nicht "die beste aller welten"
Ich glaube, dass (Lebens-)Erfahrung sicher nichts schlechtes ist und man mit der Zeit ja bestimmt andere, neue Dinge entdeckt und somit einem weniger erfahreneren einen potentiellen "Vorsprung" voraus hat (sofern man sich hier überhaupt messen sollte). Aber gleichzeitig macht man grundlegende "technische" Erfahrungen ziemlich schnell und ob man etwas nun 10x oder 100x gemacht hat, spielt in meinen Augen keine so grosse Rolle.
Viel wichtiger als die abzählbare "Erfahrung" wird meines erachtens schnell einmal die Hingabe, Lust mit der man etwas tut. Ein Mann, welcher z.B. dem Lecken einer Frau nicht viel abgewinnen kann, wird das auch nach dem x-ten Mal für die Frau weniger "aufregend" tun, als einer, der vielleicht noch nicht so viele Erfahrung aber dafür grosse Lust dabei empfindet. Umgekehrt genauso.
Auch legt das "Potential", wie Minx es nennt, den Grundstein für bestimmte Erfahrungen. Wenn eine Offenheit, Neugierde dem sexuellen gegenüber nicht vorhanden ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit jene Erfahrungen zu erleben auch viel geringer.
Insofern könnte man sagen, dass beim Vorhandensein dieser Lust am Entdecken und an der Lust des Gegenübers, diese Eigenschaft "wichtiger" ist, als die Erfahrung.
Andererseits führen manchmal erst Erfahrungen, prägende Erlebnisse manchmal dazu, den Sex so richtig geniessen zu können. In einem solchen Fall, für diesen Menschen, wäre dann wohl Erfahrung wichtiger.
Ich glaube daher, dass "Potential" und "Erfahrung" oft wechselwirkung und sich gegenseitig positiv beeinflussen (manchmal vielleicht auch negativ, wenn schlechte Erfahrungen einem verschlossen machen oder die verschlossenheit, der leistungsdruck gerade zu schlechten Erfahrungen führt).
Ich für meinen Teil würde ich die Einstellung, die sexuellen Fantasien, die Spielfreude als entscheidender für "guten Sex" beruteilen, als die schon gemachte Erfahrung.
Neben all dem ist es minunter aber auch sehr subjektiv, was "tollen Sex" ausmacht. Es gibt wohl "positive" Grundeigenschaften: sich fallen lassen können, offen sein für neues, Neugierde, Lust an der Lust etc. Doch die individuellen Vorlieben scheinen mir so vielfältig, dass das eine (eine bestimme Stelle, Berührung, Stellung, Technik usw) für den/die eine(n) das grösste ist, während es der/die andere nicht mal als angenehm empfindet. Das Prädikat Guter Liebhaber / schlechter Liebhaber fällt meiner Meinung nach manchmal auch je nach Konstellation ganz verschieden aus. Ich wäre daher etwas vorsichtig mit Begriffen wie "vermindertes Empfindungspotential" oder "nicht wissen wie man(n) eine Frau anfassen soll" (um nur ein Beispiel zu nennen; meiner Erfahrung nach mögen Frauen z.b beim lecken oft ganz unterschiedliche Dinge und Berührungen).
In dem von Minx erwähnten Fall wäre etwas mehr Aufmerksamkeit bestimmt eine gute (grundlegende) Eigenschaft gewesen, aber ich finde Mann, wie Frau, sollte lieber ein Wort zuviel äussern, als eines zuwenig. Sprich; dem Gegenüber dann eben wörtlich oder mit der Hand führend zu verstehen geben, was man mag und will. Ich finde wenn "Sie" einfach nur daliegt und denkt "wann ist es endlich vorbei", dann ist keinem von beiden gedient.
Manche Dinge klappen vielleicht nicht gleich auf anhieb, Signale werden womöglich nicht verstanden oder falsch interpretiert; ich glaube dass man beim Sex damit rechnen und darauf auch mit einer gewissen Gelassenheit und etwas Grossmut reagieren sollte (wir leben schliesslich nicht in der "besten aller Welten" um bei Voltaire zu bleiben *g). Ich halte den Anspruch, dass beim Sex von Beginn weg jede Berührung instinktiv sitzen "müsse" für verfehlt, auch wenn es etwas sehr schönes ist, wenn zwei Körper instinktiv so harmonieren.
Wenn man nicht bereit ist, Missverständnisse auszuräumen und von Beginn weg Perfektion erwartet, dann auferlegt man sich wahrscheinlich einige Enttäuschungen und verbaut sich zugleich die Möglichkeit, dass vielleicht auch das Schilfrohr in den Himmel wächst