Eine Geschichte wie Viele
(Vorweg ein Wort des Autors: Ich stelle mich nun meinem Publikum, Stück für Stück. Ich würde mich über Feedback freuen. Und ich kündige an: Ich habe nicht die Absicht, Pornografie zu schreiben.)Marc und Anne hatten das alte Herrenhaus am Ende doch noch gekauft. Marcs Idee, jemanden zur Untermiete aufzunehmen, hatte Annes Seelenqual ein Ende bereitet.
Auch bei der optimistischsten Kostenrechnung hatten fast zweitausend Franc im Monat gefehlt. Aber Anne war unsterblich in das Haus verliebt: Es lag in einem Villenviertel am Rande der Stadt, hatte einen wild verwucherten und weitläufigen Garten auf der Rückseite, im Keller eine Sauna und neben der Terrasse ein Schwimmbad, das zur Außenseite hin in einen viktorianischen Wintergarten überging.
Das gesamte Gebäude mochte gegen Ende des achtzehnten Jahrhunderts errichtet worden sein und obwohl jeder Besitzer im Laufe der Zeit viele kleine Änderungen vorgenommen hatte und seine persönlichen Bedürfnisse ein- und angebaut hatte, war der Gesamteindruck unverkennbar von der Verspieltheit des ursprünglichen Architekten geprägt.
Die Fassade war fast vollkommen vom Efeu überwuchert und die beiden Eichen rechts und links der Eingangstreppe ragten weit über das dunkle Schieferdach hinaus. Marc war bei der ersten Besichtigung auch aufgefallen, dass die Raumhöhe deutlich über das heutzutage übliche Maß hinausging. Ihm erschien diese Tatsache bemerkenswert, da die Menschen in früheren Zeiten doch im Durchschnitt kleiner gewesen waren und somit im Grunde nicht so viel Raum nach oben benötigt hätten.
Anne war allerdings egal, welchen Grund es für die Höhe der Räume geben mochte, sie lief wie ein kleines Kind durch die Korridore, riss jede Tür auf und sah in jedes Zimmer hinein. Immer wieder stieß sie kleine Jubelschreie aus, wenn ihr etwas Besonderes auffiel, wie etwa der offene Kamin in dem großzügig angelegten Tagesraum oder die tief eingelassene Badewanne, in der sich ohne Schwierigkeiten zwei oder sogar drei Personen vergnügen konnten.
Der Makler kam kaum hinter ihr her und da Marc die Räumlichkeiten lieber einer genaueren Prüfung unterzog, wusste der arme Mann nicht so recht, bei wem er bleiben sollte: Bei dem kritischen Herrn, um rechtzeitig auf die Vorzüge des Hauses hinzuweisen, falls es tatsächlich einen Grund für Reklamationen gab, oder bei der jungen und etwas verspielten Dame, um deren Eifer zu bremsen, wenn es ihm nötig erschien.
Marc sah Anne die Treppe hinauflaufen und gab dem Makler ein Zeichen.
„Holen sie doch bitte die Vertragsunterlagen. Ich denke, meiner Verlobten sagt das Anwesen zu.“
Der Mann rieb sich die Hände und beeilte sich, dem Wunsch nachzukommen. Als er außer Sichtweite war, überflog ein leises Lächeln Marcs Gesicht. Er folgte Anne, zwei Stufen auf einmal nehmend, und am Ende des Korridors sah er Sie stehen. Er verlangsamte seinen Schritt und seufzte.
„Da wir uns das Haus ohnehin nicht leisten können, Mon Amour, lass uns jetzt bitte nach Hause fahren.“
Sie war entsetzt. Sah ihr Geliebter denn nicht, dass sie nur noch glücklich sein konnte, wenn er mit ihr in dieses Haus zog? Sie verstand die Welt nicht mehr.
„Können wir es nicht wenigstens mieten?“
Sie zog einen Schmollmund. In ihren Worten schwang leiser Trotz mit. Marc lächelte hintergründig.
„Ich weiß nicht recht. Es würde viel zu lange dauern, den Kauf zu regeln. Ich will aber schnell nach Hause, denn ich habe plötzlich einen unheimlichen Appetit auf dich!“
Anne wich lachend zurück, hob die Hände über den Kopf, stellte sich auf die Zehenspitzen und drehte sich einmal um ihre Achse.
„Wenn es nur daran liegt: Dafür müssen wir nicht nach Hause fahren.“
Sie tänzelte rückwärts durch die nächste offene Tür. Marc folgte ihr in das muffige Halbdunkel des Zimmers. Die Fenster waren von außen zugenagelt und seit Monaten schien niemand mehr gelüftet zu haben. Marc stemmte die Hände in die Hüften.
„Du willst doch nicht hier…?“
Anstelle einer Antwort löste Anne ihren Gürtel und ließ ihr leichtes Sommerkleid zu Boden gleiten. Sie trug wie üblich nichts außer den Strumpfhaltern darunter. Marc stieß mit seinem Hacken gegen die Tür und das spärliche Licht, das durch diese Öffnung in den Raum gefallen war, wurde zu einem schmalen Strahl, in dem der Staub wirbelte. Anne sank auf die Knie und öffnete Marcs Hose.
Der Makler war inzwischen in das Haus zurückgekehrt. Er hob lauschend den Kopf. Eindeutige Geräusche drangen aus dem oberen Stockwerk. Er blickte missmutig auf die Uhr. Dann seufzte er, ging zu seinem Wagen und setzte sich hinein. Er öffnete das Verdeck, steckte sich eine Zigarette an und schaltete das Radio ein. Er kannte diese Situation: Die meisten Paare verhielten sich beim Kauf eines Hauses so oder so ähnlich. Später, wenn sie einige Jahre zusammen gewohnt hatten, kam es immer seltener vor und irgendwann hörte es völlig auf. Dann kam meistens die Scheidung und das Haus wurde wieder verkauft – in den meisten Fällen ein weiteres Geschäft für ihn.
Aber auch, wenn es seinen Feierabend unnötig hinauszog, störte er die beiden jungen Leute nicht. Sollten sie ihren Spaß haben: Es war klar, dass er dieses Haus verkauft hatte. Er nutzte die unverhoffte Pause um sich auszumalen, mit wem er wo und wann die nicht unbeträchtliche Provision für dieses Objekt durchbringen würde. Seine bevorzugten Vorstellungen gingen dann auch ziemlich in die Richtung dessen, was die beiden Jungverliebten gerade im ersten Stock des alten Herrenhauses auf dem staubigen Boden vollzogen, er würde lediglich darauf Wert legen, eine noch jüngere Frau als die Käuferin zu buchen, wenngleich, diese schon seinem bevorzugten Beuteschema entsprach: Blond, langhaarig, schlank, aber mit sichtbaren, festen Brüsten ausgestattet, lange Beine, schmale Nase, volle Lippen, schmale Taille – ja, diese Anne wäre auch nach seinem Geschmack gewesen. Aber sie war ja nun einmal frisch verliebt und trieb es gerade mit ihrem Ehemann auf dem schmutzigen Fußboden dort oben. Also würde er sich einen ähnlichen Typ Frau kaufen – wie so oft, wenn es etwas zu feiern gab – und darauf achten, dass es sich um eine echte Professionelle handelte, die ihm auch einige eher exotische Genüsse verschaffen konnte.