Absichtslosigkeit als Ideologie
Ich bin persönlich ja der Meinung, dass die Forderung nach "Absichtslosigkeit" bei der Tantramassage eine Ideologie darstellt. Wie Slavoj Zizek ziemlich hübsch herausschält, hat jede Ideologie zwei Gesichter: einerseits das, was vordergründig als Forderung bzw. Wert hochgehalten wird; andererseits das, was hintergründig/unbewusst als Forderung in den Raum gestellt wird. Die Ideologie dient nach ihm immer dazu, nicht nur etwas von den Menschen einzufordern, sondern auch etwas anderes zu verschleiern.Um zu ergründen, was die verborgene Seite der Ideologie der Tantramassage ist, ist es aufschlussreich, die vordergründige Seite erst näher zu betrachten.
Bei der Tantramassage, so wird hier immer wieder von verschiedenen Seiten gerne betont, gehe es eben darum, dass das gerade KEIN Sex sei, das müsse man klar trennen. (Ausser dann, wenn beide Seiten dies einvernehmlich vorher abmachen würden.) Es gehe gerade nicht um die Befriedigung der Lust des "Gebenden". Worum es für den Nehmenden genau gehen sollte, bleibt oft ein wenig unklar, ob "Lust" nun dazu gehört oder eher nicht, das bleibt irgendwie etwas seltsam schwammig.
Tantramassage versucht sich also ganz bewusst von etwas abzugrenzen. Die Frage ist bloss: Wovon? Und woher dieses Bedürfnis?
Und das ist es, wo die Ideologie beginnt. Eigentlich braucht man nicht wahnsinnig lange nachzuforschen - das, was offiziell abgelehnt wird, ist genau das, was man gleichzeitig inoffiziell eben tut. Deshalb sind "Huren und Nonnen" in der Fantasie der Menschen eben unzertrennbar miteinander verknüpft.
Und genauso sind "geifernde Tantramasseure" und "absichtslos Gebende" letztlich bloss die beiden Ausprägungen derselben menschlichen Kondition. Es ist letztlich ziemlich absurd: Da liegt ein nackter Mensch vor mir, und als Tantramasseur darf ich gefälligst keine erotischen Gedanken haben. Noch schlimmer: ein steifes Glied kriegen. Und auch "sexy Kleidung" gehört anscheinend nicht dazu. Weil, um die Motivation geht's angeblich. Und die soll ja bittesehr so keusch sein, dass es NUR darum gehe, dem anderen etwas zu GEBEN, ohne selbst etwas zu EMPFANGEN.
Genau hier entlarvt sich die Ideologie also selbst. Denn, so sehr wir auch versuchen, NUR Gebende zu sein, das gelingt natürlich niemals jemandem vollkommen. Wir sind, egal was wir von uns auch glauben, immer vielschichtig. Und insbesondere auch: widersprünglich. Wo Geben die Forderung ist, da ist immer notgedrungen auch die Erwartung des Empfangen mit dabei. Darum auch die ebenfalls absurden Diskussionen um Geld. Es wurde ja schon viel darauf hingewiesen, dass, wer Geld empfängt, ganz und gar nicht absichtslos massiert. Er erwartet Geld, Kohle, Pinkepinke für eine erbrachte Dienstleistung. Und wäre gar nicht glücklich drüber, nichts zu erhalten.
Aber es braucht nicht unbedingt Geld zu sein. So wie Beziehungen nie selbstlos sind, ist auch Tantramassage nie absichtslos. Mutter Theresa war vermutlich eine ziemlich stolze Frau. Und es glaubt wohl niemand, dass Gandhi das Rampenlicht nicht auch genossen hätte. Gerade seine Gewaltlosigkeit erlaubte es ja, die Orgien der Gewalt der Gegenseite in den Köpfen der Menschen zu verankern. Hier ein Mensch der vollkommen friedlich ist. (Angeblich. Ausser zu seiner eigenen Ehefrau.) Dort lauter Menschen, die ganz offensichtlich zu Gewalttätigkeit bereit sind. Das Spiel der Ideologien, also.
Bezeichnenderweise swingen in diesem Forum Swinger, Club-Gänger und Tantramassierende alle kunterbunt durcheinander.
Absichtslose Tantramassierende und notgeil Gedrungene - dasselbe, letztlich. Auch wenn man das von sich selbst nicht so gerne zugibt.