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Ein einziger Kuss

**********lerin Frau
722 Beiträge
Themenersteller 
Ein einziger Kuss
Wenn ich zurückdenke ...

Es war ein Feuer, das weiß ich noch. Es brannte bis in den Himmel, und anders als Neonlicht und Xenon-Scheinwerfer wurde es nicht heller als die Sterne. Seine roten Funken flogen empor und verglühten, während das kalte Weiß der kleinen Punkte zwischen den nachdunklen Wolken unberührt auf uns hinabblickte.

Der Mann hatte mir Unbehagen bereitet, auch das weiß ich noch. Er war ein wenig zu perfekt. Wenn ein Feldbett zusammenbrach, hatte er einen Gummischlauch, mit dem man die defekte Stelle reparieren konnte. Beim Schneiden des Gemüses hatte er ein Ersatzmesser dabei, Schwämme, Spüli, Feuerschale mit Löschsand und 'für den Notfall' einen zweite Kocher. Was auch immer unser Lager benötigte, er war vorbereitet. Mit ruhiger Stimme sagte er "ich weiß eine Lösung", und ich stand daneben und war beschämt, denn ich war die Hauptverantwortliche für unser Lager.

Ich als Lagerchefin hatte an nichts davon gedacht.

Ich hätte nicht sagen können, ob ich den Perfekten mochte. Er war neu in der Gruppe und zerstörte die entspannte Lässigkeit, die ich mir für den Urlaub wünschte. Alle anderen in meinem Lager konnte ich fühlen. Wir waren eingegroovt. Ich spürte ihre Ängste und ihren Stolz, ich teilte ihre Freuden und ließ mich von ihnen zum Lachen bringen, und wenn ich die Aufgaben verteilte, drückte sich niemand.

Wenn der Perfekte mir Vorschläge machte, wie ich Lagerorganisation verbessern könnte, forderte er damit nie meine Autorität heraus. Für so etwas war er zu höflich und zu korrekt. Er nahm mich immer nur in einem unauffälligen Augenblick beiseite und erklärte mir ruhig und sachlich, was ihm aufgefallen war und wie man das Problem seiner Ansicht nach lösen könnte. Und weil er recht hatte, setzte ich all seine Vorschläge um. Unser Lager war noch nie so ordentlich und hübsch gewesen – und ich hatte mich noch nie so unbehaglich darin gefühlt. Gefühlt war all diese Perfektion ein Angriff meinen Führungsstil, und ich knirschte mit den Zähnen über meine Unvollkommenheiten.

Welche Frau mag Leute, die immer recht haben, die alles richtig machen, aber deren Menschsein sie nicht fühlen kann?
********chaf Mann
7.457 Beiträge
JOY-Angels 
Puh.

Ich weiß nicht, ob ich es in meinem Profil jetzt immer noch stehen habe.
Es stand jedenfalls aber dort: Wer perfekt ist oder sein will, schreibe mich bitte nicht an. Denn Perfektion gibt es nicht.

Ist vermutlich jetzt nicht mehr drin, ich stehe aber immer noch vollkommen dahinter. *ja*

Just letzte Woche habe ich wieder feststellen können, dass ich echt sowas von nicht perfekt bin *lol*
Strich zwei Wände in meinem Bad, war auch echt akkurat, aber als es ans Pinseln ging, äh ... dazu sage ich jetzt nichts. *snief*

Insofern: Sollte irgendeine Dame, die mich zuhause besucht, perfekt drauf sein, dies sehen, und ich für sie raus sein, dann ist das so.
Sie wäre es für mich dann auch. Genau deswegen.

Lieber ein bisschen unperfekt sein,
dafür aber glücklich.

