Sonne und Liebe -kurze Abhandlung nach beendeter Beziehung
„Sonne, oh du großes Gestirn. Was wäre dein Glück, wenn du nicht hättest, welchen Du leuchtest?“*So frage ich mich also: “Was ist denn meine Liebe ohne die Frau, der ich sie schenken darf? Was ist denn meine Wärme, ohne die Frau, die sich an ihr behagt?
So antwortet mir die Sonne: „Viel Liebe hast du in dir und viel Wärme. Es sind deine wertvollsten Schätze und zugleich zerbrechlichsten. Sieh zu, dass du sie nicht leichtfertig verschenkst. Womöglich, an einen Menschen, der ihren Wert verkennt und sie letzten Endes verschmäht. An einen Menschen, den du mit Deiner Wärme nicht zu wärmen vermagst und durch dessen Kälte du am Ende selbst erstarrst und fallen gelassen kalt zerbrichst. Sieh dich also vor, denn es ist dein wertvollstes Gut. Du bist nicht reich genug es leichtfertig zu verschenken!“
So sprach ich zu mir:
„Ich habe meine Liebe verschenkt, doch womöglich war mein Geschenk nicht gut verpackt. Wohl war ich noch zu früh an mir, es weit genug zu öffnen, sie ganz heraus zu lassen. Zu viel Angst hatte ich vor ihrer großen Macht und vor ihrer Zerbrechlichkeit, dass ich es nicht wagte, sie in ihrer ganzen Schönheit zu zeigen. Sie wurde nicht erkannt, weil sie nicht erkannt werden konnte, weil zu vieles sie trübte. Weil ich mich ihrer nicht zu bedienen wusste und sie aus Angst, mich durch sie womöglich in falschem Lichte zu zeigen, halb verdeckte. Aus Angst, mit ihrem Licht zu blenden, aus Angst, mit ihrer Wärme zu verbrennen.
Ich zeigte meine Liebe dem Sonnenschein an einem trüben Herbstmorgen gleich: Weit davon entfernt, in vollem Glanz zu strahlen und verdeckt von finsteren Wolken meiner Zweifel.
Nun sitze ich da mit einer kaputten Liebe, die schmerzt, weil sie nicht dahin kann, wo sie hinzugehen verlangt. Die niemand anderem mehr zuteil werden kann als der Frau, die sie nun nicht mehr haben will, die sie nicht wertschätzen kann, da sie den verborgenen Teil meiner Liebe niemals kennen lernte und das Gezeigte für das Ganze hält. Zu lange trüb war ihr der Himmel, zu lange schwach das Licht. Nicht erklimmen wollte sie die Berge, die sie durch die Wolken führen. Zu steil der Anstieg, zu mühsam und zu schwer.
Doch keine Wolke ist nunmehr vor dem warmen glänzenden Licht meiner Liebe –wohl aber auch niemand, dem ich damit scheinen kann. Des schlechten Wetters überdrüssig ist sie es nun satt, vor die Tür zu treten, unwillig an meinen Sieg über die dunklen Wolken zu glauben, misstrauisch, der Himmel könnte sich erneut verfinstern. Aber die Wolken sind vertrieben. Meine Liebe kann nun scheinen, und das kräftiger als zuvor. Nichts soll sie mehr trüben! Zu gerne würde ich ihr scheinen –ungetrübt, hell und warm, jetzt, da der Himmel klar ist.
So nenne ich also meinen Sieg in einer bitteren Schlacht, in der ich viel verlor, aber letztlich doch gewonnen habe: Nämlich an Erkenntnis und an Licht.
Nun sitze ich da mit meiner Liebe. Selbst geblendet durch ihr helles Licht, selbst gesengt durch ihre große Wärme. Wärme, die mich innerlich verglühen lässt, da sie nun niemanden mehr wärmen kann und die mein Herz verbrennt.
Was nützt mir nun die Erkenntnis? Schürt sie nicht nur noch den Schmerz?
„Schau“, so sprach die Sonne, „ich habe viel mehr Wärme in mir als du dir jemals vorzustellen vermagst und längst nicht jeder Strahl findet sein Ziel. Doch wer aus dem Schatten tritt und sich an mir wärmen möchte, den heiße ich willkommen. Ich liebe die Menschen, denn sie erfüllen mit ihrem Bedürfnis nach Wärme und Licht den Sinn meiner Existenz. Auch wenn ich untergehe, gehe ich doch immer wieder auf, um mein Licht und meine Wärme erneut zu schenken. Am nächsten Morgen womöglich heller und wärmer als am Morgen zuvor.
Wolken und Regen verstecken beiweilen meinen Glanz und schlucken womöglich meine Wärme, so dass ich beides nicht an jedem Tage zeigen kann. Doch die, welche mich einmal gesehen haben, sind geduldig, auf den nächsten Tag zu warten, an dem sich Wolken und Regen verziehen und sie sich meiner vollen Pracht erfreuen dürfen.
Was kümmern mich die Stubenhocker, die sich meiner entsagen! Nicht blenden lasse ich mich durch mein Licht, nicht sengen lasse ich mich durch das Feuer meine Wärme. Zu viele Menschen gibt es, denen ich scheinen kann. Zu viele, die sich an meinem Glanz erfreuen und an meiner Wärme wärmen wollen. Was kümmern mich die bleichen und die blassen, die sich im Verborgenen vor mir verstecken!
Spät ist es nun, und an der Zeit. So will ich heute untergehen, auf dass ich auch morgen wieder scheine!“
„Oh Sonne, es ist wahrlich spät. Heute war ein grauer Tag. So will nun ich auch untergehen, am nächsten Tage hell zu scheinen. Morgen wird ein schöner Tag –weiß ich doch nun Dunst und Nebel zu vertreiben, auf dass man sich erfreuen kann an meinem Glanze. Scheinen will ich denen, die auf meine Strahlen warten! Doch die Nacht wird lang. Einen weiten Weg noch muss ich gehen bis zum nächsten Morgen! Die Dunklen will ich finden, die auf mein Licht, die Kalten will ich finden, die auf meine Wärme warten. Morgen wird ein schöner Tag!“
*Dieser Satz aus Zarathustras Vorrede (Also Sprach Zarathustra -Nietzsche) hat mich zu diesem inneren Dialog angeregt.
Obwohl ich es ursprünglich eigentlich nur für mich geschrieben habe, möchte ich euch nun doch daran teilhaben lassen.
Hoffe, es gefiel