Das BDSM-Land
Ich greife jetzt mal das ein Bild auf in Eurem Text, dass mir sehr gut gefällt:
Man kann das Land des SM auch mit Fallschirm, Sicherheitsgurt und Lebensversicherung betreten – aber dann spielt man in meinen Augen nicht, sondern gebärdet sich als Tourist.
Dieses Land, das BDSM-Land ist eine seltsame Föderation, denn es gibt nur wenige für alle Bürger geltende Gesetze. Vielmehr unterteilt es sich in viele kleine Stadtstaaten und Ländereien, eigentlich ist jeder einzeln stehende Bauernhof schon so unabhängig, dass er seine eigenen Gesetzte erlassen hat.
Ich betrete dieses Land nicht etwa mit einem Touristen Visum, um es mir mal unverbindlich anzuschauen, vielmehr habe ich in meiner Tasche einen Pass, der mich als Staatsbürgerin ausweist durch Geburt (ich will nicht den Topf angeboren oder in der Kindheit entstanden aufmachen, für dieses Bild ist es halt einfacher so).
Aufgewachsen bin ich in Vanilla-Land, habe dort meine Kindheit, Jugend und den größeren Teil meines bisherigen Erwachsenen Daseins verbracht, an meiner Seite mein Gefährte, der ebenfalls erst vor ein paar Monaten zwischen all seinen persönlichen Unterlagen seinen Pass gefunden hat, der ihn als Staatsbürger des BDSM-Landes ausweist.
Im Vanilla-Land sind wir klar gekommen, haben aber immer wieder mal den Eindruck gehabt, dass irgendwas nicht passt, die Gesetzgebung uns zu einschränkend ist und es doch noch was anderes geben muss, als dass, was Dr. Sommer zu unseren Problemen zu sagen hat.
Unsere Mitmenschen in Vanilla-Land verstanden unsere Probleme nicht und bis ich diesen, meinen Gefährten gefunden hatte, hatte ich immer den Eindruck, dass es an mir läge und ich wünschte mir manchmal, dass das Leben in Vanilla-Land für mich genauso einfach zu bewältigen sei, wie für Menschen, die ich in meiner Umgebung kannte.
Mit dem Finden unserer Pässe gingen uns Lichter auf und viele einzelne Puzzleteile fanden nun einen Platz. Als nächstes begannen wir Reiseführer über das BDSM Land zu verschlingen, denn klar war: Wir wandern aus in unser Heimatland.
Aufgrund unserer Sozialisation in Vanilla-Land waren wir natürlich auch besorgt, denn es gibt nicht nur Reiseführer geschrieben von einheimischen BDSMländern zu kaufen sondern auch jede Menge Flugzettel und Schriften von Vanillaländern verfasst, die eindringlich vor der Einreise ins BDSMLand warnen. Und ja, man kann Versicherungen abschließen, Rücktransport Versicherungen, und natürlich haben wir die abgeschlossen, bevor wir mit Sack und Pack in unsere uns unbekannte Heimat gezogen sind, das haben wir schließlich unser Leben lang so gelernt.
Und mal ehrlich, nicht alles in Vanilla-Land war schlecht, wir haben da viel Gutes erlebt, lassen möglicherweise Freunde zurück, können unseren Familien nicht alles über unsere neue Heimat erzählen, weil sie es unverständlich und beängstigend finden würden.
Wir waren beide nicht kreuzunglücklich und verzweifelt, sonst hätten wir vielleicht schon länger mal in unseren Papieren nach Hinweisen geschaut, ob wir nicht als Kinder vertauscht worden sind.
Es war immer nur so ein kleines Nagen im Hinterkopf, ein immer ein bisschen unbefriedigt sein mit den Zuständen in der Vanilla-Republik, ein immer mal wieder rumsuchen nach Alternativen, dass aber im Alltagsgeschäft oft lange brach lag. Und bei allem, was wir über BDSM-Land zu wissen glaubten (zum Beispiel, dass alle Einwohner uniform in schwarzem Lack und Leder einherzugehen haben) sind wir nie auf die Idee gekommen, dass wir da hingehören könnten.
Und bei der Ausreise hatte ich eine Träne im Knopfloch, bei aller Vorfreude auf das mir bestimmte Leben, einfacher wäre es gewesen, hätte ich mich so verändern können, dass ich angepasst und glücklich in Vanilla-Land hätte leben können.
Nun sind wir hier, haben unseren Hof bezogen und unter Zuhilfenahme der Reiseführer unsere ersten eigenen Gesetze erlassen. Und da wir in Vanillien groß geworden sind haben wir natürlich auch die dort herrschenden Gesetze, soweit sie uns gut schienen mit einfließen lassen.
