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Der Killer, das Mädchen und die Finsternis

Der Killer, das Mädchen und die Finsternis
Vorbemerkung: Das ist eine Auskopplung aus dem erotischen Thriller "Svensson: Oxymoron", mit dessen finaler Überarbeitung ich hoffentlich irgendwann fertig werde.
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Oslo, Silvesternacht 2028


„... Niemand von Ihnen ist allein bei der Meisterung der grandiosen Herausforderungen des Jahres 2026. Unseres Jahres 2026. Die Welt dreht sich, das Eis der Antarktis schmilzt, Regierungen kommen und gehen, Kriege beginnen und enden – NordicSF bleibt. Wir bleiben. Nichts kann uns aufhalten, und wenn Sie ab morgen ein weiteres Kapitel der Erfolgsgeschichte unserer großen Firma schreiben, werde ich an Ihrer Seite sein. Immer an Ihrer Seite, wie ich das bereits in all den vergangenen Jahren getan habe. Jeder Tag wird harte Entscheidungen von Ihnen verlangen und ich weiß, dass Sie diese im Sinne unserer großartigen NordicSF fällen werden. Weil Sie mich hinter Ihnen wissen. So, wie in jedem der letzten dreißig Jahre. Was auch immer Sie planen, was auch immer Sie in Angriff nehmen - wenn Sie es für unsere Firma tun, so wird es mit meinem Segen geschehen.“

Stille folgte den Worten des alten Mannes mit den schlohweißen, bis auf die Schultern herabhängenden Haaren, einem von Runzeln gefurchten Gesicht und den stechend grünen Augen in dem überlebensgroßen Hologramm, nur hier und da durchbrochen von einem verhaltenen Hüsteln oder dem Rascheln eines seidenen Abendkleides. Selbst die kunstvollen Wasserspiele in den stillen Ecken zwischen den riesigen Gold- und Titansäulen schienen leiser zu plätschern.

Johannes Hakonsen hob beide Arme in Schulterhöhe, die offenen Handflächen den Anwesenden zugewandt. „Doch nun ist es an der Zeit, Ihre grandiosen Erfolge zu feiern. Genießen Sie das Glück des Erreichten, trinken Sie auf die Herausforderungen, die vor Ihnen liegen. NordicSF für immer!“

„NordicSF für immer!“

Die Antwort aus hunderten Kehlen ließ das Titaneum erbeben. Minutenlang brandeten die Ovationen durch die riesige Lobby. Sie klatschten, pfiffen und schrien, als gäbe es kein Morgen mehr: distinguierte Herren mit grauen Schläfen in Zehntausend-Euro-Schuhen und ihre juwelenbehangenen Ehefrauen; Top-Managerinnen mit ihren männlichen Anhängseln, pflichtschuldig selbst das Personal und keiner unter ihnen, der nicht etwas in den blau-orangenen Farben der Firma getragen hätte. Niemanden interessierte es, dass Klatschen politisch inkorrekt war und Grund für zart besaitete Gemüter, einen Safe Space aufzusuchen. Den es nirgendwo hier gab - ein Blasebalg für sein Ego und ein meterdicker Hornhautpanzer gegen jede Empfindsamkeit waren Grundvoraussetzungen, um zu den handverlesenen Gästen dieses Neujahrsempfangs zu gehören. Norweger waren sie und die, die es nicht waren, fühlten sich als solche. Sie beerbten die alten Wikinger, bei denen selbst die Weiber echte Kerle gewesen waren und wie ihre Vorfahren zogen sie aus, die Welt zu erobern. Ihr Safe Space lag in Walhalla, nirgendwo sonst und sie folgten dem, der sie dorthin führte - Johannes Hakonsen.

Der alte Mann hob noch einmal segnend die dürren Hände, dann erlosch sein Hologramm und die altertümliche Big Band, eine der letzten ihrer Art, intonierte die Firmenhymne.

Halbverdeckt hinter einer Säule aus Titan stand ein Mann über der Menge auf der obersten Stufe der breiten Freitreppe aus grau gemasertem italienischen Marmor. Er hatte ein schmales Gesicht mit eisgrauen, weit auseinanderliegenden Augen, einer nach unten gekrümmten Nase, war groß und schlank und eher sehnig als athletisch. Eine Hand auf das Titangeländer mit den Intarsien aus Gold und Lapislazuli gelegt und die andere in die Hosentasche seines stahlblauen Abendanzuges mit den messerscharf gebügelten Kanten gesteckt, blickte er mit unbewegtem Gesicht auf die sich in orgiastischer Begeisterung suhlende Führungselite des Konzerns im Festsaal hinunter. Jeder da unten hatte Leichen im Keller liegen, manche ganze Berge davon, und er kannte jede davon mit Vornamen.

Eigentlich hätte er nicht hier sein müssen. Für die Sicherheit dieser handverlesenen Führungselite aus aller Welt war Olaf Wielander verantwortlich, der Sicherheitschef der Firma. Aber der hatte eine zweite Analyse sämtlicher elektronischer Systeme verlangt und das fiel in den Bereich des Mannes mit den kalten Augen auf der Treppe.

Sein Name war Borg. Nur Borg. Sein Vater hatte ihm auch einen Vornamen gegeben, doch den mochte Borg nicht. Er mochte gar nichts, was ihn an den Mann erinnerte, der montags bis freitags immer mitten in der Nacht hatte aufstehen müssen, um im Hamburger Hafen bei Blohm & Voss zu schuften. Jeden Samstagabend hatte der seinen Jungen durchgeprügelt und danach seine Frau bestiegen - manchmal hatte er es auch umgekehrt gemacht, je nachdem, ob der Hamburger Sportverein gewonnen oder verloren hatte. Sonntags war er in die Kirche gegangen und hatte Gott um Vergebung für seine Samstagssünden angebettelt. Borg ging nie in die Kirche und er stand nie früh auf. Er hatte begriffen, wie die Welt funktionierte.

Die europäischen Länder, die ihre Grenzen vor den aus Afrika herandrängenden Menschen nicht rechtzeitig genug geschlossen hatten, erlebten ein sicherheitspolitisches Desaster. Parallelgesellschaften etablierten sich, die innere Sicherheit stand nur noch auf dem Papier, die Behörden waren überfordert und ausgedummt und die Polizei kastriert worden. Auf den Straßen herrschte das Gesetz des Dschungels, unverschleierte und unbegleitete Frauen waren Freiwild und Kinder armer Eltern Handels- und Sexobjekte. Hass war die herrschende Religion, Farbig kämpfte gegen Weiß, Links gegen Rechts, Zugewanderte gegen Einheimische, Jung gegen Alt, Arm gegen Reich. Keiner gönnte dem anderen auch nur noch das Schwarze unter dem Fingernagel. Religiös verbrämte Morde und Anschläge waren an der Tagesordnung, Bildung Mangelware und Klimarettung Staatsdoktrin. Abwechselnd verkündeten die Medien die Erreichung des goldenen Zeitalters oder den baldigen Weltuntergang und sorgten dafür, dass das Jeder-gegen-Jeden niemals endete. Gescheiterte Ehen, zerbrochene Familien, Geschlechterkampf, entwurzelte und haltlose Menschen waren die Realität und das Leben der meisten war heruntergedimmt auf ein Dasein als Opfer und auf Verantwortungslosigkeit.

Für Borg feierte die Dummheit des Mittelalters Wiederauferstehung und er betrachtete das leidenschaftslos. Die Menschen hatten sich schon immer gegenseitig bekämpft. Die Methoden mochten sich im Laufe der Jahrtausende geändert haben, aber das, was dahinter stand, nämlich Gier nach Macht, nach Beherrschung der anderen, hatte sich seit Jahrtausenden nicht geändert.

