Dein Glaube an die Unveränderlichkeit gesellschaftlicher Zustände scheint unerschütterlich zu sein. Ich halte diese Deine Prämisse für ein interessiertes Argument, mit dem Du Menschenfurcht, Ängstlichkeit und Misstrauen rationalisierst. Deine Argumentation ist die eines Defaitisten, der die gefürchtete Niederlage so verinnerlicht hat, dass ihm die reale Chance entgeht, dass es doch einmal ganz anders kommen könnte. Zum Glück ist diese Art, die Welt zu sehen, nicht immer vorherrschend. Wäre dem so, würden Ehebrecherinnen immer noch im Sumpf ertränkt werden und Vergewaltigung in der Ehe wäre immer noch legal.
Ein besonders heikler Punkt ist dies hier:
****an:
wenn polymarie zweifel hat wie die umwelt reagiert,wenn sie unsicher sind ,ist das nicht wirklich der beste einstieg für irgend ein outing. mein gedanke ist,wenn ich zur "deutschen eiche " mutiere ,an der sich schweine in mengen kratzen können ohne das es mich juckt,hab ich die beste position da ich dort nicht angreifbar bin.
Zweifel und Unsicherheiten sind ein sicheres Kennzeichen jeder relevanten Entscheidung, sie bedeuten, dass es einmal um etwas wirklich Wichtiges geht. Weil der Mensch ein soziales Wesen ist, ergibt jede wesentliche Veränderung in seinem Leben ein gewisses, mehr oder minder großes Konfliktpotential. Diese Konflikte muss man mit Geschick und Beharrlichkeit austragen, wenn man noch irgend eine eigene, individuelle Geschichte haben will und das Wort "Ich" nicht gleich aus dem eigenen Vokabular entsorgen möchte. Es ist regelrecht schlimm, wie Du genau in diesem Moment der berechtigten Zweifel prompt zur Stelle bist, um vom riskanten Schritt in eine größere Freiheit abzuraten. Ich hoffe, dass Du Deinen Freunden nicht so kommst, wenn sie Dir von ihren Träumen, Sehnsüchten und Plänen erzählen. Natürlich muss das Risiko erwogen werden, natürlich ist Vernunft ratsam. Aber Du bauscht das Risiko maßlos auf, als würde PolyMarie im ISIS-Kalifat leben. Angst ist und bleibt ein schlechter Ratgeber, und Lüge erniedrigt nicht nur den Belogenen. Ich sehe da das Gegenteil der berühmten deutschen Eiche, vielmehr einen Zynismus, der in seiner effektiven Feigheit über kurz oder lang den Menschen durchsichtig werden wird.
Oder dies hier, ich war wirklich baff:
****an:
also geht und outet euch als eine variante.
@******rie ihr und auch andere hier haben aber genau deswegen bedenken und vorstellungen wie es in die hose gehen könnte. hier könnt ihr also nur positiv überrascht werden oder eure bedenken werden eben bestätigt. bedenken die ihr sowieso schon als reale probleme auf euch zu kommen seht. dann aber bitte nicht über die borniertheit der anderen zetern,denn diese war im vorfeld glasklar.
Was erlauben? Wer hat diese bescheuerten Spielregeln aufgestellt? Man darf es also versuchen, vielleicht klappts, aber vielleicht auch nicht - Joiman hat es ja vorausgesagt - und dann darf man sich über Repressalien auch nicht beschweren. Weil man es ja eh vorher gewusst hat! Sag mal, was erzählst Du da? Wenn ich ein Coming Out mache, ist das nun einmal ein kleiner oder größerer Freiheitskampf, ein gewagter, biographisch äußerst wichtiger Schritt, der Konflikt ist vorprogrammiert. Die einzige Frage ist, ob der Konflikt so intensiv und aufreibend werden kann, dass die gewonnene Freiheit dadurch komplett an Wert verliert. Das kann tatsächlich keiner von uns für PolyMarie beantworten. Und wenn man es einmal gewagt hat und es gibt Repression, muss man diese Repression anprangern und bekämpfen! Dein Vorabverbot, dann zu "zetern", ist absolut unsolidarisch. Wenn auf dem Schulhof jemand von Größeren verprügelt wurde, hast Du da hämisch grinsend herumgestanden und gesagt: "das hast Du nun davon"? So kommt es hier jedenfalls emotional rüber.
Und was soll diese Wettermetapher, dass Du Dir vom Regen nicht den Tag verderben lassen willst? Sag mal, machst Du zu jedem bösen Spiel gute Miene und freust Dich, dass man Dir nicht ansieht, was Du in Wirklichkeit denkst? Und glaubst Du ernsthaft, dass Du mit diesem
Don't-Worry-Be-Happy-Programm gut fährst? Für mich klingt das nach einem Leben in Dauerverstellung, wo man sich ständig vor dem nächsten sozialen Gewitter zu ducken hat, und das man anscheinend unmöglich ändern kann. Das ist nicht
happy, sondern extrem finster, was Du da sagst.