Zunächst haben wir es genossen, endlich in der „Heimat“ angekommen zu sein, und begeistert erlebt, dass diese vielen Kleinigkeiten, die zusammen einen gewissen Leidensdruck ausgemacht haben im Vanilla-Land, hier nicht mehr gelten. Aber über kurz oder lang hatten wir natürlich auch -mh wie nenne ich es, Streit ist es nicht, noch nicht mal Auseinandersetzungen, sagen wir mal- „gemeinsame Überlegungen“ wie wir unseren Hof weiter ausgestalten und welche weiteren Regeln für unsere Länderei gelten sollen, was die Überlegung nahe legte, uns doch mal in den angrenzenden Länderein umzuschauen und zu sehen, „wie es die Nachbarn treiben“.
Hinzu kommt das Bedürfnis des Weibes, sich verbal auszutauschen. (Haben wir schließlich in Vanillien auch so gehalten) Also auf, gehen wir uns mal als die neuen Nachbarn vorstellen.
Auf manchen Höfen fühlten wir uns freundlich empfangen, durften hören, wie man es dort mit der Gesetzgebung hält und man freute sich, dass auch wir den Weg in unsere Heimat gefunden haben.
Andernorts aber fühlen wir uns mit diversen Problemen konfrontiert, die wohl jedem „Spätaussiedler“ bekannt sind.
1. sprechen wir die Landessprache nicht perfekt. Mit unserer Mischung aus dem angeeigneten Bdsmisch (das auch noch in jedem Landesteil einen anderen Dialekt hat) und Hoch-Vanillisch verstehen wir manchmal nicht genau was gesagt wird und müssen nachfragen und manchmal fällt es uns schwer, uns verständlich auszudrücken. Das dauert dann so seine Zeit und unsere Gesprächspartner sind oft ungeduldig. Auch kommt es hi und da zu Missverständnissen. Freundliche Menschen machen sich dann manchmal die Mühe, es uns noch mal auf Vanillisch zu erklären und wir lernen täglich ein paar neue Wörter BDSMmisch hinzu.
2. gibt es solche Einwohner des BDSM-Landes, die von Föderalismus nicht viel halten, und eigentlich finden, dass Ihre Regeln für alle gelten sollten. Sie missverstehen unsere Frage: „Erzählt doch mal , wie Ihr Euer Leben in Eurer Länderei gestaltet“ als Aufforderung, uns beizubringen, wie man es richtig macht. Dabei sind wir doch gerade hierher gekommen, weil wir uns darauf freuten, anders als in Vanilla-Land, unsere Regeln selber aufstellen zu dürfen.
3. Empfinden uns manche Alteingesessene als Zugereiste, Ausländer, Touristen. Das schmerzt besonders, denn in Vanilla-Land haben wir uns auch schon immer ein wenig fremd und anders gefühlt und wir dachten doch, wenn wir in unsere eigentliche Heimat reisen sind wir endlich zuhause und unter Gleichgesinnten.
4. Haben wir natürlich Souvenirs aus Vanilla-Land mitgebracht, die uns lieb und teuer geworden sind und von denen wir nicht lassen möchten. Wir finden, dass sie unser Leben im BDSM-Land nicht stören, wenn sie neben all den schönen neuen Dingen, die wir hier bekommen konnten auch einen Platz behalten. Aber es gibt hier Leute, die das unmöglich finden, Puritaner, die am liebsten unseren Hof einrennen würden, um diese Relikte aus einem andern Land zu zerstören. Ich verstehe, dass auch sie einst aus Vanilla-Land hergekommen sind und sich hier ein neues Leben aufgebaut haben. Ich verstehe, dass sie in Vanillien viel mehr als wir unter Unterdrückung und Verfolgung gelitten haben, den Ruf der Heimat viel lauter vernommen haben als wir und dass sie nicht an jene schlimmen Zeiten erinnert werden wollen und finden , das auch wir einen Schlussstrich ziehen müssten, wenn wir hier siedeln wollen. Aber ich mag meine schönen Andenken nicht missen. Mir sind sie ein Gewinn.
5. ….
So, nun habe ich endgültig den Rahmen eines Posts gesprengt und habe Verständnis, für jeden, der das nicht alles lesen möchte, zumindest aber habe ich in meinem Kopf jetzt vieles klarer und vielleicht versteht ja auch der ein oder andere warum mich die Thematik 24/7 vrs „nur mal spielen“ so brennend interessiert…
Am Ende schliessen wir die Worthülsenschubladen und Definitionsschränke und brauchen wir die Begriffe 24/7 und D/S gar nicht mehr und spielen einfach, was unsere Liebe bezaubert.
Das klingt wunderschön poetisch und ist für zwei miteinander vermutlich auf Dauer der ideale Weg, ein Ziel auf das wir zwei schon mal hinschielen können.
Aber
Wenn man sich mit anderen unterhalten möchte braucht man doch Begriffe und deren gemeinsame Definitionen.
Oder?
Gruß
Alre