Extreme gegenseitige Anziehung, er eigentlich hetero
Liebes Forum,ich habe mich hier angemeldet, da mich eine Sache seit Monaten sehr beschäftigt.
Ich bin 30, schwul und hatte noch nie eine klassische Paarbeziehung. Allerdings – vielleicht ist meine Beziehungsstruktur etwas eigenartig – hatte ich schon sehr viele Affären. Unbedeutende One-Night-Stands, aber auch einfach Sex mit Freunden. Das erstaunliche hierbei ist, dass die meisten meiner Partner sich selbst als heterosexuell bezeichnen, oft auch eine Freundin haben. Hinter mir liegt eine unglückliche Liebe, welcher ich acht Jahre lang nachtrauerte. Eigenartigerweise lagen wir nie wirklich auf einer Wellenlänge und auch im Gespräch waren wir weit voneinander entfernt. Ich interessiere mich quasi für Themen aus allen Bereichen und diskutiere auch gern über diese, was ich eigentlich auch von einem potentiellen Langzeit-/ Lebenspartner erwarte. Eine Freundin fasste es mal so zusammen: "Beginnst du ein Gespräch, auch mit Fremden, wird es innerhalb von fünf Minuten äußerst tiefgründig, man vertraut dir nie ausgesprochene Dinge an. Am Ende geht es dann immer um Politik, Psychologie, Theologie oder Sex." Soviel zum gegebenenfalls hilfreichen Vorwissen.
Ende Juli ist es nun passiert. Ich war mit einigen Freunden in einer Kneipe, hatte aber weder die Tür noch den restlichen Raum im Blick und somit fehlte mir auch der Überblick über die anderen anwesenden Personen. Kurz bevor meine Freunde und ich nach Hause gehen wollten, hatte ich ein nie dagewesenes Gefühl. ich spürte eine unglaubliche Präsenz im Raum, die mich dazu zwang, noch zu bleiben.
Ich sah mich um und wusste instinktiv, dass ich mich neben den jungen Mann an der Theke setzen muss. Von vorne sah ich dann auch, dass es ein ehemaliger Freund meines Bruders ist, wir haben uns auch schon mehrmals gesehen und auch gut unterhalten. Diesmal herrschte allerdings eine enorme Spannung und Anziehung zwischen uns. Wir unterhielten uns sehr gut, gleichzeitig war eine seltsame Vertrautheit da – als würden wir uns schon immer kennen.
Als die Kneipe nun schloss gingen wir mit einigen anderen Gästen, u.A. der Bedienung, die uns auch beide kannte, in Richtung der U-Bahn-Station. Allerdings trennten wir uns, ohne uns zuvor abgesprochen zu haben, von den Anderen und liefen stundenlang bis 7(!) Uhr morgens einfach durch die Stadt. Durchgehend herrschte eine sehr gespannte Stimmung, man spürte, dass eine enorme Anziehung da ist. Zwischendurch äüßerte er, dass ihn mein "passives" Verhalten nerve, was ich nur erwidern konnte. Trotzdem waren die Gespräche weiterhin super. Wir trennten uns dann.
Einige Tage später schrieb ich ihn per Facebook an, ob wir uns treffen wollten. Wir verabredeten uns wieder in der selben Kneipe, "für ein Stündchen". Er fragte noch, ob es nicht etwas zu besprechen gebe. Ich ließ diese Frage mal offen, er schrieb mir noch, dass er sich schon sehr auf mich freue. Sofort war beim Treffen wieder eine unglaublich starke Anziehung vorhanden, wir waren absolut auf einer Wellenlänge. Kurz gab es eine Unterbrechung unserer "Verbindung", was wir beide sofort spürten und auch verbalisierten. Es war allerdings nicht unangenehm und ging auch nach kurzer Zeit wieder vorbei.
Aus der angekündigten Stunde wurden letztendlich 13 Stunden. Wir beschlossen nämlich irgendwann, an einen Ort der Stadt zu gehen, wo man eine gute Aussicht hat. So weit kam es aber nicht. Wir saßen plötzlich auf einer Treppe und küssten und berührten uns, als wäre es das selbstverständlichste der Welt. War es ja irgendwie auch. Nach längerer Zeit, mitten während der Knutscherei, sprang er plötzlich auf und fluchte fürchterlich. Er habe eine Freundin, was ich zuvor nicht wusste. Das Thema wurde immer ausgeblendet. Er setzte sich aber sofort wieder zu mir und wir knutschten weiter. Nach ca. einer Stunde beschlossen wir, in einer nahe gelegenen Nachtbar einen Absinth zu trinken. Er äußerte den Wunsch, dass wir uns dort "beherrschen", da man ihn vielleicht kenne. Aus der Beherrschung wurde nichts, wir setzten uns auf ein Sofa und das Spiel ging weiter. Anschließend gingen wir zu einer Parkbank, wo es zu einer sexuellen Begegnung kam, die ich in einerseits solcher zurückhaltung und gleichzeitig Intensität noch nie zuvor erlebt hatte. Es ist ja auch nicht viel passiert, es war aber trotzdem überwältigend. Danach sagte er, dass er nicht mehr wisse, ob er seine Freundin noch liebt. Zu mir äußerte er sich gar nicht. Was er wisse sei, dass er zunächst Abstand brauche.
