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Das Ende der Eifersucht

Das Ende der Eifersucht
Die Nacht bringt keine Ruhe, geschweige denn Frieden. Ist das draußen tatsächlich ein Gewitter, das sich mit großem Getöse entlädt, oder höre ich nur das Echo meiner eigenen gespiegelten Unruhe und Anspannung?
Wie auch sonst finde ich hier keinen Schlaf - Träume wären in der jetzigen Situation wahrscheinlich sowieso nur albgedrückt voller Schrecken und ich bin froh, von ihnen verschont zu werden.
Aber zumindest bin ich auf dieser gekachelten Pritsche, wo ich liege, noch mit Masi zusammen. Eng aneinander geschmiegt liegen wir uns gegenüber. Sie schlingt ihre nackten, schlanken Arme um mich. Sanft und kühlend wie die Blütenblätter einer exotischen Blume. Sie sagt nichts. Es stimmt. Ja. Es ist keine Sinnestäuschung. Sie ist wirklich hier. Bei mir.

Ich habe keine Schmerzen mehr. Meinen rechten Fuß schaue ich mir gar nicht mehr an. - Was sie wohl denkt, was ich denke, wo wir uns mit Sicherheit wieder treffen werden? Und was denke ich, was sie denkt, wo wir uns mit Sicherheit wieder treffen werden?
An alles glaubte ich, gedacht zu haben. Auf der Karte hatte ich unseren Weg mit Rot gekennzeichnet. Kleine Wege. Unebene Wege. Abschüssige und steile. Auf jeden Fall zu schmale Wege für Fahrzeuge aller Art. - Stumm ist meine Wut über mich selber, denn die Posten haben uns trotz der sauberen Planung gestellt.
Hellwach durchlebe ich noch einmal, wie wir eilen, rennen, rasen, wie wir im feuchten Waldboden einsinken, wie es gluckst, wie vor allem das Blut in zuckenden Schlägen in meinen Schläfen hämmert; wie schließlich die Schüsse knallen, wie hinter uns die Erde aufspritzt. Und ich spüre noch einmal den heißen beißenden Schmerz in der rechten Fessel; sehe mich, wie ich mich aus dem schweren Rucksack schäle und wie ich trotzdem nicht mehr aufstehen kann.
"Renn' Masi, renn'!" - Warum sollen zwei zugrunde gehen, wenn einer allein sich retten kann!? "Renn' Masi, renn'!" - Wir werden uns gewiss in Heidelberg wiedersehen. Diesem gemeinsamen Mittelpunkt unserer Leben, an den du jetzt sicher auch denkst, wo du studiert hast, wo ich studiert habe, wo wir uns schließlich schon einmal gefunden haben, vor 15 Jahren, beide damals 3000 Kilometer von Zuhause weg in der Fremde.

In meiner wattierten Jacke, die sie mir nach dem Filzen gelassen haben, haben sich schon lange geheime Fächer und Winkel und Ecken gebildet. Die Ungeduld und ängstliche Erregung nimmt zu, als ich sie abtaste. Schließlich finde ich im Zwischenfutter, was ich gesucht habe: Das alte zerschliessene schwarzweiße Passfoto aus dem Automaten von Masi, das ich schon verloren glaubte.
Mit großen Augen sieht sich mich ernst und vorwurfsvoll an. Ich weiche ihrem Blick aus, aber ihrer Stimme, die den Raum füllt, kann ich nicht entkommen: "Es bringt nichts, gegen das Schicksal anzurennen. Alles, was geschieht, ist etwas Geschicktes und ist für etwas gut. Nimm es an!"
Aber diese Plattitüden sind kein Trost für mich, verzeih'! Ich spüre doch, wie das Tor zum Tod bereits offensteht. Und daran kann ich weder Schönheit noch eine höhere Ordnung erkennen. Wenn überhaupt, dann gibt es nur noch den einen Trost für mich, dass ich für dich etwas mittrage, quasi für dich mitleide oder dir etwas abnehme ...

