Ingwer: eine kleine Philosophie
Wenn ich auf Ingwer beiße, seine Schärfe auf der Zunge spüre, sein Aroma schmecke, seine Wärme sich im Bauch entfaltet, ist es mir, als ob zwei Dinge zusammenfinden würden, die einfach zusammenpassen; wie zwei Teile einer Schatzkarte: ich und Ingwer –
Die Wärme im Bauch ist meine Wärme – ist jene Wärme, die ich fühle, wenn plötzlich eine Erinnerung an eines meiner Kinder auftaucht:
Oft unerwartet, während ich Auto fahre, höre ich das Lachen einer meiner Söhne, das aufbricht, ausbricht, hervorbricht, sich meckernd ausbreitet, dass die Kulisse zittert – die Welt wackelt und sich neu zusammensetzt;
es ist die Wärme, die ich fühle, wann immer ich einen Menschen betrachte – nur betrachte;
es ist die Wärme, die mich unweigerlich lächeln lässt.
Natürlich müsste ich nun irgendeine ErInnerung von jedem meiner Kinder einfügen – der Gerechtigkeit halber oder, um den Schein zu wahren, dass eine Mutter ALLE ihre Kinder IMMER gleich liebt.
Das tue ich nicht –
Ich liebe meine Kinder zu jeweils anderen Zeiten in unterschiedlicher Intensität und Qualität; manchmal in ihrer Gegen-wart, manchmal in meiner ErInnerung, manchmal verschließ ich mich vor ihnen und liebe sie später – plötzlich - mitten auf der Landstraße, während die Lärchen im goldenen Feuer gen Himmel lodern und das dunkle Grün von Tannen und Fichten dazwischen den Flächenbrand im Herzen beruhigt.
Noch überrascht mich die Liebe wie aus heiter`m Himmel:
Sie kommt mit einem Klang, einer Farbe, einem Geruch, einem Geschmack:
wenn meine Hände über das mit Seifenlauge gesättigte Schafwollfließ streichen, wieder und wieder, der Duft von Seife und Schafwolle sich vermengt mit dem Geruch von Holz, wenn Farben und Formen sich zu einem Bild verfilzen;
wenn die sinnliche Wahrnehmung eindringt, sickert, ankommt und echot in der Stille; Antwort findet oder Entsprechung, wenn sie sich anschmiegt ans passende Puzzleteil, das bis zu diesem Augenblick frei schwebte in mir.
So kann ich jederzeit, irgendetwas, irgendwen lieben, bis ich beginne darüber nachzudenken -
Wenn ich Yng-oder-wer bin, ist das nicht sonderlich von Bedeutung, dann zählt nur das Jetzt, und Jetzt ist alles richtig;
wenn ich Yng-wer bin, darf mir die Welt und Du mit ihr ein Geheimnis bleiben;
darf die Vergangenheit ein Irrtum sein und die Zukunft ein Rätsel;
lösen sich die logischen Schlüsse in Luft auf, werden zu Luftschlüssen, Luftschlössern, deren Haltbarkeit fragwürdig ist wie der Sinn des Lebens, an den zu klammern keinen Sinn macht.
Die Überheblichkeit ist mir zur Last geworden, dass ausgerechnet mein Leben, mein Dasein und Sosein unter all den Milliarden von Leben und Formen einen Sinn machen sollte:
Die unzähligen Fasern eines Wollfließ`s zusammen mit den unzähligen Fasern eines anderen Wollfließ`s in anderer Farbe verfilzen zu einem Bild unter anderen unzähligen Bildern.
Thats it – ich liebe das Kichern von Janis Choplin, mit dem sie diesen kurzen Satz begleitet am Ende des Liedes „mercedes benz“ –
Sobald man die Sinnlosigkeit erträgt, ist das Leben ein leichtes – thats it!
eingerollt wie eine katze in einer pfütze müden sonnenlichts umgeben vom glanz eines winters, in dem ein frühling wartet mit seiner feuchten erde, in die ich tulpenzwiebeln vergraben werde, in dem der sommer lauert mit seinem geruch nach harzen, der herbst, der die blätter auf den weg wirft und nach pilzen riecht… –