Thema mit großer Komplexität
Beziehungsdreiecke, Heimlicher Seitensprung, Daueraffäre, Zweitbeziehung – diese Bezeichnungen sind bewährte Steilvorlagen für die Thesen überzeugter Moralkeulenschwinger.
Weil sich verständlicherweise niemand gerne damit eins überbraten lässt, wurden bereits eine ganze Reihe Umschreibungen fürs Fremdgehen erfunden und schwirren durch den Äther. Schattenliebe, Freundschaft mit Extras, Seelenverwandtschaft. Hauptsache, es klingt nicht nach dem, was es in Wirklichkeit ist.
Keine Sorge: Die Moralkeule lassen wir stecken. Hier soll keineswegs die monogame Zweierbeziehung gepriesen und alles andere verteufelt werden! Solange alle Beteiligten einer Dreiecksbeziehung über die emotionalen und sexuellen Verbindungen im Bilde und einverstanden damit sind, kann dies ein sehr erfüllendes, positives Lebensmodell sein. Ob es nun als offene Ehe, Polyamorie oder als Beziehungsdreieck bezeichnet wird, spielt keine Rolle. Aber was, wenn es eben keine ehrliche, vertrauensvolle Liebe zu dritt (oder zu viert) ist, sondern ein ständiges Lügenspiel? Voller Heimlichkeit, Täuschung und egoistischer Alleingänge?
Okay, es ist passiert. Man hatte Sex mit jemandem, der nicht der Partner ist. Da war diese magische, fröhliche Stimmung zwischen euch, die Situation war erotisch-sinnlich aufgeladen, eine unwiderstehliche Anziehungskraft, eure Körper haben auf Autopilot geschaltet. Es war toll, es war ein One-Night-Stand und wird sich nicht wiederholen. Deshalb braucht auch niemand davon zu erfahren. Bis hierhin völlig unkompliziert.
Dann der erste Anruf, E-Mails, SMS. Aufflackernde Lust auf Wiederholung. Das zweite Treffen. Noch rauschhafterer Sex als beim ersten Mal, weil diesmal geplant und befeuert von einer gewaltigen Bugwelle aus Vorfreude.
Das dritte, vierte, zehnte Treffen. Einen Monat später, ein halbes Jahr später, und immer noch fliegen bei jeder Begegnung die erotischen Funken, wie man es in der Partnerschaft schon lange nicht mehr erleben hat.
Längst hat sich ein Lügen- und Alibi-Konstrukt etabliert, in dem man ohne größere logistische Probleme den ursprünglichen One-Night-Stand und die Beziehung unterbringt.
Das bohrende, schwarze Gefühl im Herzen allerdings, das lässt sich nicht organisieren und weglügen. Schuldgefühle dem Partner gegenüber?
Nicht nur. Was da wehtut, ist das Wissen, längst von einen locker-gutgelaunten One-Night-Stand in ein ernsthaftes Dreiecksbeziehungsdrama gestolpert zu sein, ohne den Übergang richtig zu registrieren.
Spätestens in dem Moment, in dem jemand klar wird, dass man mit Haut und Haaren in einer heimlichen Affäre festhängen, verliert die Geschichte ihren ursprünglichen Zweck: Spaß, Lust und vielleicht eine lockere Freundschaft nach dem Sex.
Statt dessen fühlen man sich verzweifelt, schwankt zwischen Sehnsucht nach dem Affärenpartner und Schuldgefühlen dem Lebenspartner gegenüber, wünscht sich die alten Zeiten zurück, in denen man sich in der Zweierbeziehung wohl und sicher gefühlt hat – und weiß dabei genau, dass man allein durch das illoyale Verhalten dieser Beziehung ebenjene Basis entzogen hat.
Wo ist man emotional abgebogen, hat man sich vom Partner abgewendet und sind in eine heimliche Dreiecksbeziehung geflüchtet?
Als es um die nie gekannte sexuelle Erfüllung ging?
Um Gespräche?
Lachen, unbeschwerte ausgelassene Albernheit?
Das Neue, Unbekannte, Aufregende?
Hat man es genossen, bewundert und angehimmelt zu werden?
Oder fühlte sich einfach die Unverbindlichkeit gut an?
Zwischenmenschliche Nähe ohne Hypotheken, Haushalt, Kindergeschrei und Ärger mit den Schwiegereltern?
Die Dreiecksbeziehung als Metapher
Die rein funktionale Dynamik einer Dreiecksbeziehung birgt viel emotionalen Sprengstoff und Konfliktpotenzial. Doch sie besitzt darüber hinaus auch einen starken Symbolcharakter. Die geläufigsten Motive und Assoziationen hierbei sind:
-Machtdemonstration
-Kompensation von Bindungsangst
-Verhindern von Nähe
-Marktwert testen
-Verlustangst durch Mehrgleisigfahren lindern
-Abgrenzung gegenüber dem Basispartner
-Sexuelle Wünsche ausleben, die für den Partner tabu sind
-Unbewusste Aggression gegen den Partner kanalisieren
-Unterlegenheitsgefühl kompensieren
-Eifersucht erzeugen um Aufmerksamkeit zu erhalten
Findet man sich in dem einen oder anderen Begriff wieder? Dann dürfte es relativ leicht fallen, sich von der Illusion einer großen Seelenliebe zu verabschieden und den Seitensprung bzw. die heimliche Affäre als das zu sehen, was sie ist: Mittel zum Zweck der Selbstheilung, Weiterentwicklung, Beziehungs-Überprüfung. Nutzt diese Chance, statt Eure Energie in das Aufrechterhalten eines Lügengebäudes zu investieren!
Eine Userin in einem Beziehungsforum stellte einmal fest (Zitat):
»Wenn Männer fremdgehen, sind es Schweine. Wenn Frauen fremdgehen, ist es Liebe.«