*g*
********chaf Mann
7.457 Beiträge
JOY-Angels 
Ach ja, ich war zwar nicht angesprochen (ich bin keine Frau), dennoch:

Mir geht es exakt wie dir.
Wenn ich das Menschsein nicht fühlen kann, dann werde ich mich niemals in sie verlieben können.
Niemals.
Denn ich liebe das Unperfekte. Jene, die mich das sein lassen, was ich bin, nämlich nicht perfekt.
Jene, die selbst perfekt sein wollen (oder es sind? Mir ist noch niemand begegnet, der es ist.), will ich nicht.
Weil sie von mir dann, natürlich, ebenfalls Perfektion erwarten.

Das bin ich nicht.
Werde ich auch niemals sein.
Und das ist auch gut so.

*g*
**********lerin Frau
722 Beiträge
Themenersteller 
Über das große Feuer herrschten in unserem Lager zwei Meinungen. Massenbesäufnis mit zu lauter Musik, sagten manche. Zu schade, dass es direkt in unserer Nachbarschaft stattfindet. Diese Leute stellten die Mehrheit meiner ansonsten sehr geliebten Gruppe, und irgendwie erwartete ich, dass der Perfekte ähnlich dachte wie sie.

Ich dagegen ging in der Dämmerung nach draußen und bewunderte den hohen Palettenstapel mit all den Brennholz zu seinen Füßen. An die vier Meter hoch war er gestapelt, und mein Herz schlug vor Bewunderung für die Menschen, die das alles ohne jede Höhenangst aufgebaut hatten. Jedes Jahr, wenn das Feuer brannte, stellte ich mich viel zu dicht davor. Ich musste es spüren. Diese Hitze, die meine Haut zum Glühen bringt, diesen Moment, wo aus einem in der Ferne brennenden zu groß geratenen Lagerfeuer eine Flammenwand wird, die direkt vor mir aufragt, links und rechts, die nach mir ruft, um mich hineinzustürzen, selbst, wenn ich dem Ruf widerstehe.

Nie wieder frieren.

Und dann kommt der Moment, in dem sie das Feuer anzünden. An drei oder vier Stellen flammt es hoch, das ist wichtig, damit der Turm nicht zur Seite stürzt, und irgendwo steht wohl auch die Feuerwehr. Nicht so dicht davorstellen, sagt mir jemand, und ich gehe gehorsam zwei Schritte nach hinten, bis der Wächter weitergegangen ist, dann tauche ich wieder ein in die Flammen. Lege den Kopf in den Nacken und kann kein Ende des Feuers erkennen, es lodert höher und weiter, als ich fühlen kann.

Es ist wie ein Sog.

Und dann spüre ich ihn neben mir. Der Perfekte. Er ist nicht bei den anderen geblieben. Sie betrachten das Prasselnde, Wilde, lieber nur mit ausreichendem Abstand. Er dagegen steht neben mir und hält mir seinen Cider hin. In seinen Augen flammt etwas, mit dem ich immer allein zu sein glaubte.

"Magst du ein solches Feuer auch so wie ich?", frage ich, was offensichtlich scheint, und plötzlich kann ich ihn fühlen.

"Ja", sagt er, und mein Fühlen vertieft sich. In seiner Stimme liegt etwas, was er sonst sorgfältig versteckt.

Das wilde, lodernde Rot vor uns ... Er spürt es wie ich, begreife ich. Er fürchtet es nicht, sondern will wie ich hineingesogen werden, um darin zu verbrennen. Plötzlich ist all die Perfektion nichts weiter als Sehnsucht, und ich spüre, wie sie Schicht um Schicht von ihm abfällt.

Gemeinsam blicken wir in die Flammen und ich fühle ihn, fühle-fühle-fühle ihn, er ist einer von meinen Leuten, einer aus meinem Lager, einer von meiner Art, er gehört zu mir. Ganz egal, wie sehr er versucht hat, es hinter Perfektion, Struktur und Verlässlichkeit zu verbergen.