Wenn ich hier nicht mehr rauskomme, Masi, was wirst du machen? Einfach weiterleben? Bald einen neuen haben? Mich vergessen? In einem absoluten, glücklichen, spurlosen Jetzt ohne Vergangenheit?
Nein, ich bin dir nicht böse. Das ist nunmal der Lauf der Dinge. So ist das Leben. Und du bist noch gar nicht mal alt. Wenn überhaupt, dann bin ich auf das Leben böse. Auf dieses Leben. Mein Leben. Auf die Ungerechtigkeit. Diesen Verrat des Lebens an mir. Die Zukunftslosigkeit. Diesen Abschluss. - Aber was ist schon gerecht, wunschgerecht!?
Hat wirklich jemand behauptet, wir seien für einander gemacht gewesen!? Untrennbar!? Dass wir für immer einander gehören!?
Wer weiß schon, dass du so viel mehr bist als eine Partnerin, Gefährtin, als meine Frau!? Alle meine Widersprüche löst du auf, gleichst du aus. Nicht nur wenn ich in dir bin, finde ich eine paradiesische Heimat, du bist in jeder Hinsicht Quelle, Labsal, Ansporn, Inspiration, Motor, Gutgehen ... du bist, wo ich hingehöre ... wo ich hingehörte.

Weil ich nicht mehr stehen kann, knie ich vor der Reihe der Soldaten. Die Sonne geht mit grellem, blendendem Licht auf. Masi steht neben mir und fordert mich auf, nicht hinzusehen, besser noch die Augen zu schließen, dann sei es leichter. "Es ist nur ein kurzer Augenblick, ein sehr kurzer."
Mir kommt es vor, als wäre sie schon in einem anderen Leben und wollte sich nicht länger als unbedingt nötig mit mir abgeben, als käme sie einer letzten etwas lästigen Verpflichtung nach, um endgültig abschließen zu dürfen, um endlich irgendwo anders ungehindert neu anfangen zu können ...
Entgegen ihrem Rat schließe ich meine Augen nicht. Der Himmel ist unschuldig hellblau. - Vollzieht sich etwa unter solcher Kulisse der Übergang ins Jenseits? Schön und rein und unbefleckt?
Die Läufe der schräg nach unten auf mich gerichteten Gewehre der Soldaten verwandeln sich in Sonnenstrahlen. Deren Licht ist so stark und klar und weiß, dass es mit unheimlicher Kraft alles Schwere von mir nimmt und in sich einsaugt ... Als ich das sehe, habe ich sogar jetzt noch eine letzte Frage, eine, wie sie mich mein Leben lang begleitet haben, ob es nämlich nicht erbärmlich ist, wenn das Letzte, das man hört, das Durchladen des Erschießungskommandos ist?

Die vorliegende Kurzgeschichte ist frei erfunden, auch wenn ich darin Erfahrungen aus Bosnien als Angehöriger der EUFOR verarbeite
*******nic Mann
388 Beiträge
Ich finde es immer schwierig, jemanden anzusprechen, obwohl da kein Name ist.
Meist laß' ich es dann auch. Bei Dir kann ich nicht anders.
Ich weiß gar nicht, wohin mit der Intensität, die Du weckst. In einem Atemzug soviel Liebe und soviel Schmerz.
Danke, daß Du das in Dir Gefundene so zugänglich machst.

Thomas
Danke, @*******nic - aber ich könnte, mit welchen Worten auch immer, nichts in dir ansprechen, was nicht sowieso schon da wäre; insofern ... sei stolz auf dich.
******a79 Frau
1.024 Beiträge
Wahnsinnig atmosphärisch geschrieben, mein Kompliment. *hutab*
*******ing Frau
454 Beiträge
Intensiv, direkt und dennoch sphärisch.

Kompliment für die Dichte und dass Du diese mit uns teilst.
Hier die Fortsetzung der Geschichte, die ich einer Freundin, die auch hier ist, versprochen habe - aber vielleicht interessiert es auch noch andere, was mich freuen würde:

Masi rennt

Masi liegt angezogen auf der Matratze mit dem löchrigen orange-gelben Spannbetttuch, von dem sie gar nicht wissen will, woher es stammt. Ihre Privatsphäre beschränkt sich auf zwei Meter in der Länge und auf einsfünfzig in der Breite. Abgetrennt von anderen nur durch Wäscheleinen, über die alte Decken geworfen sind. Sie starrt leer und erloschen auf die hohe Decke der Sammelunterkunft für Flüchtlinge, einem leergeräumten Lagerschuppen der Bahn. - Sie blendet jeden Gedanken an Goran und dass sie getrennt sind, aus, sonst würde sie vollends verzweifeln.
Der Löffel in dem Glas mit dem Rest schwarzen Tees dicht neben ihr in der Kuhle des Rucksacks zittert, als ein Güterzug draußen vorbeidonnert.