Besser hätte es für ihn gar nicht kommen können. In diesem Überlebenskampf hatten die Großkonzerne der Europäischen Union das Recht abgepresst, sich zu schützen. Sie schufen sich paramilitärische Einheiten nach dem Vorbild der amerikanischen Firma „Blackwater“ und ehemalige Militärs mit Führungserfahrung wie Borg konnten Gehälter fordern, die denen von Aufsichtsratsmitgliedern in nichts nachstanden.

Sein Smartphone meldete sich mit einem „pling“ und er warf einen Blick auf das Display. Ein herzförmiges Gesicht mit einer ein wenig nach oben gebogenen aristokratisch kleinen Nase und schwellenden roten Lippen, die wie für das Küssen geschaffen schienen – Sylvie. Doch ihre blassblauen Augen unter der hohen, faltenlosen Stirn leuchteten so kalt wie arktisches Eis. Das taten sie immer, selbst in den Momenten, in denen sie einen angeblichen Orgasmus hinausschrie, der jeden anderen Mann außer Borg getäuscht hätte.

Sie hatte ein Bild geschickt. Nichts weiter als den Hauch eines halbdurchsichtigen, schwarzen Négligés trug sie darauf und einen kurzen Text hatte sie hinzugefügt: „Glückwunsch zur Beförderung. Wenn du nach Hause kommst, darfst du mit mir machen, was Du willst. Kuss, Sylvie.“

Er massierte kurz die Muskelstränge in seinem Nacken, dann legte er die Hand wieder auf das Geländer. Sie hätte sich die Haare blond färben sollen, dachte er. Die brünette Pagenkopffrisur passte nicht zu ihren Augen. Andererseits passte sie wiederum sehr gut zu einer Frau, die glaubte, ihm sagen zu können, was er durfte und was nicht. So lange sie das nicht in der Öffentlichkeit tat und ihm ihre unterkühlte Lust Spaß machte, gedachte er, sie zu behalten. Schon allein deswegen, weil sie für Wielander arbeitete. Dem Mann über ihm, der als nächster auf seiner Liste stand.

„Es ist nach zwölf, da können sogar Sie die Jacke öffnen, auch wenn Sie nicht hierhergehören, Ragnar.“

Mikkelsen stellte sich neben Borg und schaute ebenfalls nach unten. Der Managing Director Deutschland war über die Sechzig hinaus, breit wie ein Felsblock und maß dabei nur knapp einen Meter sechzig. Er hatte noch nicht einen einzigen Knopf seines Abendanzuges geöffnet und selbst die Fliege saß so perfekt, als hätte er sie gerade eben binden lassen.

„Und was ist mit Ihnen, Ryland?“, fragte Borg, blickte dem zwei Köpfe Kleineren neben sich auf die Glatze und schluckte seinen Ärger hinunter. Mikkelsen wusste sehr genau, dass Borg seinen Vornamen hasste.

„Ihnen ist doch nicht etwa entgangen, dass ich hier Johannes Hakonsen vertrete, Ragnar?“

„Tatsächlich. Ich vergaß, dass Sie ja der Stellvertreter Gottes auf Erden und wir nur das Fußvolk sind. Nun ja, wenigstens hatte ER die Gnade, uns mit einer Neujahrsvideobotschaft zu beglücken.“

„Ihre Beförderung war ein Fehler.“

„Dann war es einer von Ihnen.“

Eine Weile schwieg Mikkelsen, dann erwiderte er: „Ich mag Sie, Ragnar. Sie sind so sauber, kompetent und effizient. Aber Sie sind mir auch zu schnell, und schnelle Leute haben immer einen Plan. Kommen Sie also nicht auf die falschen Ideen. Unter den Gästen, die da unten tanzen, werden Sie niemals sein. Setzen Sie Ihren Fuß nur eine Treppenstufe tiefer und ich nehme Sie aus dem Spiel.“

Er machte einen Schritt zur Seite. „Einen netten Abend noch und feiern Sie Ihre Beförderung. Mit Sylvie, vermute ich.“

Auf seinen kurzen Beinen ging er die Treppe hinunter und sein Lächeln dabei war so echt wie eine Fünf-Dollar-Rolex von einem Straßenhändler in Bangkok. Ich weiß alles über dich, bedeutete sein letzter Satz und Borg war nicht der Mann, das zu überhören, auch wenn Mikkelsen damit falsch. Denn Borg war auch der Mann, der genau darauf achtete, dass Hakonsens Stellvertreter eben nicht alles über ihn wusste.

Eine große, dürre Frau mit zu viel Schminke im Gesicht und einem grässlichen orange-blauen Abendkleid rempelte Mikkelsen auf der Treppe an, kicherte und schüttete ihm fast den Inhalt ihres Weinglases ins Gesicht. Sie schaute auf den kleinen Mann herab, der ihr nicht einmal bis zum Dekolletee reichte, tätschelte ihm mit einer vor Ringen strotzenden Hand die Glatze und lallte: „Uups, da hätte ich mir ja fast was eingetreten.“

Jede Bewegung um sie fror ein. Selbst das Personal, das sonst nicht schnell genug leere Gläser nachfüllen konnte, verhielt und starrte auf Mikkelsen. Der drückte den Rücken durch, stand mit zusammengepressten Lippen da und seine Augen schienen zu glühen.

Sie nahm es nicht wahr, ihr kreischendes Lachen schrillte durch die Lobby. Vielleicht hielt sie es für einen guten Witz, und auch wenn Borg der gleichen Meinung war, wusste er, dass sie morgen das nicht mehr denken würde. Ihr Ehemann drängelte sich rücksichtslos zwischen den Menschen auf der breiten Treppe hindurch, entschuldigte sich vielmals bei Mikkelsen, grapschte nach dem Ellenbogen seiner Frau und zerrte die immer noch Kichernde die Freitreppe hinunter.

Mikkelsen sagte kein Wort. Vor Wut bebend, stand er auf der Treppe, auch noch, als die Übeltäterin schon längst verschwunden war. Schließlich, das Leben um ihn herum hatte wieder seinen Partyrhythmus aufgenommen, schlenderte er, als sei nichts gewesen, die letzten Stufen hinunter. Er lächelte, doch jeder der ihm begegnete und ihm ins Gesicht sah, hatte urplötzlich etwas Wichtiges zu tun, etwas dass ihn möglichst weit wegbrachte von Ryland Mikkelsen, der jetzt zur Faust geballten rechten Hand Gottes.

Borg hatte genug gesehen. Er piepte seinen Fahrer an, holte den Mantel und ging zum Seitenausgang. Die acht Stufen bis zur Straße nahm er mit vier großen Schritten, riss die Tür des schwarzen Geländewagens davor auf, ließ sich auf den Rücksitz fallen und wischte sich die Schneeflocken von den Ärmeln.

„Nach Hause, Sir?“ Sergeant Meyers ließ den Wagen anrollen.

„Wohin sonst? Geben Sie Gas!“

Mit Daumen und Zeigefinger rieb sich Borg die schmerzende Nasenwurzel und ärgerte sich, dass er seine Datenbank wieder auf den neuesten Stand bringen musste. Er war sich sicher, dass noch in dieser Woche ein neuer PR-Chef für Südamerika ernannt werden würde. Einer, dessen Gattin nicht so dämlich war, Mikkelsen auf die Birne zu patschen.

