Sextrend Anilingus: Verpönt war gestern
Was lange als Tabu galt, ist mittlerweile salonfähig geworden und sogar im heterosexuellen Mainstream angekommen: Anilingus, auch "booty eating", "salad tossing", "rimming" oder "eating cake" genannt.
Die Aufmerksamkeit auf diese lange verkannte Sexualpraktik wurde nicht zuletzt auch wegen der Rapperin und Popsängerin Nicki Minaj angestoßen, die den Anilingus in ihren Songs häufig aufbringt. So macht sie nicht nur in ihrer Hit-Single "Anaconda" klar, dass ihre Boytoys auch an ihren Allerwertesten müssen: "He toss my salad like his name Romaine", singt sie. Oder auch sehr bildlich: "[I] let'em eat my ass like a cupcake".
Aber Nicki ist nicht die Einzige, die den Genuss von Anilingus zugibt. So taucht das Thema schon seit einiger Zeit in zahlreichen Hip-Hop-Liedern auf; ebenso scheint es ein beliebtes und schockierendes Motiv in TV-Serien zu sein, die sich besonders an weiße, heterosexuelle und vornehmlich hippe Frauen richtet. In einer im Internet viel diskutierten Folge von "Sex and the City" lässt sich die Anwältin Miranda von ihrem Lover den Po lecken, was zunächst als absurd und komisch, dann jedoch als äußerst lustvoll dargestellt wird.
Auch die Regisseurin und Indie-Ikone Lena Dunham greift diesen Trend auf und zeigt in der vierten Staffel von "Girls" ihre Figur Marnie beim Anilingus während eines heißen Quickies in der Küche.
"Ass is the new p*ssy"?
Der gefeierte Trend vom "neuen Oralsex" scheint solch hohe Wellen zu schlagen, dass sich selbst ernstzunehmende Portale wie salon.com zu so gewagten und homofeindlichen Aussagen wie "Ass is the new p*ssy" hinreißen lassen.
Dass eine solche Formulierung hoch problematisch ist und die Erfahrungen von Queers komplett unsichtbar macht, wird dabei nicht mitgedacht. Nur weil irgendwelche Heten jetzt den Anilingus für sich entdeckt und in ihr Standard-Repertoire aufgenommen haben, heißt das nicht, sie hätten das Rad neu erfunden. Es scheint viel eher, als wollen alle in Zeiten von "50 Shades of Grey" ein bisschen Kink in ihr Schlafzimmer bringen…
Lange galt Rimming in der heteronormativen Gesellschaft als unhygienisch, abstoßend und war mit homophoben Zuschreibungen besetzt. Jetzt wird diese Praktik aus dem (bisher vornehmlich) schwulen Kontext herausgenommen und heterosexualisiert. Dass dies jedoch in der queeren Kultur schon lange ein Bestandteil marginalisierter Sexualität dargestellt hat, wird dabei komplett vergessen.
Mit der Aneignung solcher Praktiken durch den heterosexuellen Mainstream findet einerseits auch eine begrüßenswerte Enttabuisierung des Anilingus statt, gleichzeitig stellt dies jedoch eine Unsichtbarmachung derjenigen dar, die lange dafür verpönt waren und sich anhören mussten, dass dies "ekelhaft" sei.
Ein neues Phänomen ist das jedoch nicht: Sobald etwas innerhalb der Gesamtgesellschaft vom heterosexuellen Mainstream vereinnahmt und somit sozial anerkannt wird, ist es schnell reingewaschen und gilt nicht weiter als verwerflich.
Der Anus ist das queerste Sexualorgan von allen
Doch diese bisher überwiegend queere Sexualpraktik soll nun ausgerechnet das neue kulturelle Pop-Phänomen sein?
Es gibt viele Gründe, Anilingus zu mögen, denn der Anus hat gegenüber anderen Sexualorganen einige Vorteile: Er ist super empfindlich und für Stimulationen hoch empfänglich. Er hat glücklicherweise keine reproduktiven Eigenschaften, sondern ist im Rahmen von Sex alleine für Lustempfinden und Genuss zuständig.
Hand aufs Herz: Der Anus ist das queerste Sexualorgan von allen. Nicht nur haben alle Menschen einen, unabhängig von Gender und biologischen Gegebenheiten können theoretisch sogar alle in den Anus penetriert werden und ihn geleckt bekommen – egal, wer sich wie identifiziert!
Wer bei solchen Fakten dann noch behauptet, der Arsch sei "die neue Pussy", hat anscheinend keinen blassen Schimmer davon, dass man nicht zwingend einen Schwanz und eine Pussy braucht, um guten, geilen Sex zu haben.