Gruselig ist die Verfemtheit als Fremde in diesem Land, von dem sie sich ausgesperrt fühlt, obwohl sie doch mitten drin ist. Wie anders wurde sie noch vor Jahren als Erasmus-Studentin aufgenommen!? Aber jetzt als Flüchtling wird ihr von allen Stellen hartnäckig beigebracht, unnütz und überflüssig hier zu sein. Ja, es ist nicht einmal klar, ob sie überhaupt bleiben darf, ob sie nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen die Heimat verlassen hat!? - Ja, wissen die denn nicht, was Krieg bedeutet? Was Verfolgung aus ethnischen Gründen bedeutet ...
Als ob das nicht schon genug wäre, kommen noch die Widerwärtigkeiten der Entheimateten untereinander dazu. Diese Streitsucht! Der Neid! Das Misstrauen! ... Das Entbehren von jeder Sicherheit, die allgegenwärtige Angst.

Masi rennt. Sie flieht. Sie hält es nicht mehr aus. Sie rennt weg von der Enge, dem Lärm, dem Gestank der Baracke. Sie will zu sich. Sie will ein eigenes Leben. Sie will eine Chance. Wo sind ihre Bücher? Wo ist ein liebes Wort? - Sie fühlt sich so ohnmächtig und rennt.
Sie will nur bis zur Bahnunterführung in ca. eineinhalb Kilometern Entfernung und zurück. Sie rennt und schämt sich schon: Ist sie nicht gerade dabei die anderen zu verurteilen, für was sie gar nichts können, zu verraten, im Stich zu lassen, weil sie doch eigentlich zusammengehörten und sie beistehen und helfen sollte?
Sie rennt zwischen Rädern, Kinderwagen, dem umherliegenden Spielzeug und vor allem jeder Menge Abfall durch und fühlt ein glühendes Raunen in ihrem Unterleib und wie es sich in ätzenden Kreisen bis zu ihrem Herz ausbreitet - poch, poch, der Schweiß bricht ihr aus und lässt ihren Haaransatz glänzen ...

Sie rennt. Sie rennt wie um ihr Leben. Die Nacht tut ihr gut. Die frische, kühle Luft. Sie atmet tief ein. - Nein. Moment mal. Nichts wird gut. Sie ist schon lange nicht mehr diejenige, die sie einmal war. Sie ist schwach geworden. Ein Zwilling von ihr hat voller Heimtücke die Herrschaft an sich gerissen und ist nicht mehr bereit sie aufzugeben ...
Sie rennt weiter. Ohne Ziel jetzt. Einfach weiter. Immer weiter. Schweißüberströmt. Schweißdurchnässt.
Masi, was ist los mit dir? - Müde und kraftlos fühlt sie sich und rennt doch weiter und doch von neuem immer schneller. Ihr Herz schlägt, überschlägt sich fast. Welcher Kardiologe weiß schon was über fliehende Herzen!?
"Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, damit all deine Schuld von dir genommen ist" - war der Spruch ihrer Kommunion - war der Priester etwa ihr Prophet oder doch ihr Unheilbringer? -Wo ist Goran, der zärtlich und bestimmt wie nur es es konnte, ihre Lippen berührt?

Ängstlich und aggressiv rennt Masi bei dieser Frage weiter, aus Trotz. Was hat ihr das Leben angetan? - Sie schüttelt sich innerlich und muss rennen. Gerade so als sei sie ein einziges ersticktes Weinen, das zwar ausbricht, doch sofort abgedreht wird, wenn sie rennt. Sie weiß nicht, was sie macht. Automatisch rennt sie einfach. Sie kann nicht anders.
Sie trägt, was nur selten vorkommt, keinen Rock, dafür eine Jeans, die sie ein anderes Mal nachts von einer Wäscheleine geklaut hat - jetzt kommt sie sich vor, als trage sie eine Fickhose, die Jeans ist viel zu eng und sie fühlt sich wie eine schmierige Nutte in dieser zweiten Haut - auch davor rennt sie weg. Sie rennt davon. Angewidert. Voller Eile. Die Eile selbst. Ihre Ohren sind verschlossen, ihre Augen sehen nur, wohin sie als nächstes rennen kann. Wo es keine Hindernisse gibt. Wo ein Fluchtweg ist. Und ist in einer Seitenstraße gelandet. An den Rückseiten der glitzernden Vorderseiten.