Das Telefon in der Innentasche seines Sakkos summte. Er nahm das Gespräch an und knurrte: „Simmons, was zum Teufel fällt Ihnen ein, mich um diese Zeit anzurufen?“

„Tut mir leid, Sir, aber ich bin gerade durch einen Alarm geweckt worden. Im Polizeicomputer ist eine Vermisstenanzeige aufgetaucht mit einem der Suchbegriffe, die Ryland Mikkelsen vorgegeben hat. Und nicht irgendeiner. Ein Alphaselektor.“

„Captain, weder die Nachricht noch meine Laune werden besser, wenn sie mir den Mist scheibchenweise servieren. Also?“

„Ein Tom Breedlove aus Südafrika sucht hier in Oslo nach seiner verschwundenen Schwester. Der letzte bekannte Arbeitgeber von ihr war der Security Service, der für die Sicherheit des Hauptsitzes von South African Oil and Diamonds in Durban zuständig war. Die Firma hat sie vor einigen Jahren übernehmen wollen und dann wurde alles ziemlich hässlich. Sie erinnern sich vielleicht.“

„Halten Sie mir keine Predigt! Mein Gedächtnis funktioniert noch ganz gut. Schmeißen Sie Deckland aus dem Bett und tackern Sie ihn vor seinen Computern fest. Ich will alles über diesen Breedlove wissen. Und wenn er die Informationen hat, soll er sie anschließend aus dem Polizeinetzwerk löschen. Finden Sie das Hotel von dem Breedlove heraus, wir werden ihn besuchen. Ist Mikkelsen informiert?“

„Ich wollte Ihre Anweisung abwarten.“

„Also nein. Belassen Sie es dabei. Ich kümmere mich selbst darum. Borg Ende.“

Er ließ das Telefon wieder in seinem Sakko verschwinden und blickte durch das Seitenfenster, ohne die dicken Tropfen, die der Wind an die Scheibe des Wagens klatschte, auch nur wahrzunehmen. „Bringen Sie mich ins Hauptquartier“, sagte er zu Meyers.

„Ärger Sir?“ Der Fahrer blickte in den Rückspiegel.

„Wie lange sind sie jetzt in meinem Team gewesen, morgen schon nicht mehr mitgerechnet?“

Meyers setzte den Blinker, biss sich auf die Lippen und schaute konzentriert durch die Frontscheibe auf den nächtlichen Verkehr.

Drei Stunden später saß Borg dem aus dem Schlaf gerissenen Tom Breedlove in dessen winzigem Hotelzimmer gegenüber. Captain Axel Simmons lehnte mit dem Rücken und verschränkten Armen an der lindgrünen Wand und schaute mit einem Grinsen in seinem bartstoppeligen Gesicht auf den Mann, der mit seinem Hintern auf dem einzigen Stuhl im Zimmer hin und her rutschte.

Borg ließ sich auf einen wackligen Sessel vor dem Fenster fallen. Wortlos reichte der Captain ihm ein Tablet, doch Borg winkte ab. Er wollte sich erst ein Bild von dem Mann machen, bevor er sich die Daten ansah, die sie über ihn hatten.
Breedlove war mittelgroß, hatte breite Schultern und seine großen Hände waren sauber, aber ungepflegt. Die Gesichtshaut war stark gebräunt, von Falten durchzogen und ein wuchernder, rötlicher Vollbart verbarg seine Mundpartie.

Borg räusperte sich. „Ich bin Major Borg. Sie haben bei der Polizei eine Vermisstenanzeige aufgegeben und ich bearbeite den Fall. Sie sind Tom Breedlove aus Durban in Südafrika und Sie suchen nach ihrer Schwester Susan. Das ist korrekt?“

„Das habe ich gestern der Polizei gesagt. Und wer sind Sie?“

„Ich leite eine aus internationalen Spezialisten bestehende Einheit, die gegen die immer mehr ausufernde weltweite Firmenkriminalität vorgeht. Der Vorstand von South African Oil and Diamonds wurde Opfer eines Verbrechens, dessen Hintermänner bis heute nicht gefunden wurden. Zehn Jahre sind lang genug, um Gras darüber wachsen zu lassen. Doch jetzt sind Sie hier und stellen Fragen nach ihrer Schwester, die als ehemalige Angestellte des Sicherheitsdienstes dieser Firma etwas darüber wissen könnte, jedoch verschwunden ist, bevor man sie damals befragen konnte. Damit rücken Sie und auch ihre Schwester automatisch in den Fokus unserer Ermittlungen. Vielleicht liefern Sie uns ja den entscheidenden Hinweis, nach dem wir so lange gesucht haben.“

Die Mundwinkel von Captain Simmons zuckten und Borg schoss aus den Augenwinkeln einen scharfen Blick auf ihn ab. Sofort zeigte das Gesicht des Captains wieder dessen Standardlächeln.

Obwohl es kalt war im Raum, rannen Schweißtropfen über Breedloves Stirnglatze. Er holte aus seiner Jogginghose ein altmodisches Taschentuch und wischte sich über die Stirn. „Sie sind ein Major? Das hört sich nach Militär an und nicht nach Polizei. Ich ... ich suche doch nur meine Schwester!“

Borg ließ seine Gelenke knacken, zog seine Jacke aus, warf sie über die Rückenlehne seines Sessels und nickte dem Südafrikaner zu. „Warum, Mister Breedlove?“

Der presste das Taschentuch in seinen Händen. „Sie hat bestimmt etwas Schlimmes vor.“

„Das wäre?“

Breedlove blickte an Borg vorbei. „Das kann ich Ihnen nicht sagen.“

„Ihre Schwester ist noch während der Ermittlungen zu einem Terroranschlag, der einundzwanzig Menschen das Leben gekostet hat, verschwunden. Das macht sie zu einer Verdächtigen und ich kann ganz Oslo auf den Kopf stellen, um sie zu finden. Und ich kann ‚das Finden‘ tot oder lebendig befehlen. Was davon ich tue, hängt von Ihren Antworten hier und jetzt ab. Also?“

Borg trommelte mit den Fingern auf die Sessellehne. Breedlove schaute zu Simmons hinüber, doch das Lächeln des Captains klebte unverrückbar in dessen Gesicht.

„Meine Schwester hatte damit nichts zu tun. Im Gegenteil, es war alles ganz anders!“, stöhnte Breedlove und knetete das Taschentuch in seinen Händen.

„Und wie?“

„Na ja, also an dem Tag damals hatte Susan frei und wollte einkaufen. Sie ist passt auf wichtige Leute auf und sie ist wirklich gut darin, wissen Sie? Sie hat sogar schon mal einen Kerl, der mit dem Messer auf ihren Boss losgegangen ist, erwischt. Hat ihm das Ding aus der Hand gewunden und es ihm dann in den Hals gesteckt. Einfach so. Bis zum Anschlag. Und der Kerl war groß, richtig groß. Sogar einen Orden hat sie dafür gekriegt. Sowas konnte sie, unsere Susan. Jedenfalls – sie fuhr mit Micky, das war ihr Sohn, der war erst sechs, und ihrem Mann, der die Videos gesteuert hat, morgens nach Durban. Micky fand das immer so toll, wenn er seinem Vater beim Arbeiten zusehen durfte. Er schlief dann nachts immer nicht, wenn er am nächsten Tag bei seinem Vater sein konnte, wissen Sie? Jedenfalls, als die Sitzung anfing, ließ Susan die beiden alleine und ging einkaufen. Sie hatte dafür immer so wenig Zeit sonst.“

Er stockte, sein Blick verlor sich irgendwo hinter Borg und der räusperte sich. Breedlove zuckte zusammen und sprach schneller. „Als sie nach ein paar Stunden wiederkam, waren alle tot. Zwei Tage später, gleich nach der Beerdigung, ist sie weg gewesen. Wir haben alles abgesucht, auch die Polizei, aber niemand wusste etwas und alle dachten, dass sie sich aus Gram das Leben genommen hat. Ja und dann kriegte ich vor einer Woche eine Internetnachricht, dass jemand sie gesehen hat. Hier. Mehr nicht. Ich habe einem Professionellen Geld gegeben, aber der konnte mir nur sagen, dass die Nachricht aus Oslo kam. Und nu bin ich hier. Ich will nicht, dass Susan was Falsches macht. Ich will nicht auch noch meine Schwester verlieren!“

„Was denken Sie, was sie vorhat?“

Breedlove rutschte wieder mit seinem Hintern auf der Sitzfläche des Plastikstuhls hin und her. Sein Blick huschte mal hier und mal dahin, wich aber immer dem von Borg aus. Der knallte die flache Hand auf die Armlehne. „Antworten Sie!“