"Warum versteckst du diesen Teil von dir normalerweise", frage ich ihn und nehme noch einen Schluck Cider, um zu zeigen, dass seine Fürsorge mir willkommen ist.
**********lerin Frau
722 Beiträge
Themenersteller 
Es ist eine seltsame Sache damit, andere Menschen zu fühlen. Es gab eine Zeit meines Lebens, in der war ich nicht in der Lage, Straßenbahn zu fahren. Zu viele Menschen, deren Emotionen aus allen Richtungen auf mich einzuprasseln schienen. Ein Angriff, unter dem ich zu Boden gehen wollte, ohne dass irgendeiner meiner Mitmenschen begriff, was mich quälte und warum ich so grimmig blickte. Und auch, wenn ich im Lauf der Jahre gelernt habe, mich abzuschirmen ... Es ist stets anstrengend geblieben.

Vielleicht mag ich mein Zeltlager deswegen so gern. Dort spüre ich die Emotionen der Menschen um mich herum ebenfalls, aber es ist nicht so bedrohlich wie mitten in der Stadt. Es sind keine Fremden mehr. Und wenn jemand ausstrahlt, dass es ihm nicht gutgeht, darf ich hingehen und nachfragen, trösten, helfen, anstatt mich wie sonst in der Öffentlichkeit so zu benehmen, als würde ich es nicht spüren.

Es tut mir gut, wenn ich mich nicht verstellen muss.

So dicht am Feuer brennt die Hitze meine Barrieren genauso weg wie die des Perfekten. Als die Feuerwache uns ein weiteres Mal auffordert, nach hinten zu gehen, hake ich mich ein und lasse ihn führen, und es tut gut. Warm und sicher bei ihm. Das Feuer wird größer und lauter, und ich tauche ohne Worte ein in das, was er ist. Barrieren über Barrieren, die etwas einsperren, was sich erst im Angesicht der aufflammenden und knisternden Holzscheite und vom Sturm abgerissenen Ästen aus dem Wald heraustraut.

"Es gibt da ..." Er zögert. "Es gibt da dieses Wilde in mir. Dieses ... Dominante, Aggressive."

Ich spüre ein leichtes Zittern und lehne meinen Kopf an seine Schulter. Das Feuer, das in ihm lodert, hat nur wenig mit Sex zu tun. Es ist archaischer. Kraftvoller. Zutiefst männlich, auf eine wunderschöne Art und Weise. Etwas, für das es in unserer Welt keinen Platz gibt, und hinter seinem Zittern spüre ich die Kisten und Kästen und Barrieren, die er gebaut hat, um seinen Platz in der Zivilisation zu finden und sich in jedem Augenblick seiner Existenz unter Kontrolle zu halten.

"Macht es dir Angst?", fragte ich leise und sanft. Das Feuer ist laut genug, und so dicht vor ihm fühle ich genug davon, um mein wildes, weiches Fühlen nicht länger hinter lauten und selbstbewussten Worten verstecken zu müssen.

"Manchmal schon", sagt er, und sein Zittern beruhigt sich unter der Wärme, die ich beim Streicheln seines Unterarms zu ihm hinüberschicke. "Aber ..."

"Ja?"

"Es ..." Er blickt mich an, und für einen Augenblick sehe ich in seinem Blick ein Feuer, das noch tiefer in der Erde entspringt als das große, vor dem wir stehen, das noch höher emporlodert und noch wilder verbrennen will. In diesem Blick liegt eine große Verletzlichkeit, zu groß für das, was Männer Frauen normalerweise zu zeigen bereit sind, und tatsächlich verschiebt sich der Blick nach einer halben Sekunde und wird schamvoll und ängstlich. "Es macht mir mehr Angst, wenn ich keine Angst davor habe, verstehst du?"

"Ja."

Ich schmiege meinen Kopf an seine Schulter und denke nach, während ich in die Flammen starre. Aus den Augenwinkeln sehe ich den Mann, den ich zu diesem Zeitpunkt liebe, aus einem anderen Lager, von dem ich gehofft hatte, dass wir in dieser Nacht endlich zusammenfinden würden. Doch der Perfekte steht neben mir am Feuer, und er gehört zu meinen eigenen Leuten. Ich fühle seinen Schmerz. Ich fühle, wie schön das Feuer in ihm brennt und wie schade es ist, dass er es nicht lieben kann.

