"Du sollst dir kein Bildnis machen"
Das Zitat eines Mannes in einem anderen ThreadIch hielt fest, da ich ihr geglaubt hatte das zu sein, was sie mir als ihr Ich darstellte.
Brachte mich zu folgenden Überlegungen:
Wie oft passen wir unsere Selbstdarstellung nicht unserem eigenen inneren Bild unseres Selbst an sondern vielmehr den (vermeintlichen oder tatsächlichen) Erwartungen und Rollenbilder der Außenwelt an uns?
Das beginnt schon in frühester Kindheit, wenn wir uns redlich bemühen, so zu sein oder zu werden, wie unsere Eltern das von uns erwarten, damit wir geliebt werden.
Bei einigen von uns setzt sich dieses Verhalten im Erwachsenenalter fort, weil wir einen anderen Menschen brauchen, um unseren Selbstwert zu bestätigen.
Gerade die virtuelle Welt lädt zu diesen Projektionen ein - schnell ist ein Profil erstellt, das in Bild und Text weniger unser authentisches Sein beschreibt, sondern ein "Ich", wie ich es zum einen gerne wäre, zum anderen aber als am besten "vermarktbar" ansehe. Inwieweit diese Anpassung an unausgesprochene Erwartungen anderer oder medial transportierte ideale Personae eine bewusste Entscheidung ist oder auf unbewussten Mechanismen beruht, wäre ein weiterer interessanter Aspekt meiner Fragestellung.
Befinden sich dann zwei "Schauspieler" ihres verzerrten Selbstbildnis in einer Beziehung zueinander entsteht die Situation eines klassischen Double bind
https://de.m.wikipedia.org/wiki/Doppelbindungstheorie - keiner kann sich aus der einmal eingenommenen Rolle lösen, da er damit das Beziehungskonstrukt aus dem künstlich hergestellten Gleichgewicht bringt. Jede Veränderung bzw. Rückkehr zum tatsächlichen Ich konfrontiert den anderen mit einer Person, die aus dem bisherigen Kontext gerissen wie ein bedrohlicher Fremder wirken muss.
Fraglich ist auch, ob und wie der Andere die angenommene Rolle durchschauen kann. Dem Mann aus dem oben zitierten Beispiel scheint es irgendwann gelungen zu sein.
Wenn Herr K. einen Menschen liebte
von Bertolt Brecht
"Was tun Sie", wurde Herr K. gefragt, "wenn Sie einen Menschen lieben?" "Ich mache einen Entwurf von ihm", sagte Herr K., "und sorge, daß er ihm ähnlich wird." "Wer? Der Entwurf?" "Nein", sagte Herr K., "der Mensch."
von Bertolt Brecht
"Was tun Sie", wurde Herr K. gefragt, "wenn Sie einen Menschen lieben?" "Ich mache einen Entwurf von ihm", sagte Herr K., "und sorge, daß er ihm ähnlich wird." "Wer? Der Entwurf?" "Nein", sagte Herr K., "der Mensch."
In diesem Sinne:
• wie oft geschieht es, dass ihr euch ein Bildnis von eurem Partner macht und dann feststellt, dass er diesem gar nicht entspricht?
• glaubt ihr, dass ihr der Welt/eurem Partner ein authentisches Bild bietet, das eurem inneren Selbstbild entspricht?
• wie geht ihr mit Veränderungen in der Beziehung um, die sich dadurch ergeben, dass euer Partner plötzlich ganz andere Seiten von sich offenbart, die eurem Bild von ihm widersprechen?