„Ich weiß es doch nicht!“ Breedlove krümmte sich zusammen. „Sie ist nicht schlecht, wissen Sie? Aber sie ist anders als ich, so herrisch. Man kann nicht mit ihr reden, sie weiß immer alles besser. Und sie kann so böse werden. Wenn sie erfährt, dass ich nach ihr suche, und dass ich mit Ihnen geredet habe, macht sie mir bestimmt Ärger. Richtig Ärger!“

Simmons zuckte die Schultern, tippte sich mit einem Finger an die Stirn, aber Breedlove schüttelte den Kopf. „Ich bin nicht verrückt. Die Welt ist es und daran ist Susan krank geworden. Aber sie hat sich nich umgebracht und untergegangen is sie auch nich. Nee, nich Susan. Nich bevor sie die Mörder ihrer Familie hat. Genau das will sie machen, sie kann das ja, hat das ja gelernt, nich?“

Mit dem zerknüllten Taschentuch wischte sich Breedlove über die Augen. Achtlos ließ er es neben den Stuhl fallen, beugte sich über den Tisch und auf einmal war ein ganz anderer. Ein Mann voller Zorn, ein Mann, der seine Familie und seine Schwester an eine Welt verloren hatte, die er nur noch hasste und der zischte Borg ins Gesicht: „Das wird sie machen. Umlegen wird sie ihn, eiskalt massakrieren und wenn ich könnte, würde ich ihr helfen dabei. Deswegen bin ich hier!“

Er fiel wieder zusammen und machte nicht den Eindruck, als wollte er noch mehr sagen. Das musste er auch nicht, für Borg hatte er schon genug erzählt. Irgendwo hier in Oslo lief eine tickende Zeitbombe herum, die es auf seine Firma abgesehen hatte. Eine Frau, die nichts mehr zu verlieren hatte und sich durch nichts und niemand mehr von ihrem Vorhaben abbringen lassen würde, es sei denn, er schaltete sie vorher aus. Was nicht einfach werden würde. Sie war darin ausgebildet, Menschen zu töten und hatte ihren Hass zehn Jahre lang am Leben erhalten. Borg seufzte unhörbar. Er hatte genug Erfahrung, um zu wissen, was da auf ihn zukam.

„Haben wir schon etwas von ihr?“ Er blickte Simmons fragend an.

Der Captain wischte über das Tablet und reichte es Borg. „Nur ein Foto von seinem Handy. Es ist zehn Jahre alt. Ich habe es durch den Computer geschickt und es auf ihr heutiges mögliches Aussehen prognostizieren lassen,“ sagte er.

Borg blickte auf das Tablet, das Simmons ihm hinhielt. Die Frau auf dem Bild hatte ein herzförmiges Gesicht mit einer ein wenig nach oben gebogenen aristokratisch kleinen Nase und schwellenden roten Lippen, die wie für das Küssen geschaffen schienen. Doch ihre blassblauen Augen unter der hohen, faltenlosen Stirn wirkten wie arktisches Eis und jetzt wusste er, was es war, was daraus leuchtete: Hass.

Sie hätte sich die Haare blond färben sollen, dachte er, dann würde sie umwerfend aussehen.

Er überlegte einen Moment, dann griff er zu seinem Smartphone. Mit Daumen und Zeigefinger vergrößerte er die Nachricht, die er im Titaneum von Sylvie erhalten hatte, bis nur noch ihr Bild ohne die Nachricht zu sehen war, streckte den Arm aus und hielt es dem Südafrikaner vors Gesicht.

„Ihre Schwester ist eine außergewöhnlich schöne Frau“, sagte er und seine Stimme klang rau dabei.

Breedlove blickte mit runden Augen auf das Foto der halbnackten Sylvie, schluckte mehrmals und nickte schließlich. „Ja, das ist Susan. Aber sie hat sich selbst immer für ihr Aussehen gehasst. ‚Männer reduzieren mich nur auf meinen Arsch und meine Titten‘, hat sie immer gesagt. Darum ist sie zum Sicherheitsdienst gegangen. Sie wollte es den Kerlen beweisen. Und bei Gott, ich kann ihnen sagen, sie hat so manchen von den Typen aufs Kreuz gelegt. Und sie ist so klug.“ Mit feuchten Augen schaute er auf das Bild seiner Schwester.

Borg steckte sein Smartphone wieder ein und wendete sich zu Simmons: „Weiß der Teufel, wie sie es geschafft hat, Wielander zu täuschen. Immerhin arbeitet sie seit Jahren für ihn. Ich muss wissen, was sie bis jetzt in Erfahrung gebracht hat und ich will die E-Mail sehen, mit der sie ihren Bruder hier informiert hat.“

„Ersteres wird wahrscheinlich schwierig.“

„Deswegen mache ich das auch selbst. Sie kümmern sich um ihre gesamte elektronische Kommunikation!“

Der Captain kniff sich ins Kinn. „Vielleicht können wir sie umdrehen? Sie ist eiskalt, intelligent, hat Wielanders Sicherheitsüberprüfung überstanden und ist an Waffen ausgebildet, wenn das stimmt, was ihr Bruder hier gesagt hat. Natürlich nur, falls Sie sich nicht emotional kompromittiert fühlen, Sir.“

Borgs Augenbrauen schossen in die Höhe. „Wie war das?“

Captain Simmons straffte sich. „Ich meinte, Sir, dass ...“

„Es interessiert mich einen Dreck, was Sie meinen, Captain. Sie mögen sich mit Waffen auskennen, aber Sie haben keine Ahnung, wie gefährlich eine intelligente Frau ist, die hasst. Man kann sie höchstens in die richtige Richtung drehen, aber dann geht man besser in Deckung und genau das werden die Südafrikaner gemacht haben. Sie benutzen sie, um an uns heranzukommen. Lassen Sie Breedlove in die Basisstation N22-B schaffen. Kein Kontakt, keine Kommunikation. Jede Aufzeichnung über den Vorgang wird gelöscht. Mikkelsen informiere ich persönlich.“

„Jawohl Sir!“

„Außerdem filzen Sie den Lebenslauf von Sylvie. Bis spätestens Nullachthundert will ich wissen, wer sie in was und wann ausgebildet hat. Wir haben das komplette Datacenter von denen übernommen und da müssen diese Informationen gespeichert sein. Und schmeißen Sie Dr. Tenner aus dem Bett. Ich brauche eine prognostische Persönlichkeitsstrukturanalyse von Sylvie. Auch bis um acht.“

Auf der Stirn von Captain Simmons erschien eine steile Falte. Demonstrativ blickte er auf seine Armbanduhr. Es war nach zwei Uhr in der Nacht.

Borgs blaue Augen unter den buschigen Brauen wurden dunkel und kalt. „Wollten Sie noch etwas bemerken?“

Der Captain knallte die Hacken zusammen, bog den Rücken durch und sagte laut: „Nein, Sir!“

Der Mann aus Südafrika hatte die Unterhaltung mit offenem Mund verfolgt. Jetzt mischte er sich ein: „Was ist mit Susan? Und wer ist Sylvie?“

Borg griff nach der P 228 in seinem linken Axelholster. „Gute Frage. Sie sucht nach dem Mann, der ihre Familie ausgelöscht hat?“

„Das hatte ich doch schon gesagt!“

So langsam, als wöge die Waffe Tonnen, schwenkte Borg den Lauf der Pistole, bis er auf die Stirn des Südafrikaners zeigte. „Er sitzt Ihnen gegenüber, Mr. Breedlove.“

Fortsetzung folgt ...
******511 Frau
81 Beiträge
Klingt sehr spannend.
*****rPe Mann
1.498 Beiträge
T *top2* oller Anfang!
*********zier Mann
1.026 Beiträge
Interessanter Auftakt. Schauen wir mal, wie es weiter läuft. *top*
*********ucht Paar
34 Beiträge
Sag mal Bescheid, wenn das Buch da ist.
Das steht jetzt schon auf meiner Wunschliste. *top*
„Halten Sie an. Den Rest gehe ich zu Fuß.“

Butterweich bremste Meyers den Wagen ab und lenkte ihn an den Bordstein. Borg wartete, bis der Sergeant ihm die Tür öffnete, stieg aus und schlug den Mantelkragen hoch.