"Hast du eine Freundin?", frage ich.

"Nein." Er erzählt, wie lange er schon allein ist, und zwischen den Worten spüre ich, dass es an dieser Kontrolle liegt. Wie soll man lieben können und weich werden, wenn die Barrieren zu perfekt geworden sind?

"Liegt es daran?", frage ich, obwohl ich die Antwort schon kenne. "An diesem Feuer in dir?"

"Ja." Die Antwort wird heftig hervorgestoßen. "Wie ... Wie kann ich einer Frau so etwas zumuten?"

Aus den Augenwinkeln werfe ich einen bedauernden Blick dorthin, wo eben noch der Mann gestanden hat, den ich zu diesem Zeitpunkt liebte. Er ist nicht mehr da, und ich nehme an, er hat mich gesehen, wie ich hier stehe. Aber jetzt, in diesem Augenblick, will mein Herz etwas anderes.

"Denkst du das, weil du Respekt vor Frauen hast?", frage ich und spüre, wie seine Barrieren unter meinen forschenden Geistfingern zurückweichen. Er vertraut mir, auch wenn wir uns kaum kennen, und ich vertraue ihm ebenso.

"Natürlich!" Er setzt zu einer Erklärung an, doch ich unterbreche. Ich weiß nicht, wohin es mich führt, doch in diesem Augenblick trägt mich etwas, Instinkt oder Feuer, ich kenne es kaum. Es ist etwas Uraltes, was in meinem Herzen aufflammt und das wilde Rot das Lagerfeuers in kaum weniger wildes Honiggold verwandelt, das sich wie ein Feld um mich herum aufbaut und den Mann neben mir einhüllt.

"Hast du Respekt vor mir?", frage ich, drehe mich aus seinem Arm und blicke ihn an.
**********lerin Frau
722 Beiträge
Themenersteller 
Es ist eine seltsame Sache, andere Menschen zu "fühlen". Ich hasse es, wenn mir das im Supermarkt oder der Schlange der Bäckerei passiert, aber es geschieht viel zu oft.

Am Feuer dagegen ... Da ist es wunderschön. Irgendetwas im Perfekten flackert, zart und verletzlich, wild und wunderschön. Es ist etwas Forderndes, was sich hinter Regeln und Zivilisation versteckt. Etwas anderes in mir reagiert darauf, wird weich und fließend und ich weiß nicht, wann ich zuletzt so wunderschön war.

Ich überlege. Etwas steigt auf in mir, was archaisch und uralt ist, aber ... Es wäre nicht richtig, dem einfach nachzugeben. Irgendwo in der Nähe ist der Mann, den ich liebe und von dem geliebt zu werden ich mir schon lange wünsche. Das hätte unsere Nacht werden sollen.

Gleichzeitig ist es der Mann neben mir, den ich fühle.

"Wir machen es so", erkläre ich und weiß nicht, woher die Worte in mir stammen. "Du darfst mir gleich einen Kuss geben, ja? Einen Kuss, nur einen einzigen. Damit du ... Damit du verstehst, was ich meine." Ich zögere noch. Worte sind schwierig. Unsere Augen verstehen sich, denn er ist in diesem Augenblick ganz Mann und ich ganz Frau, aber ... "Damit du aufwachsen kannst", finde ich die Worte, die in diesem Augenblick richtig sind. "Bist du damit einverstanden?"

Er schluckt und ich sehe, wie er zurückweichen will. Sich vor etwas erschreckt, was mir auch Angst machen würde, würde ich in diesem Augenblick nicht das große Feuer vor uns überall spüren, wie es die Zivilisation aus mir spült und etwas anderes in mir aufwachsen lässt, was genauso wild und verletzlich ist wie dieser Mann in diesem Augenblick.

Er lässt die Masken und Kisten und Stacheldrahtzäune fallen und wird gleichzeitig weicher und härter, als er vorher war.

"Was schwebt dir vor?", fragt er mich.
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