Von den meisten lese ich, dass ER etwas an sich ändern sollte. Klar, man beginne immer bei sich selbst, das ist schon richtig. Dennoch habe ich ein wenig den Eindruck, dass deine Freundin es dir allein überlässt, an der Beziehung zu arbeiten, selbst aber nichts beisteuern möchte oder sich zurückzieht.
Ein Paar ist ein Paar, weil es zwei sind. Niemals würde ich behaupten, dass Probleme immer nur an einem von beiden liegen. Sie hat Wünsche dich betreffend geäußert, kritisiert aber dennoch, wenn du sie umsetzen willst. Für mich liest es sich so, als ob sie selber kaum wüsste, was sie eigentlich will. Es gibt gewisse Dinge in einer Beziehung, bei denen man Kompromisse eingehen und manchmal Sachen machen muss, die einem selbst nicht wirklich gefallen. Sich aber für einen Partner zu verbiegen, dem man es sowieso nie recht machen kann, ist schlicht Selbstgeißelung. Es wird dich zerstören und sie wahrscheinlich auch.
Wenn man an einem Punkt angelangt ist, an dem die negativen Aspekte einer Beziehung die positiven überwiegen, darf man, finde ich, für einen kurzen Augenblick auch mal komplett egoistisch sein und sich folgendes fragen:
• Was ist mit MEINEN Wünschen?
• Habe ich überhaupt noch Freude an dieser Beziehung?
• Ist die (gegenseitige!) Liebe so stark, dass man für die Beziehung kämpfen will?
• Lohnt sich das?
• Wie stelle ich mir die Zukunft vor?
Eine Partnerschaft ist Geben und Nehmen. Und das von beiden Seiten. Ich frage mich: Inwieweit hast du ihr mal deine Wünsche mitgeteilt (ohne sie zu kritisieren) und wie sehr ist sie darauf eingegangen? Wie sieht IHRE Selbsteinschätzung der Beziehung aus? Eine Beziehung kann nicht funktionieren, wenn nicht beide gleichermaßen an ihr arbeiten (wollen). Manche leben in der Vorstellung, Probleme würden sich von alleine lösen, sie denken, eine Liebe müsste immer so eidenschaftlich, gefühlvoll und intensiv wie am Anfang sein und falls sich Routine und Frust einschleicht, haben manche ein problem darüber zu reden oder können nicht akzeptieren, dass eine Beziehung auch Arbeit macht.
Mein Partner und ich haben auch ab und zu Probleme, auch mal größere. Das ist völlig normal und wir beide wissen, dass dies nicht bedeutet, dass diese Beziehung nicht funktionieren kann, nur weil nicht immer alles toll ist. Wir suchen das Gespräch, immer wieder und stetig. Ohne Kommunikation geht gar nichts und wir beide achten darauf, nur dann miteinander zu reden, wenn uns unsere Gefühle gerade nicht übermannen. Wir sprechen über Wünsche und Frust und wir BEIDE sind erwachsen genug einzusehen, dass wir Fehler machen können.
Unsere Beziehung sieht vor, dass es innerhalb von ihr drei Komponenten gibt: ER, SIE und WIR. Jede dieser Komponenten hat ganz eigene Bedürfnisse. Als Paar ist man nicht dazu verdammt, sein ganzes Leben nach dem Partner zu richten. Mein mann hat als Mann Bedürfnisse, die er auch alleine auslebt. Jeder von uns macht sein Ding, wir kleben nicht ständig aneinander. Aber wir sind auch ein Paar. Und auch als Paar haben wir gemeinsame Bedürfnisse. Wir achten darauf, dass jede einzelne Komponente unserer Beziehung gesund ist und differenzieren dort Bedürfnisse Und Probleme. Beispielsweise habe ich manchmal Probleme, die nichts mit unserer Beziehung zu tun haben und diese Probleme bringe ich auch nicht mit in die Beziehung. Ich löse sie alleine. Probleme, die unsere Beziehung betreffen, lösen wir zusammen.
Vielleicht können wir das so gut, weil wir stets darüber reden, wie wir uns unsere Zukunft vorstellen. Wir wissen, wo wir in zehn Jahren stehen wollen. Wir wissen, dass wir dort
gemeinsam stehen wollen. Also müssen wir auch gemeinsam daran arbeiten, dass sich diese Wünsche erfüllen.
Ich würde dir nicht raten, dich für deine Freundin zu verstellen oder ihr Wünsche zu erfüllen, bei denen du dich selbst unwohl fühlst. Dabei geht die Authenzität verloren und damit ist keinem geholfen. Es ist wichtig, dass auch du selbst dich frei entfalten kannst, genauso wie sie.
Ich empfehle dir also, mit deiner Freundin über deine Probleme zu reden. Konstruktiv streiten bedeutet in diesem Fall, nicht zu kritisieren. Sage ihr nicht, was dich an
ihr stört, sondern wie
du dich fühlst. Sprich mit ihr über deine Ängste, deinen Kummer. Und versuche, dass sie das auch tut. Ihr beide müsst euch klar darüber sein, wo ihr in zukunft stehen wollt, ob ihr eine gemeinsame zukunft haben wollt und wie eure Vorstellungen aussehen.
Bisher hatte ich den Eindruck, dass deine Freundin vor allem "fordert". Tu dies, tu das, das mag ich nicht, das mag ich schon... Es ist nicht gesund, wenn ein Teil eines Paares nur fordert, aber selbst nicht bereit ist, auf die Wünsche des anderen Teils einzugehen. Und vor allem ist es nicht okay, seinen Partner "erziehen" zu wollen. Warum hat sie sich in dich verliebt? Warum hast du dich in sie verliebt? Was hat euch gegenseitig angezogen? DAS sind Eigenschaften, die man sich bewahren sollte.
Ich würde nie etwas von meinem Mann verlangen, wovon ich weiß, dass er das eigentlich nicht möchte. Und ich würde auch nie verlangen, dass er bestimmte Charaktereigenschaften verändert, die ihm die "Echtheit" nehmen.
Wenn du nicht dominant bist, dann bist du es eben nicht. Es von dir zu verlangen, obwohl du dich mit dieser Eigenschaft nicht anfreunden kannst, ist einfach überdimensioniert.
Uns als Paar hält zusammen, dass wir auch unabhängig vom Partner eigene Sachen machen, aber auch, dass wir unsere Blockaden öffnen und
gemeinsam neue Dinge entdecken, auch sexuell. Etwas Neues zu erleben, wovon man hinterher begeistert ist, hat den Vorteil, dass man viel Positives mit dem Partner verknüpft. Und das kann nur förderlich sein!
Aus eigener Erfahrung weiß ich auch, dass das Gespräch mit Unbeteiligten sehr nützlich sein kann. Eine objektive Person kann einem manchmal den Kern des Problems offenbaren, auf den man selbst nie gekommen wäre. Eine objektive Person, gerade ein Therapeut, urteilt nicht. Er reflektiert die Tatsachen distanziert. Wenn deine Freundin nicht mit dir zur Beratung gehen möchte, dann versuch es erstmal alleine. Vielleicht schafft auch sie es, wenn sie erstmal alleine geht.
Ich finde es innerhalb einer Beziehung unglaublich wichtig, dass man Probleme gemeinsam anpackt. Will nur einer etwas ändern oder "retten", ist die Beziehung zum Scheitern verurteilt.
Darum solltest du dir auch optional Gedanken darüber machen, ob eine Trennung sinnvoll wäre, sollte deine Freundin bei der Problemlösung nicht mit dir an einem Strang ziehen.