„Sie haben mich vom Titaneum direkt nach Hause gefahren. Deckland soll das im Bordcomputer faken. Ich brauche Sie heute nicht mehr. Ab.“

Einen Moment schaute er den Rücklichtern des Wagens hinterher, dann schlug er den Weg nach Hause ein.

Für einen Moment war er versucht gewesen, Tom Breedlove tatsächlich zwischen die Augen zu schießen. Der Südafrikaner und seine Schwester waren zwischen die Fronten eines Konzernkrieges geraten, ihr Status als Opfer stand damit ohnehin fest und es war nicht die Frage, ob sie sterben würden, sondern nur noch wann.

Begonnen hatte es mit der Entführung Olaf Wielanders. Die Leute von South African Oil and Diamonds, die Borg und sein Team nicht erwischt hatten, schlugen zurück. Sie schleppten den Sicherheitschef von NordicSF in eine verlauste Wohnung, zogen ihn aus und fesselten ihn mit Handschellen, nackt wie er auf die Welt gekommen war, an einen Stahlrohrstuhl. Sie bauten noch eine Videokamera, einen Projektor und eine Leinwand auf und gingen dann in das Nachbarzimmer. Eine Frau war bei ihm geblieben. Sie war um die Vierzig, kräftig gebaut, hatte ihre blonden Haare zu einem straffen Turm aufgesteckt und trug ein graues Businesskostüm. Adrett sah sie aus, nahezu elegant und sie hätte eine Chefsekretärin sein können oder eine Managerin. Doch sie war etwas anderes, etwas ganz anderes.

Borg hatte sie trotz der venezianischen Maske, die den oberen Teil ihres Gesichts bedeckte, sofort wiedererkannt und selbst er hatte nichts gegen den Schauer tun können, der ihm bei der Erinnerung über den Rücken gelaufen war. Auf Christine Sundance griff man zurück, wenn man um jeden Preis wissen musste, was im Kopf eines Gefangenen vor sich ging. Wer in ihre schlanken, perfekt gepflegten Hände geriet, mochte davor ein schönes Leben gehabt haben. Das, was er nach der Begegnung mit ihr noch führen konnte, verdiente den Namen „Leben“ nicht mehr.

Sie zog sich vor Wielanders Augen bis auf die Unterwäsche aus und streifte einen einteiligen Overall aus dünnem schwarzem Leder und ebensolche Handschuhe über. Dann stellte sie sich ganz nah vor ihn, nahm ihm den Knebel aus dem Mund und sagte: „Ich bin Christine. Ich liebe Dich und Du wirst mich auch lieben. Weil ich Deinen Schmerz fühle wie du selbst und weil ich genau so wie Du darüber weinen werde. Dein Großvater Johannes Hakonsen hat Verträge und mündliche Absprachen mit mehreren Geheimdiensten und Regierungen. Bitte sage mir, welche.“

Wielander starrte sie mit aufgerissenen Augen an, als könnte er nicht glauben, was gerade geschah. Dann sagte er: „Fick dich!“

Sie nickte mit unbewegtem Gesicht, als hätte sie diese Antwort erwartet. „Auch das wirst du wollen, bald.“

Sie setzte sich rittlings auf ihn, steckte ihm den Knebel wieder in den Mund und hielt ihm eine vielleicht zwanzig Zentimeter lange Nadel vor die Augen. „Das ist Kupfer. Es wirkt antiseptisch und antibakteriell, du musst also keine Angst vor einer Entzündung haben. Ich beginne mit deinem Trigeminusnerv und du wirst glauben, dass dein Kopf platzt, doch es ist nur ein mikroskopisch kleiner Nerv, den ich treffe. Du darfst weinen und du darfst schreien dabei. Ich verstehe das. Dann frage ich dich wieder.“

Noch während sie sprach, presste sie ihre kräftigen Schenkel zusammen und fixierte seine gefesselte Beine, packte ihn mit der linken Hand im Nacken, riss seinen Kopf an ihre Brust, dass er auch den nicht mehr bewegen konnte und stach ihm die Nadel durch die weiche Haut unterhalb seines Kinns ...

Exakt zwei Stunden bearbeitete sie ihn, dann wusch sie ihm das Blut ab und gab ihm zu trinken. Danach zog sie sich bis auf die Unterwäsche aus, legte sich auf ein Feldbett, direkt neben dem Stuhl mit ihm und spielte für ihn die aufgezeichnete Session noch einmal ab, auf der Projektionsleinwand vor ihm und in voller Lautstärke. Danach wiederholte sie die Prozedur, wieder zwei Stunden lang, mit anderen Nerven. Brutal, aber genau dosiert fügte sie ihm unvorstellbare Schmerzen zu. Nie wurde sie laut, immer erklärte sie ihm in ruhigem Ton, was sie tat und ganz so, als wäre es unumgänglich notwendig und nur zu seinem Besten. Keine Minute ließ sie ihn alleine, selbst auf der Toilette war sie an seiner Seite. In der dritten Session weinte er das erste Mal, und als sie ihm zwölf Stunden später die Fesseln löste, kroch er ihr auf allen vieren nach wie ein Hund, gehen konnte er da schon nicht mehr.

Aber noch immer antwortete er nicht auf ihre Fragen und Borg hätte sich nicht gewundert, wenn Wielander nur deshalb schwieg, weil er weiter von ihr gequält werden wollte ...

Am zweiten Tag hatte Borg mit seinem Team ohne Mikkelsens Genehmigung angegriffen und es tatsächlich geschafft, Wielander lebend herauszuholen. Christine Sundance war entkommen. Mikkelsen hatte getobt vor Wut über Borgs Eigenmächtigkeit. Jeder der Haie in dem Becken namens „NordicSF“ war sich sicher gewesen, dass Mikkelsen mit Absicht so lange gezögert hatte. Immerhin war Wielander sein Stellvertreter und würde, da er wesentlich jünger als Mikkelsen war, irgendwann seinen Platz einnehmen.

Nicht nur, dass alles in Blut und Tränen geendet hatte – Borg war sich sicher, dass weder Wielander, als er nach Wochen aus der Psychiatrie zurückkehrte, vergessen hatte, dass Mikkelsen ihn hatte opfern wollen, noch Mikkelsen, dass Borg ihn hintergangen und dann auch noch die Frechheit besessen hatte, zu überleben.

Borg war in seiner luxuriösen Firmenvilla angekommen. Im Korridor zerrte er die eleganten Schuhe von seinen schmerzenden Füßen, feuerte sie in die Ecke und warf einen missmutigen Blick auf seine Kampfstiefel. Viel zu lange standen sie schon unbenutzt im Flur. Auf Socken schlich er die Treppe zum Schlafzimmer hinauf, öffnete lautlos die Tür und schaute nach Sylvie.

Sie schlief auf dem Bauch und trug noch das schwarze Negligé von ihrem Foto. Eine Hand hatte sie unter die Wange gelegt, die andere hing über die Bettkante und ihre Atemzüge waren tief und gleichmäßig. Die halb zu Boden gerutschte schwarze Seidenbettdecke gab eines ihrer alabasterweißen Beine frei und die verwuschelten brünetten Haare und die Entspanntheit ihres schmalen Gesichts verliehen ihr den unschuldigen Liebreiz eines kleinen Mädchens.

