Allgemein: "Establishment" und Unabhängigkeit
Noch mal "Hallo" allerseits!
Was ich mir zum Thema "Establishment und Unabhängigkeit" schon lange denke (und vielleicht trotzdem noch nicht richtig auszudrücken weiß) ist das:
Wahre Unabhängigkeit bedeutet ja nicht, dem/den vorherrschenden Lebensstil(en) am effektivsten auszuweichen (denn das wäre ja nur indirekte anstatt direkter Abhängigkeit, aber ebenso eine Form von Abhängigkeit!), sondern, möglichst frei von Einflüssen von außen, in sich hineinzusehen und zu erkennen, was man in seinem Leben eigentlich wirklich will, und zielstrebig darauf zuzusteuern.
Falls diese Ziele (denkbar etwa: 1. Kinder, 2. Sicherheit, um seine Kinder ernähren zu können, 3. ein Ort, an dem man angenehm wohnen kann) nun denen vieler anderer Menschen ähneln (was nicht überraschen würde), entsteht möglicherweise von außen leicht der Eindruck einer unheimlichen Gleichförmigkeit, aus der man - fälschlicherweise! - schließt, diese Menschen würden die Ziele und Lebensinhalte anderer Leute mangels eigener Fantasie "kopieren"!
Ist es denn so unwahrscheinlich, dass sich mehrere Menschen unabhängig voneinander das Gleiche (was grundsätzliche Richtungen, nicht Details, betrifft!) wünschen?
Oder anders herum: Wie viele unterschiedliche und dabei noch realisierbare Lebensentwürfe sind überhaupt denkbar?
Man unterstellt den Menschen dann möglicherweise vorschnell "mangelnde Unabhängigkeit", da man es nicht für möglich hält, dass sich mehrere Menschen trotz tatsächlicher jeweiliger Unabhängigkeit für die gleichen Optionen im Leben entscheiden.
Ich weiß ja nicht, wie jeweils der Begriff "Establishment" gefasst wird, was im einzelnen Fall dazugehört und was nicht, aber ich halte es für möglich, dass eine große Zahl von Menschen früher oder später unweigerlich einen von recht wenigen "vorgegebenen" (aber eben natürlich, nicht gesellschaftlich vorgegebenen) Lebensentwürfen zu realisieren versucht, und dies nicht aus mangelnder, sondern eben sehr wohl vorhandener (anfangs beschriebener) "wahrer" Unabhängigkeit heraus.
Auch jeder Non-Konformismus, der von mindestens zwei in Verbindung stehenden Menschen gleichzeitig getragen wird, wird durch die Gruppe unweigerlich zu einem Konformismus. In diesem zu verharren ist... nun, Konformismus eben, und das Heraustreten aus dem Non-Konformisten-Konformismus ein echterer Non-Konformismus... etc.
Kurzum, definiert man Unabhängigkeit aus der Abgrenzung zu einem vermeintlichen feststehenden Establishment, gerät man dabei in einen logischen Wald, und unterschlägt die Möglichkeit zur selbstständigen, mündigen Entscheidung eines unabhängigen Subjekts für Lebensoptionen, die auch aus anderen (natürlichen) Gründen attaktiv sind als nur dem, dass eine breite Masse sich bereits für diese entschieden hat.
"Kann ich denn etwas dafür, dass so viele andere vor mir wollten, was ich aus mir heraus unabhängig will und immer gewollt hätte? Muss ich mich deswegen als ´fremdgesteuert´ o.ä. betrachten? Nein. Im Gegenteil, es wäre alles andere als unabhängig, mich jetzt dem Non-Konformitäts-Druck, dem zwanghaften Individualismusfetischismus zu beugen und meine Entscheidungen als ´spießig´zu verwerfen!"
-->
NATÜRLICH bleibt dann etwa dieser Einwand:
Es ist unmöglich, "unabhängig" in sich hineinzusehen! Es ist eine Illusion, zu glauben, das, was ich will, wäre unabhängig von meiner Biographie in jedem Fall dasselbe, auch, wenn ich anders aufgewachsen wäre. Es gibt keinen gleichbleibenden "Kern", auf den ich hören könnte, da ich von jeher sozialen Einflüssen ausgesetzt bin und mein Inneres zu jeder Zeit davon
geprägt wurde!
In diesem Fall verwirft man aber die Idee der Unabhängigkeit schlechthin, und damit auch die Möglichkeit, sie von anderen einzufordern.
-->
Und: Wie weit kann ich den Menschen verantwortlicher- und glaubwürdigerweise "predigen", das was sie zu wollen meinen, sei in Wirklichkeit gar nicht das, was sie "eigentlich" wollen (oder wollen "müssten")? Ich kann ihnen, so meine ich, schlechthin nicht sagen "Du bist so geworden, wie du bist, weil du die Kraft zu eigenem Denken nicht mehr aufbringen konntest und dich unter dem Anpassungsdruck der Illusion hingabst, du würdest das, was du wähltest, aus eigenen Stücken wollen."
Was ich allenfalls machen
kann: Sie vorsichtig dazu auffordern, ihre Ziele im Leben immer wieder mal zu überdenken...
Wie gesagt, diese Gedanken sind ziemlich aus dem Stegreif formuliert, und könnten bestimmt einiges an Verfeinerung ertragen, dessen bin ich mir bewusst?
Vielleicht versteht trotzdem jemand, was ich meine, und kann auf inhaltliche, nicht Rechtschreib-) Fehler und nicht-Bedachtes aufmerksam machen?
T.