„Ich empfehle da mal das Buch: "Der Junge, der zu viel fühlte" von Lorenz Wagner.
Autismus ist keine Einschränkung der Gefühle. Man fühlt nicht weniger oder gar nicht. Das Gegenteil ist der Fall. Man fühlt zu viel, viel zu viel. Die Reize knallen nahezu ungefiltert ins Gehirn, der natürliche Filter funktioniert nicht so gut. Es wird überfordert und reagiert sehr vernünftig. Es startet einen Shut-Down. Wie ein überlasteter Computer, es verlangsamt/schaltet teilweise ab, um sich zu erholen. Daher wirken Autisten oft emotionslos oder gefühlskalt, in sich gekehrt. Oder sie lenken sich mit anderen Dingen ab, um aus der Überlastung wieder herauszukommen, wie z.B. routinierte Bewegungen/Verhaltensweisen/Ticks.
Wie stark der natürliche Reizfilter ausfällt und in welchen Bereichen (Akustik, Optik, Sensorik, etc.), ist sehr individuell. Daher gibt es auch sehr unterschiedliche Formen des Autismus.
Reizarme Umgebungen sind für Autisten ein Segen. Das reduziert die Überlastung.
Gleichzeitig geht die Überreizung aber auch mit krassem Verhalten der Kinder teilweise einher, das dann abgewertet wird und dadurch vom Kind dann oft unterdrückt wird, was dann auf Dauer diese vermeintliche Emotionsarmut/Roboterartike verursacht. Verhalten wird vermieden als Schutz und dass das wieder los zu lassen und wieder das tun, was sich eigentlich richtig anfühlt, ist der unmasking Prozess, oder (Wenn ich das so spät noch richtig hinbekomme).
Grundsätzlich sind Autist*innen doch durchaus sehr emphatisch und feinfühlig, weil viele Reize wahrgenommen werden. Als Schutzmechanismus vor nem Overload werden diese dann nur oft verdrängt oder ignoriert ODER man kann damit nicht umgehen, weil die Regeln dazu fehlen, welche Reaktion angebracht sind. Auch die eigenen Emotionen und Gefühle können zu viel sein. Ich meine in ner Studie gelesen zu haben, dass Autist*innen oft Probleme mit Emotionswahrnehmung/-regulation bei sich haben und auch Schmerz und Körperwahrnehmung nicht nur super empfindlich, sondern auch super abgedämpft sein kann.
Also nur, wenn die Überreizung nicht so groß ist, dass die Interaktion mit dem Umfeld so stark beeinträchtigt wird, z.b. durch non-verbalität etc. auf Grund mangelnder Kapazitäten des Gehirns neben den ganzen Reizen, noch den „normalen“ Entwicklungsprozess hin zu bekommen und deswegen oft ein nicht so großer Maskingdruck dem Kind gegenüber vermittelt wird.
So im Nachhinein betrachtet, sehe ich sehr klar an Kinderfotos, wo ich angefangen habe meine Gefühle nicht mehr zu zeigen (lächelt und lache nicht mehr drauf) und versucht habe menschliches Verhalten zu lernen (z.b. meine ich lese 100 Seiten die Stunde Bücher für Jugendliche und Erwachsene-Phase mit 10-12) damit ich nicht zu laut, zu unhöflich, komisch oder anders nervig bin. Overloads wurden im eigenen Zimmer durchs ins Kissen weinen und unauffälliges weniger körperliches Stimming immer häufiger.
Ich glaube also, dass das als klassisch autistisch wahrgenommene Verhalten null mit mangelnden Gefühlen, sondern eher mit Selbstschutz zu tun hat.
