Meine Erfahrungen und Beobachtungen
Wir hatten dieses Thema neulich erst in der Hypersexualitäts-Gruppe - wir Hypersexuellen, die zumeist ja promiskuitiv sind, gehören schließlich zu den Hochrisiko-"Gruppen" ...
Als ich 1993 in die offene Szene eingestiegen bin, war das Bewußtsein für safer sex sehr hoch und er wurde auch praktiziert. An den "Locations" am Baggersee, auf dem Parkplatz und im Pornokino ist man in gebrauchten Kondomen geradezu gewatet. Das war zwar nicht schön - aber irgendwo war es beruhigend zu sehen, daß die Dinger auch eifrig benutzt werden und tatsächlich sind die Zahlen der Neuinfektionen bis ungefähr zur Jahrtausendwende auch zurückgegangen. Dann kippte die Sache irgendwann um und an den Treffs ist es immer sauberer geworden. Safer sex war zwar in aller Munde, aber wurde kaum noch praktiziert - "barebacking" (wozu ich über den Wortsinn hinaus auch ungeschützten Vaginalverkehr und die Aufnahme von Sperma rechne) habe ich immer häufiger gesehen. Auch die amtlichen Statistiken gingen wieder nach oben ...
"Safer sex" ist zu einer regelrechten Doppelmoral geworden - jeder schwört Stein und Bein, es nur "mit" zu machen - aber viele dieser Eide sind leider: Meineide - und keiner weiß, wieviele es sind und vor allem: wer diejenigen sind. Ganz besonders perfide kommt es mir vor, wenn die Beschwörung von safer sex v.a. dazu dienen soll, andere zum barebacking zu überreden: "Mit Dir würd' ich's auch ohne machen - aber wirklich nur mit Dir ! Weil: Du bist was ganz besonderes für mich ... !" usw usw. Deswegen halte ich es für hochriskant, mit "buddies", auf die man glaubt, sich verlassen zu können, unsafe sex zu praktizieren. Auch habe ich keine "schichtspezifischen" Unterschiede beobachten können - "Niveau" bietet leider durchaus keine Gewähr für hygienisch verantwortliches Sexualverhalten.
Gegen diese Doppelmoral kann man m.E. - leider - nichts kurzfristig wirksames tun, sondern nur auf eine langfristige Wirkung von "gesundheitlicher Aufklärung" hoffen - zB durch Artikel und threads wie diesen. Dieses Thema wird uns wohl lebenslang erhalten bleiben - müssen !
Ein schon etwas älterer Spruch ist daher auch heute noch für mich hochaktuell: "Ich behandele jeden Sexpartner so, als wäre er HIV+!"
Mir selbst fällt es aufgrund meiner von mir vielgeliebten Perversion (ich bin autoerotischer Exhibitionist) relativ leicht, die safer-sex - Regeln recht streng einzuhalten, weil ich von vorneherein keinen GV/AV betreibe (auch kein AV passiv), womit der Hauptinfektionsweg verschlossen ist. Passiven Oralsex lasse ich häufig zu, aktiven Oralsex nur sehr restriktiv - dann allerdings ohne Kondom oder Lecktuch (letzteres habe ich noch niemals irgendwo "live" gesehen).
Mein Hausarzt und mein Hautarzt kennen meine Sexualgewohnheiten und haben mich jedenfalls bisher nicht aufgefordert, sie zu ändern. 2x im Jahr, im Frühling und im Spätherbst, ist bei mir die Testbatterie auf HIV & Co. fällig - bislang stets negativ - und die gängigen Impfungen gegen Hepatitis & Co habe ich mir auch verabreichen lassen.
OK - ich bin kein Heiliger. Es gab in den letzten Jahren 2 Risikoexpositionen, die Tests ausserhalb der Reihe erforderlich machten - Glück gehabt. Aber nervenzerfetztend war das Warten gerade auf diese Testergebnisse schon gewesen. Allzuoft möchte ich das nicht mehr erleben.