpfte in die Nordsee und versuchte eine darin dümpelnde Möwe zu fangen. Mit einem hämischen Gackern erhob sich diese in die Lüfte und sah auf den verdutzten Hund hinab. Marleen lachte erneut laut auf und watete tiefer in das Wasser, dann ließ sie sich in das kühle Nass gleiten und verschmolz mit ihm. Sie drehte sich auf den Rücken und sah in den tiefblauen Himmel hinauf. Eine Weile ließ Marleen sich von den Fluten treiben, im Einklang mit dem Meer, im Einklang mit sich. Vor einigen Monate musste sie befürchten, alles verloren zu haben und dann fand sie all das, wonach ihr Herz so lange gesucht hatte.

Die Therapien waren abgeschlossen, eine engmaschige Kontrolle blieb bislang ohne Befund. Der Feind schien das Feld geräumt zu haben, vorerst. Marleen ertrug alles klaglos, nur in manchen dunklen Stunden überkam sie eine namenlose Angst, doch die Helligkeit des Sommers und ihre Liebe zu Sven vertrieben die dunklen Gedankenwolken.

Sven verließ die Strandmuschel und ging über den Sand auf Marleen zu. Der Wind strich ihm die blonden Haare aus der Stirn. Es war ein Sommertag, der keine Schatten zuließ, sie verscheuchte, in ihre Schranken verwies. Sven wusste, dass das Schicksal ihnen ein kostbares Geschenk überreicht hatte: Zeit. Der blonde Mann sah seiner Wassernixe zu, wie sie fröhlich Hector mit Wasser bespritzte, den blonden Mann am Strand dann erblickte und aus dem Meer stieg. Svens Herz war schwer, voller Liebe und einer stillen, reinen Freude: Da war sie, seine Frau aus dem Meer.


• Ende *g* -
*******n69 Mann
6.463 Beiträge
@Ginger2014
Grandios. Wann kommt die Fortsetzung? LG Peter
********mart Paar
3.215 Beiträge
Nun ja, eine sehr schöne Geschichte, die ich gerne sofort gelesen habe.

Vielen Dank für die schönen Minuten des Tages.

Mr. & Mrs. Smart
*****ida Frau
16.821 Beiträge
sehr sehr
schön entwickelt! hat Spaß gemacht, vielen Dank *g*
@ Perseida
Ganz, ganz herzlichen Dank, steckt auch viel Herzblut drin ... *herz2* *g*
*****ree Frau
21.388 Beiträge
Wunderschön und danke für das versöhnliche Ende *g*

Shi
@ Shivaree
Das Ende ist zwar etwas "pilcherig", aber Dir zuliebe ... *lol*
*liebguck* mir ist es aber auch lieber so
Hach, hier sind ja nur Romantiker unterwegs *mrgreen* . *guckguck* . Nun, so soll es sein: Liebe überwindet alles ... *top* *herz2*
*****ree Frau
21.388 Beiträge
Ja, das war es, aber lieber so, als traurig *g*
Das bietet das Leben mehr als genug *snief*
@ Shivaree
Hast Recht, aber: Wenn das Leben nur Zitronen schenkt, mach Limonade draus ... *ggg*
********mart Paar
3.215 Beiträge
Kommt lasst uns Zitrusfrüchte pflücken gehen *g*
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