Es nahm ihm fast den Atem. Immer hatte sie sich ihm nur perfekt gestylt präsentiert, im Gesicht nichts anderes als unter Kontrolle gehaltene Emotionen. Er wusste, dass selbst wenn sie mit ihm geschlafen hatte, jede Bewegung, jedes Stöhnen kalkuliert gewesen war und keine Sekunde dabei, in der er nicht ihren prüfenden Blick gespürt hätte. Trotzdem hatte er es genossen. Weil es nicht nur ihre perfekte Schönheit war, die sie so begehrenswert machte, sondern das Signal, das sie aussendete: Niemand kann mich besitzen! Das trieb die Männer und auch Frauen, die sich mit ihrem Geld alles leisten konnten, nur eben diese Schönheit nicht, zum Wahnsinn.

Doch es schien so, als gäbe es tief in ihr noch eine andere Frau. Eine, die einmal ein kleines Mädchen gewesen war, das nichts hatte als geliebt werden wollen. Er begriff es und es ließ sogar ihn die Finger um den Aluminiumrahmen der Tür krampfen.

Ein erster matter Sonnenstrahl stahl sich durch die Vorhänge und sie bewegte sich im Schlaf. Er hielt den Atem an, doch sie zog nur die Decke über ihr nacktes Bein und drehte sich auf die andere Seite. Einen Moment schaute er sie noch an, dann schloss er die Tür hinter sich und ging nach unten.

Die Sonne hatte sich schon längst über den zugefrorenen Oslofjord erhoben, da saß er noch immer auf einem der Barhocker in der Wohnküche. Nicht einmal seinen Abendanzug hatte er ausgezogen und erst das Rauschen des Wassers in der Dusche über ihm riss ihn aus dem Nachdenken. Er massierte kurz die Muskelstränge in seinem Nacken und straffte sich. Er wusste, dass er noch mindestens zwanzig Minuten hatte, bis Sylvie in dem roten Seidenmorgenmantel, den er ihr geschenkt hatte, aus dem Bad kommen würde. Jedes Haar millimetergenau an seinem Platz, würde der schwere Duft blühender Kamelien, gemischt mit ein wenig salzigem Meer, ihr vorauseilen. Sie würde mit ihrer Kleinmädchenstimme „Guten Morgen“ flöten, ihm einen Kuss auf die Wange hauchen, dann an ihm vorbeischweben und sich einen Obstsalat machen.

Er ging zum Waschbecken, warf sich zwei Hände voll kalten Wassers ins Gesicht und tauschte seine Pistole gegen eine Teasertron M-31 aus dem Waffenschrank. Zurück in der Küche, prüfte er die Richtung der hereinfallenden Sonnenstrahlen und wählte einen Sitzplatz, an dem ihn das Licht nicht blendete. Die Elektroschockwaffe entsicherte er, legte sie so auf die schwarze Acrylplatte des Küchentisches, dass er in Sekundenschnelle feuern konnte, und warf sein Dinnerjacket darüber. Dann griff er nach seinem Smartphone und las die News, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt in diesem Moment für ihn.

Der Text einer Headline sprang ihn förmlich an: „Johannes Hakonsen, der Mäzen und Besitzer von NordicSF, zeigt einmal mehr, dass er ein Herz für die Armen besitzt. Mit großzügigen zwanzig Millionen Euro finanziert er die Ausbildung von einhundert Straßenkindern und gibt ihnen eine gesicherte Zukunft.“
Borg schüttelte den Kopf. Was sich so gut als Schlagzeile machte, war in Wirklichkeit eine Überlebensstrategie der Firma. Kinder, die die öffentlichen Schulen besuchten, lernten dort alles Mögliche, aber garantiert nicht selbständiges Denken. Für anspruchsvolle Jobs waren sie nicht mehr zu gebrauchen. In einem staatlichen Schulwesen, das kein Geld mehr hatte, lernten sie in verrotteten Klassenzimmern nur, wie man Sexspielzeug möglichst lustspendend für pädophile Umweltverschlimmbesserer bediente und wie man sich einer Gang anschloss, um zu überleben und die zu verprügeln, die das nicht getan hatten.

Hakonsen schuf sich mit seinen Privatschulen einen Pool von hervorragend ausgebildeten Fachidioten, die auch noch auf die Ideologie von NordicSF eingeschworen wurden, und sicherte der Firma ihren Wettbewerbsvorsprung. Es hätte Borg nicht überrascht, wenn die Marketingabteilung der Firma selbst den Artikel geschrieben hätte. Traue nie einem Journalisten, wenn du nicht weisst, wer ihn bezahlt, dachte Borg.

Über ihm klappte eine Tür und er warf einen prüfenden Blick auf den Tisch. Sein Dinnerjacket verbarg gut genug die geladene und entsicherte Waffe. Sein Smartphone vibrierte und er blickte auf das Display. Captain Simmons hatte die Daten über Sylvie zusammen mit der Verhaltensprognose von Dr. Tenner gesendet und Borg überflog ihren diesmal echten Lebenslauf. Mitten drin stoppte er, las den Absatz noch einmal und holte dann tief Luft. Sylvia alias Susan war auch in fortgeschrittenen Verhörtechniken unterrichtet worden und auf der Liste ihrer Ausbilder stand ein Name, den Borg kannte: Christine Sundance.

Ohne Gruß tapste Sylvie auf nackten Füßen in seinem alten Bademantel an ihm vorbei und kein Duft eilte ihr voraus. Sie drückte auf den Knopf der Kaffeemaschine, stützte ihre Hände auf die Marmorplatte unter dem Panoramafenster und reckte sich der Morgensonne entgegen. Mit hinter dem Kopf verschränkten Armen genoss sie mit vorgereckten Brüsten die Wärme auf ihrem Körper. Einen Moment verharrte sie so, dann drehte sie sich um zu ihm. „Welchen Teil meiner Nachricht gestern hattest du nicht verstanden, Schatz?“

Er schlug die Beine übereinander: „Ich fühlte mich ein wenig indisponiert.“

„Ein ehemaliges Computergenie und das Wort ‚indisponiert‘? Aus welcher Schmonzette hast du das denn? Oder war es ein Comic?“

„Streich das Attribut ‚ehemalig‘.“

„Du weißt, was ein Attribut ist, unglaublich. Du machst mich glücklich, Schatz. Lieber wäre mir allerdings gewesen, du hättest das heute Nacht gemacht. Oder denkst du, dass ich nur deswegen jedes Wochenende von Schwerin nach Oslo fliege, weil mir mein Luxusbett zu Hause zu hart ist?“ In ihren Augenwinkeln bildeten sich Wutfalten. „Ich bin deinetwegen hier, mache mich auch noch hübsch für dich und dann ist der Herr indisponiert. Ich bin eine Frau mit Gefühlen! Die du verletzt!“

„Und welche wären das? Für mich zum Beispiel?“

„Liebe, was denn sonst!“

„Erstaunlich.“

„Was?“

„Wie glatt dir das Wort über die Lippen geht. Susan.“

Ihre Augen weiteten sich eine Winzigkeit, doch das blieb die einzige Reaktion, die er bekam. Sie stieß sich mit den Händen von der Arbeitsplatte ab, ging in die Knie und nahm die Milch aus dem Kühlschrank. Sie stellte sie neben die Ananas, griff mit einer langsamen, wie abgezirkelt wirkenden Bewegung nach einer Kiwi und nahm ein Obstmesser aus dem Ständer auf der Anrichte vor ihr. Erst jetzt fragte sie ruhig: „Ihr habt die E-Mail abgefangen?“

Er log, ohne mit der Wimper zu zucken. „Ja.“

„Ich wusste, dass sie ein Fehler war. Schade.“

Als sei nichts geschehen, begann sie, die Kiwi zu schälen und trennte die Schale so geschickt von dem Fruchtfleisch, als sei das Obstmesser in ihrer Hand ein zusätzlicher Finger. Wider Willen bewunderte er ihre Selbstbeherrschung.
Er sagte: „Du hattest hundertmal die Gelegenheit, mich umzubringen.“

