@träumer
Auch wenn du es noch x-mal wiederholst, wird es nicht richtiger. Kunst und Können haben (eh auch nur im Deutschen - im Lateinischen (ars) und im Griechischen (techne) schon wieder nicht) zwar ethymologisch die gleichen Wurzeln, aber Mensch und Weihnachtskarpfen hatten auch irgendwann mal gemeinsame Vorfahren. Seither ist Zeit vergangen.
Von der Antike, als Malerei und Bildhauerei niedriges Handwerk waren, mit Staub und Schmutz verbunden (die "freien Künste" waren da eher im JOY so selten beherrschte wie Grammatik, Rhetorik, Dialektik...) über das europäische Mittelalter, als Künstler in Zünften organisiert waren und möglichst genau ihren Meister kopieren mussten (von wegen Originalität und Einzigartigkeit...da ging's ums
Branding einer Werkstatt) über die Entkopplung des Kunstwerks von religiöser und politischer Propaganda in der frühen Neuzeit, die Repolitisierung im Barock, über die Begründung des freien Kunstmarkts im 19. Jahrhundert samt marketingtechnisch dringend nötigem Geniebegriff bis schließlich zur Konzeptkunst der Mitte des vergangenen Jahrhunderts: "Kunst" und die Definition dessen, was das genau ist, war nie statisch und ist bis heute einem permanenten Wandel unterworfen.
Seit Erfindung der Fotografie, maschineller Fertigungsprozesse von Objekten und Massenproduktion hat sich die bildende Kunst von der möglichst naturgetreuen Darstellung, ja überhaupt von der figürlichen Repräsentation abgewandt. In Zeiten von 3-D-Druckern ist Schnitzenkönnen ungefähr so toll und "kunstvoll" wie mit Bleisatz umgehen (wobei beides immerhin noch "Aura" hat - aber das ist wieder eine andere Geschichte, falls jemand Walter Benjamin gelesen hat).
Zentral ist für die Kunst die
Idee geworden.
Die kann immer noch in ein gegenständliches Bild, eine Skulptur o.ä. münden, muss es aber längst nicht mehr. Kunst kann inzwischen jede beliebige Ausdrucksform annehmen.
Nur die Idee, das Konzept zählt. Und dass sie ihrem Publikum zumindest so verständlich ist, dass es sich damit auseiandersetzen kann. Einverstanden sein muss es nicht.
Es gibt natürlich immer noch Bewertungkriterien für Kunst: es gibt gute Kunst / schlechte Kunst. Die Kriterien orientieren sich aber für die Fachleute, Kenner und passionierten Rezipienten (und ja, in diese Nische hat sich die Kunst seit etwa 150 Jahren zurückgezogen) nicht daran, ob es persönlich gefällt, ob irgendwer hier eine Fertigkeit zeigt, die eine Maschine längst viel besser umsetzen könnte.
Sondern:
• ob die Idee schon jemand vorher hatte
• ob die Umsetzung formal schlüssig ist - eine Performance, die das Thema weiblicher Zyklus mit einer Collage aus Schraubenschlüssel verbildlicht, mag weniger schlüssig sein, als die Analogie zum Stricken (Klischee weiblicher Tätigkeit; reale mit Frauen assoziierte produktive Fertigkeit seit Jahrtausenden; Zeitlichkeit wie im Bild vom Spinnen des Lebensfaden... weiße Wolle/Reinheit, Menstruation = Unreinheit... ).
• ob die Idee Potential für eine kritische Kontroverse hat
• ...
Ob es dem Stammtisch hier gefällt oder nicht: (zeitgenössische bildende) Kunst definiert sich heute ausschließlich dadurch, ob sie im Kunstmarkt als solche akzeptiert wird, also ob die jeweilige Idee und ihre materielle Umsetzung Käufer findet. Kann man kapitalistisch finden (ist es auch), aber leider nicht bestreiten.
Daher sind die lächerlichen Sprüche hier (Leute, das ist schon seit 100 Jahren - Picasso - nicht mehr witzig) à la "das kann ich auch" leider eine Themeverfehlung.
1. ihr macht es eben nicht
2. wenn ihr es macht, interessiert es keinen bzw. es kauft keiner und stellt keiner aus
3. daher ist es keine Kunst (und wenn ihr Malen könntet wie Tizian)
Dein Kunstbegriff, Träumer, hat sich noch in Wörtern wie Kochkunst, Kriegskunst, Kletterkünste, Reitkunst... enthalten und hat da sicher seine Berechtigung.
Er hat mit dem, was heute bildende Kunst ist, nichts zutun. Dass du dich außerhalb des System stellst ("für mich..."), ist rührend, aber in etwa so interessant wie die Meinung eines Kreationisten, der die Erdgeschichte vor 6000 Jahren beginnen lässt.
Ja, es ist wahr: Dieses System definiert sich hier selbst. Aber würde es das nicht tun, gäbe es keines mehr. Und das gilt für 3 x 3 Meter-Rembrandts (die übrigens in Werkstätten entstanden, in denen der Meister nur bei den besten Kunden ausschließlich selbst Hand angelegt hat...) genauso wie für Performances: Kunst braucht nichts anderes als sich selbst als Rechtfertigung. Und genau das ist ihre Stärke.