Diesem Wunsch folgend, hatten wir über einen Monat keinen Kontakt. Es war aber trotzdem so, als wären wir uns nahe. Gefühlt nahe. Er schrieb mich dann Mitte September per Facebook an, wann ich denn wieder in der Stadt wäre – ich wohne eigentlich über 200km entfernt, er in meiner Heimatstadt. Es kam dann raus, dass er genau in der Zeit meiner Anwesenheit im Urlaub ist – ich wäre am Freitag mittags wieder gefahren, er am Abend angekommen. Spontan fuhr ich allerdings erst einen Tag später, worüber ich ihn allerdings nicht in Kenntnis setzte. So kam es, dass ich am Abend mit einem Freund in der Stadt unterwegs war. ER saß dann im Außenbereich eines Lokals, allerdings mit dem Rücken zu mir. Ich ging erstmal in den Innenbereich, fing an zu zittern, schwitzen und fast zu weinen. Meinen Freund schickte ich auf sehr direkte Art und Weise weg.
Als ich mich wieder beruhigt hatte, setzte ich mich zu ihm an den Tisch, wo auch seine Freundin saß. Diese hatte zwar durch Gerüchte (wir waren ja auch nicht sonderlich diskret) mitbekommen, dass er etwas mit einem Mann hatte. Sie wusste allerdings noch nicht, dass ich derjenige war. Die Stimmung zwischen ihm und mir war zunächst äußerst angespannt, das Gespräch oberflächlich und wir sahen krampfhaft aneinander vorbei. Dann trafen sich unsere Blicke – wir starrten uns an. Die Freundin realisierte, was vorging, stand auf und ging wortlos weg. Wir blieben sitzen, umarmten uns hielten Händchen und waren uns auch geistig äußerst nahe. Irgendwann kam seine Freundin zu uns, verlor kein Wort über die Situation, und fragte uns ob wir noch mit ihr und einigen anderen in eine Bar gehen wollten. Wir sagten zu, würden aber nachkommen.
Das klappte allerdings nicht ganz – wir blieben exakt an der Treppe unseres ersten Näherkommens hängen. Küssen. Nähe. Nichts von der Umwelt mitbekommen. Nach langer Zeit sah ich mal wieder um mich – die Freundin stand anscheinend schon eine Weile neben uns. Ich ging in die Bar die in der Nähe war, denn es kam zu einem fürchterlichen Streit zwischen den Beiden. Ich sah wieder auf die Straße, beide waren weg. Ihn entdeckte ich dann um die Ecke, er wollte zunächst wegrennen, blieb aber stehen. Wir sahen uns minutenlang in die Augen und fielen uns dann filmreif in die Arme. Irgendwann wollten wir den letzten Nachtbus nehmen – alle Linien fahren an einem Ort an. Genauer wollten wir zwei verschiedene Nachtbusse nehmen. Doch wir hielten uns fest, bis alle abgefahren waren.
Zum ersten mal erlebte ich ihn aggresiv, er zerkickte eine Bierflasche, die auf dem Boden stand und fing an zu weinen. Ich tat es ihm einfach mal gleich. Wir beschlossen dann, in einen nahegelegenen Park zu gehen und zu reden. Auf dem Weg dorthin kamen wir aber an einem Hotel vorbei – er packte Kondome aus und sah mich fordernd an. Doch meine Vernunft siegte. Im Park weinten wir einfach in Strömen, im Gespräch machte er mir allerdings klar, dass er kein Problem mit meinem Geschlecht, sondern vielmehr mit meiner "präsenten und einnehmenden Persönlichkeit" habe. Er meinte er müsse sofort gehen, redete wirr davon, dass das Schicksal uns zusammenführen werde, wollte mir dann auch seine neue Handynummer nicht geben, ging ein Stück von mir weg. Ich blieb sitzen, wir starrten uns weinend an, er hatte offenbar einen völligen Nervenzusammenbruch und rannte weg.
Ich konnte drei Wochen lang an nichts mehr anderes denken, als ihr mir plötzlich vor einer Woche seine Nummer schickte und sagte, dass er mich auf jeden Fall wiedersehen wollte. Wir werden uns nun Ende der Woche treffen, und ich habe Angst vor dem, was kommt.
Was ist das für ein Verhältnis? Wir sind uns unendlich vertraut. Ist das überhaupt Liebe? Es fühlt sich irgendwie größer an. Ich erwarte nicht, dass er sich von seiner Freundin trennt (ich glaube, sie sind noch zusammen). Ich wäre tatsächlich auch für andere Beziehungsformen offen. Was ich nicht will, ist einfach irgendeine Affäre zu werden – das wird aber glaube ich nicht passieren. Ich habe außerdem von anderen gehört – und das auch später aus einigen Nachrichten herausgelesen – dass er sehr belastet wirkt und verstärkt trinkt.
Ich möchte ihn mit seiner tollen Persönlichkeit, seinen vielfältigen Interessen und nicht zuletzt auch wegen seines Aussehens und Geruchs – schließe ich die Augen, rieche ich ihn tatsächlich – bitte nicht verlieren.
Weiß jemand Rat oder hat Erfahrungen in ähnlichen Situationen gesammelt? Mir wäre sehr geholfen.
Es ist nun doch sehr viel Text geworden, sorry.
Herzlichen Dank schonmal!