Mit zwei Schnitten teilte sie die geschälte Kiwi in vier Teile. „Vielleicht liebe ich dich tatsächlich? Vielleicht habe ich dir zugetraut, dass du mich nicht nur für dein Ego haben willst? Du bist ein starker Mann und außerdem einer, der mit Mikkelsen eine Rechnung offen hat.“

Etwas in ihm hätte ihr gerne geglaubt. Etwas, dass von dem jungen Informatikstudenten übriggeblieben war, der sich noch immer an den Erdbeergeschmack des ersten Kusses seiner großen Liebe erinnerte. Doch am nächsten Tag hatte er sich umsonst den Hintern auf dem Hamburger Kiez beim Warten auf den zweiten Kuss abgefroren. Sie war an ihm vorbeigegangen, achtlos und mit ihrer Hand im Arm eines reichen Schnösels. Er riss sich aus seinen Erinnerungen. „Falsche Antwort. Versuchs noch einmal.“

Sie blickte auf das Obstmesser in ihrer Hand. „Haben wir nichts Vernünftiges? Auf dem hier kann ich bis nach Jerusalem reiten.“

„Ich warte.“

„Worauf?“ Sie griff nach einem anderen Messer und fuhr mit dem Daumen über die Schneide. „Das ist besser.“

Er schob seinen Stuhl ein wenig vom Tisch zurück. Er brauchte Bewegungsfreiheit. „Auf eine Antwort. Sonst prügel ich sie auf dem Küchentisch aus dir heraus.“

Gerade noch rechtzeitig riss er Oberkörper und Kopf zur Seite. Das dumpfe Schmettern, mit dem das Messer in den Türrahmen hinter ihm krachte, hallte noch durch die Küche, da schwang sie schon ihren Arm mit einem Zweiten in der Hand nach hinten.

Er riss die M-31 unter seinem Dinnerjacket hervor, ließ sich zur Seite kippen und feuerte im Fallen. Fünfzigtausend Volt entluden sich in ihren Bauch. Sie krachte zu Boden, zuckte noch ein paar Mal, dann erlosch das Licht in ihren Augen und sie lag still.

Er rappelte sich wieder auf, stellte den umgekippten Küchenstuhl direkt neben ihren reglosen Körper, setzte sich umgekehrt darauf und betrachtete sie. Ein Treffer von einer Teasertron M-31 richtete keinen großen Schaden an, es sei denn, man hatte ein schwaches Herz oder trug einen Schrittmacher. Doch er tat höllisch weh und wer einmal eine Ladung abbekommen hatte, würde den Teufel tun, sich noch eine Zweite einzufangen.

Hätte er nicht geahnt, was sie tun würde, hätte er keine Chance gehabt. Kein Zucken in ihrem Gesicht, kein weit ausholender Armschwung hatten ihn gewarnt. Lächelnd hatte sie den linken Ellenbogen nur eine Winzigkeit nach außen gedreht und dann das Messer an ihrer Hüfte vorbei wie eine Frisbeescheibe geschleudert. Sie musste einen wirklich guten Lehrer gehabt haben.

Die Kaffeemaschine meldete sich mit einem sanften „Ding-Dong“. Er schob seinen Stuhl zurück, stieg über die reglose Sylvie hinweg und füllte sich eine Tasse fast bis zum Rand mit dem schwarzen Gebräu. Dann warf er noch drei Zuckerstücke hinein und hob sie von der Arbeitsplatte bis in seine Augenhöhe. Die Oberfläche der Flüssigkeit zitterte kaum, er nahm einen Schluck und ging zurück zu seinem Platz.

Sylvies Blick klärte sich. Sie versuchte, sich vom Fußboden hochzustemmen und er fesselte ihre Hände mit dem Gürtel des Bademantels auf den Rücken. Der Stoff klaffte auf und gab ihren nackten Körper seinem Blick preis, aber ihr Zauber war verflogen und sie war nichts weiter als eine schöne Frau, die ihn hatte umbringen wollen.

Heftiger als nötig riss er sie vom Fußboden hoch, schubste sie auf den Stuhl, der seinem gegenüberstand, schlug ihr leicht zweimal mit der flachen Hand ins Gesicht und schnipste mit den Fingern vor ihren Augen. „Wieder ansprechbar?“

Sie stöhnte und blitzende Wut verdrängte die Trübheit in ihrem Blick. „Du Drecksau!“

„Also ja. Ich warte noch immer auf eine Antwort.“

„Leck mich!“

Sein trockenes Lachen war nicht lustig. „Die Zeiten sind vorbei, auch wenn ich endlich ein bisschen Leidenschaft bei dir sehe, nicht nur Berechnung. Gefällt mir. Also?“

„Mach mir die Hände los und gibt mir ein Glas Wasser!“

Er stand auf, füllte aus der Leitung ein Glas und hielt es ihr an den Mund. „Die Hände bleiben gefesselt. Ich bin nicht neugierig darauf, was du noch alles damit anstellen kannst, außer Messer zu werfen. Wenn du wieder dein Gehirn benutzt, mache ich dich los.“

Sie spuckte ihm das Wasser ins Gesicht. Mit der flachen Hand schlug er sie hart auf den Mund. Der Hieb riss ihr den Kopf zur Seite, Blut rann aus ihrer Unterlippe, doch sie gab keinen Ton von sich. Er schlug ein zweites Mal zu, überlegte einen Moment, dann ballte er die Faust und ließ sie präzise auf ihr linkes Auge krachen. Auch das ertrug sie stumm, starrte ihn nur mit brennendem Blick an.

Mit einem Küchenhandtuch wischte er ihr das Blut ab und betrachtete aufmerksam die Spuren seiner Schläge in ihrem Gesicht. Sie hatte eine aufgeplatzte Lippe und spätestens heute Abend würde auf ihrem rechten Jochbein ein fettes Hämatom prangen. Jeder würde es sehen können, auch ihr Chef Wielander in Schwerin. Ein Beziehungsende auf die harte Tour.

Er ließ sich wieder auf dem Stuhl ihr gegenüber nieder. „Und jetzt will ich, dass du mitdenkst. Also bekomm deine Hormone in den Griff und beantworte meine Frage!“

„Was willst du?“

„Warum lebe ich noch?“

Sie fuhr sich mit der Zunge über die blutende Lippe. „Du bist nicht wichtig. Ein Nichts. Eine dumme Waffe. Leute wie dich gibt es an jeder Ecke im Dutzend. Dein Tod tut keinem weh.“

„Du hast mit mir geschlafen, obwohl du mich hasst?“

„Dich hassen?“ Sie zog die Mundwinkel nach unten, obwohl ihr die aufgesprungene Lippe dabei weh tun musste. „Dich kleine Funzel? Mein Körper ist nicht so wertvoll, das ich ihn nicht verwenden würde für das, was ich will. Jedes Mal, wenn du in mich hineingestoßen hast, habe ich mir vorgestellt, wie ich das Gleiche bei dir machen werde. Mit einer zwanzig Zentimeter langen Nadel, ganz langsam, Stück für Stück, dass du genau merkst, wie sie sich auf dein Herz zubewegt.“

Er griff nach der Teasertron. „Meine Nacht war anstrengend, auch ohne dich. Drei Möglichkeiten: Ich kann dich mit diesem Ding hier leuchten lassen wie eine Magnesiumfackel, bis du mir sagst, was ich wissen will; ich kann dich als Paket vor Wielanders Tür legen, der wird sich freuen, wieder jemanden für sein Spielzimmer zu haben; oder ich kann dich umbringen, jetzt sofort und kein Hahn würde nach dir krähen. Gib mir einen Grund, nichts davon zu tun.“

In ihren Augen loderte ein wildes Feuer, doch sie schwieg. Er bückte sich, hob das Messer, das sie nach ihm geworfen hatte, vom Boden auf und wog es einen Moment in der Hand. Dann stand er auf und setzte ihr die Spitze auf die Brust.