Ein älterer Mann im Anzug, hager und groß, akurat gescheiteltes Haar, Nickelbrille, gesichtslos, löst sich aus dem Schatten eines Hauses und geht Masi rasch und bestimmt entgegen. Er streckt ihr seinen Arm entgegen, hebt eine Hand, um sie so anzuhalten und sagt nicht mal gespielt: "Ich dachte, du kommst nicht mehr!"
Er blickt sie vorwurfsvoll an. "Bei der Agentur hatte ich dich für Punkt halb Zehn bestellt - und jetzt ist es schon kurz vor Zehn!"
Verdutzt bleibt Masi stehen - wo hat sie schon einmal diese Stimme, eine solche Stimme gehört? Alles in ihr sträubt sich, widersetzt sich, ekelt sich.
Plötzlich spürt sie einen langen kalten Arm um ihren Nacken gelegt. Wie der Fangarm eines Tintenfischs. Wie eine Schlinge, die sich unaufhörlich zuzieht. Der andere Arm ist in ihrem Schritt, ihre Scham wird berührt ... gedrückt, gezwickt ...
"Lass uns ein bisschen spazierengehen, dann können wir uns kennenlernen," und sie hört amüsiertes, abgeschmacktes Lachen nah, viel zu nah an ihrem linken Ohr.
"Die Agentur sagte, dass du neu bist und ein bisschen mehr Zeit und Anlauf brauchst. Das verstehe ich."

Da dreht sich Masi blitzschnell aus dem Armgriff des Unbekannten heraus und schlägt ihre Zähne mit aller Kraft in seinen inneren Oberarm. Sie beißt zu. So tief sie kann. Sie beißt ihren ganzen Frust heraus und in den Arm hinein. Durch den Stoff des dünnen Trenchcoats hindurch als sei er kein Hindernis. Der unbekannte Mann schreit, brüllt vor Schmerz.
Masi spuckt aus, spuckt weit von sich aus. Dann flieht sie, dann rennt sie wieder. So schnell sie kann, nein, noch schneller. Masi rennt eine lange Strecke ohne anzuhalten, dann dreht sie sich völlig außer Atem um. Sie sieht den Mann mitten auf der Straße knien, sich seinen Arm halten, vor Schmerzen stöhnen, dann vor Panik und Entsetzen wieder wie ein Tier brüllen. Während Masi jeden Tropfen Speichel ausspuckt. Viele Tropfen Speichel in ihrem Mund sammelt und ausspuckt. Sie spuckt aus und rennt. Stolpert, aber rennt. Stolpert und spuckt aus.

Sie weiß nicht mehr, wo sie ist. Der Lärm des Bahnhofsviertels jagt sie. Von allen Seiten mit schrillen Tönen und grellen Farben, Lichtern und Lichtblitzen. Straßen für sie ohne Namen, Häuser ohne Nummern.
Spasmen lassen Masi erzittern und sich erbrechen. Ihr Oberkörper wird heftig verkrampft. Ihre Arme und Hände werden heftig hin- und hergeschüttelt, als sie durch den Bahnhof in Richtung Flüchtlingsunterkunft rennt, stolpert.

Völlig atemlos lehnt sie sich zum Durchatmen an die gekachelte, verschmierte Wand der Unterführung, bevor sie ankommt ... und in diesem Augenblick, auf dem Gipfel der Verzweiflung, hört sie Goran in sich sprechen. Hört seine zärtliche, gedämpfte Stimme. Wie er sie tröstet mit Worten von Mörike: " ... Wo du bleibst, daß ich bei dir bliebe! Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus ..." - ohne freilich kaum zu ahnen, welch furchtbare Botschaft sie da vernimmt.
*******nic Mann
388 Beiträge
Ich will das nicht wissen! Ich will Dich nicht verstehen! Geh zurück und komm nicht mehr wieder, damit ich Dich vergessen kann! Ich will Kunst und Kultur und Ruhe und Klarheit. Als Fremde kann ich Dich angucken, wenn Du in der Fremde bist, vielleicht jedenfalls.

Du bohrst Schmerz in die Haut, malst mit breiten blutroten Strichen die Wand vorm Auge an, von der ich Angst habe, sie mir auch manchmal zu wünschen. Wie können wir Mensch bleiben?

Hör auf.
Mach weiter.

Thomas
*********leen Frau
287 Beiträge
Ob Zilia oder Masi, stellvertretend für so manches unvorstellbare Flüchtlingsschicksal zeichnen Sie erbarmungslos das Leid und die Hoffnungslosigkeit dieser Gehetzten, aufgenommen und -gefangen in der heuchlerischen Obhut des feindseligen Aufnahmelands.

Und im Hintergrund, all das Grauen der fernen Konflikte, von denen wir nur vage hören, und die dramatischen Folgen für eine Menschheit, die uns doch sehr nahe ist. Ein dichter, starker und schonungsloser Einblick.
Danke dafür und bitte verstummen Sie nicht.
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