Das Arrangement
1/6Mir ist klar, dass ich ziemlich privilegiert bin: ich bin 23 Jahre alt, studiere Jura in München und lebe in einem großzügigen Appartement, das meinem Vater gehört.
Anders als meine Kommiliton:innen muss ich nicht arbeiten, ich beziehe ein großzügiges Taschengeld. Ebenfalls von meinem Vater.
Nicht, dass Sie jetzt denken, er würde sich großartig um mich sorgen. Nein!
Er ist froh, dass nun auch sein Letztgeborener endlich „aus dem Gröbsten“ raus und dem elterlichen Anwesen am See ausgezogen ist.
Jetzt kann er nämlich all seine Mätressen (O-Ton meine Großmutter) oder Sekretärinnen (O-Ton meine Tante) oder Fickluder (O-Ton meine Brüder und ich) ins Haus holen, ohne Rücksicht nehmen zu müssen. Nicht dass er je groß Rücksicht genommen hätte, sind wir doch mal ehrlich.
Nach dem Tod meiner Mutter lebte er nur öffentlich aus, was er vorher eben mehr oder weniger heimlich getan hatte.
Und, typisch mein Vater, er rechtfertigte das auch noch mit finanziellen Überlegungen: jetzt könne er nämlich die Wohnung in der Stadtmitte - ja, die in der ich nun lebe - endlich vermieten, was bei den stetig steigenden Preisen in München ein lohnendes Geschäft sei.
Egal, soll er sein Leben leben, und mich meines leben lassen, damit fahren wir in dieser Familie alle gut.
Mehr oder weniger.
Meine Mutter war für derartige Überlebensstrategien - oder Abwehr- und Schutzhaltungen (es kommt, wie so oft auf die Betrachtungsweise an, das kann Ihnen jede:r gute Psychotherapeut:in erzählen!) - leider weniger gut gerüstet und es gibt Stimmen, nicht nur im weiteren Umkreis unserer Familie, die behaupten, sie wäre an der Kälte und Distanz in unserer Familie zu Grunde gegangen.
Das vermag ich nicht zu beurteilen, ich war noch keine 5 Jahre alt, als die Depressionen ihre Tage immer öfter und deutlicher überschatteten und hatte außerdem Frau Weber, unsere heißgeliebte Kinderfrau: die nicht nur mich, sondern auch meine 2 Brüder großgezogen hatte.
Die wilden Seeräuber hatte sie uns immer genannt.
Als ich dann mit knapp 8 Jahren aufs Internat kam, zu den Jesuiten, versteht sich - mein Vater legte bei seinen Kindern durchaus wert auf Zucht und Ordnung, auch wenn seine Moral, wie gesagt, fragwürdig ist - tauchte ich in diese Welt mit vollem Elan ein.
Ich weiß, wie kitschig das klingt, aber die Zeit in der fest eingeschworenen Gemeinschaft von Jungs hat mich geformt, beschützt und gehört zu den schönsten meines bisherigen Lebens.
Doch jetzt muss ich mich beeilen, ich habe mich etwas in Gedanken verloren….
Gleich kommt Frau K. und ich möchte wenigstens meine Wäsche halbwegs in Ordnung haben, so dass wirklich nur noch die Teile draußen liegen, die unbedingt gewaschen werden müssen.
Den Rest kann ich definitiv nochmal anziehen!
Ich öffne also die Schranktür und pfeffere alles rein, was ich nochmal brauche.
Tja, wie soll ich das mit Frau K. erklären?