„Rede!“, zischte er und erhöhte den Druck. Ein Blutstropfen drang hervor, dann noch einer. Sie rannen über ihre alabasterweiße Brust und in ihren Augen flackerte etwas auf, von dem er sich sicher war, dass es nicht mehr nur Wut war.

Mit der Zunge fuhr sie sich über die Lippen. „Warum, Ragnar? Warum ist das so wichtig für dich? Es ist doch sowieso zu spät. Bring mich um, bevor Wielander mich in die Hände bekommt. Oder ...“

Sie neigte ihren Kopf ein wenig zur Seite, kniff die Augen zusammen und betrachtete sehr aufmerksam sein Gesicht. „Oder suchst du wirklich nach einer vierten Möglichkeit?“

Mit einem Handgelenksschlenker warf er das Messer in die Spüle und machte ihr die Hände los. Er setzte sich wieder ihr gegenüber und nahm einen Schluck Kaffee. „Jetzt fängst du an mit Denken.“

Sie rieb sich die schmerzenden Handgelenke. Dann fuhr sie mit der Hand über ihre Brust und wischte sich das Blut ab. „Es gibt drei Arten von Menschen. Die, die bluten, immer und immer wieder. Dann gibt es Leute wie dich, die das Blut vergießen und die, die es befehlen. Leute in Anzügen, mit sauberen Händen und strahlendem Lächeln. Mikkelsen und Wielander - das sind die wahren Mörder und ich will sie um alles in der Welt tot sehen. Sie sind beide Schweine, der eine würde den anderen lieber heute als Morgen loswerden.“

Sie streckte ihre Hand aus und legte sie auf seinen Arm. „Willst du immer ihr Fußabtreter bleiben? Mikkelsen kann dich nicht leiden, weil du zu gut bist. Was bedeutet, dass du nicht mehr sehr alt werden wirst, wenn du nicht etwas dagegen tust. Und das machst du, ich weiß das. Ich habe mir die Leute angeschaut, die du in den letzten Jahren in dein SIT geholt hast. Keiner ist von NordicSF ausgebildet worden. Alle sind Profis mit einer Vergangenheit, die du wahrscheinlich von früher kennst. Du hast etwas vor und ich dachte, dass ich das am ehesten in deinem Bett erfahre.“

Er achtete darauf, dass sein Gesicht keine Emotion zeigte. Es war eine Lüge, dessen war er sich sicher. Wenn sie hätte ihn und Wielander umbringen wollen, dann hätte sie in den letzten Jahren genug Gelegenheit dazu gehabt. Es war nichts weiter als eine Story, wie er sie sich früher vor jedem Einsatz ausgedacht hatten für den Fall, dass er gestellt wurde.

Er sagte: „Was würdest du tun, wenn jemand heute Nacht alle Daten über Susan Breedlove in den Firmendatenbanken gelöscht hätte?“

Wieder blickte sie ihn aufmerksam an. „Es gibt also doch die vierte Möglichkeit.“

Natürlich gab es die und er hatte sie schon längst gefunden - vor über zehn Jahren, als er Ängströms Daten entschlüsselt und sich mit schwarzgefärbtem Bart und Haaren in den endlosen Strom der Flüchtlinge aus dem Nahen Osten eingereiht hatte. Es hatte nur ein Land gegeben, in das er nach dem Tod Ängströms hatte fliehen können. Die Deutschen waren so brav dämlich gewesen, jeden aufzunehmen, der ohne Papiere kam. Hauptsache, er konnte „allahu akbar“ stammeln.

„Borg? Was machen wir jetzt?“ Sylvie holte ihn in die Wirklichkeit zurück.

„Warten.“

„Was?“

Borg lächelte. „Ein altes chinesisches Sprichwort sagt: Wenn man lange genug am Fluss sitzt, sieht man irgendwann die Leiche seines Feindes vorbeitreiben.“

Sie stand auf und reckte sich. „Wir sollten in Ruhe darüber reden. Ohne Messer und Pistolen.“

Wie zufällig klaffte sein Bademantel über ihrem Körper auseinander. „Vielleicht bist du ja jetzt mit dem ganzen Adrenalin in deinem Körper besser disponiert. Hat es dich eigentlich scharfgemacht, mich zu schlagen?“

Die Antwort war „nein, nicht mehr“, aber das war wahrscheinlich nicht die, die sie erwartete, und darum sprach er sie nicht aus. Es hätte auch nicht gestimmt und innerlich grinste Borg über sich selbst. Gegen die Hormone kam auch sein genialer Verstand nicht an. Mit dem Unterarm fegte er das Geschirr beiseite, packte sie grob und warf sie rücklings auf den Tisch. Sie wehrte sich nicht, lächelte sogar lasziv und fast bewunderte er sie dafür. Verprügelt und damit rechnen müssend, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte, machte sie das Bestmögliche aus ihrer Situation. Christin Sundance hätte allen Grund gehabt, stolz auf ihre Schülerin zu sein. Offenbar hatte sie Sylvie nicht nur beigebracht, wie man andere umdrehte, sondern auch, wie man aus einem Verhör wieder herauskommen konnte. Wahrscheinlich glaubte Sylvie tatsächlich, dass ihre Cleverness, ihr Engelslächeln und ihre willig gespreizten Schenkel Waffen waren, mit denen sie ihn kontrollieren konnte.

Rücksichtslos spreizte er ihr die Beine und drang mit einem harten Stoß in sie ein. Er mochte Menschen, die glaubten. Sie waren so einfach zu manipulieren. Wieder stieß er zu, Sylvie stöhnte, schob ihre Arme unter seinen Achseln hindurch, verschränkte ihre Hände hinter seinen Schulterblättern und zog ihn noch dichter auf ihren Körper herab. Wie eine Schlange wand sie sich unter ihm, so lustvoll lebendig, wie er sie noch nie erlebt hatte. Ihre spitzen Schreie hallten durch die Küche, Schweiß rann den Rücken herab, schneller bewegter er sich, keuchte und als wäre sie ihm immer noch nicht nah genug kreuzte sie auch noch die Beine über seinem Steißbein. Wenn er sich jetzt aufrichtete, würde sie trotzdem nicht von ihm herabfallen. Er sah dieses Bild vor seinem inneren Auge, er und diese Frau, stehend, sie aufgespießt von seinem Phallus, an ihn geklammert, als wären sie ein Körper ...

Er schrie die Explosion hinaus, wie er es noch nie getan hatte mit dieser Frau unter ihm und wurde weich. Er erschlaffte, gab die eiserne Kontrolle über seinen Körper und Geist auf und sank auf Sylvie herab. Nur für einen winzigen Moment, dass erste Mal überhaupt, seit er sich erinnern konnte, dann straffte er sich wieder. Doch Sylvie gab ihn nicht frei. Brutal drückten ihre Fersen auf sein verlängertes Rückgrat, ihre Arme fixierten seinen Oberkörper. Blitzartig begriff er, in welcher Falle er gefangen war – würgen, schlagen - nichts davon konnte er in dieser Position tun. Sylvie hatte ihn mit ihren Armen und Beinen gefesselt und wenn sie nur noch ein wenig mehr Druck mit den Füßen ausüben konnte, würde sie ihm die Wirbelsäule brechen.

Er knurrte wie ein Wolf, konzentrierte alles, was er an Kraft hatte, auf seine Rückenmuskulatur, um sich mit einem Ruck aufzurichten, da berührte etwas eisig Kaltes seinen Anus und die Stimme einer Frau sagte hinter ihm: „Ich bin Christine. Ich liebe Dich und Du wirst mich auch lieben.“

Fortsetzung folgt ...
*****rPe Mann
1.498 Beiträge
Wauuu, wird ja heiter weiter gehen!! Toll geschrieben!!
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