Slavoj Žižek:
"Ich glaube (...), dass die Wahrheit schmerzt. Sie ist schmerzhaft.
Befreiung ist schmerzhaft.
Befreiung heißt nicht: Oh mein Gott jetzt bin ich glücklich und so weiter.
Ein anderer Film (...) Fightclub. Da gibt es eine wunderbare Szene in der Norten seinen Chef schlagen will, aber seine Faust verwandelt sich sozusagen in ein autonomes Objekt und schlägt ihn selber. Das ist der Anfang von Ideologie-Kritik. Um den Feind zu bewältigen, müssen Sie - entschuldigen Sie den Ausdruck - die Scheiße zuerst aus sich selber heraus prügeln."
Tantramassagen schaffen genau dafür einen Raum.
Das Streben danach, diesen Raum aufrecht zu erhalten, beinhaltet, dass man - sollten eigene erotische Absichten, Begierden oder Beziehungsbedürfnisse aufkommen - sich dieser bewusst zu werden und die Handlungsabsicht los zu lassen. Man agiert sie im Rahmen der Tantramassage nicht aus. Und die darauf folgenden Erkenntnisse sind zuweilen schmerzhaft.
Im thread mit den Kleidern gab ich ein Bespiel für Erkenntnisse, die beim Bestreben dem Ritual zu folgen, innerhalb einer Partnerschaft gewonnen wurden. Und ja, zum Ritual gehörte, dass wir uns vor der Tantramassage getrennt entkleideten und danach in dem Raum neu begegneten. Zur Tantramassage - so wie er es in Kursen erlernt hatte - gehörte ebenfalls die Ergebnisoffenheit. Sollte die Einstimmung auf die bevorstehende Massage einem der Beteiligten nicht gelingen, dann gibt es keine. Mit zwei potentiellen Übungspartnerinnen hatte er das bereits erlebt. Doch innerhalb einer Partnerschaft war das auch für ihn ein ganz anderes Kaliber.
„will ich die Frau sein, die eigenständig ihre Alltagshüllen abstreift?
Die, die aus eigenem Antrieb nackig in den nächsten Raum tritt?
(Die Tücher/ Lunghi hatten wir erst später.)
Die Frau, die so wie sie ist einem anderen Menschen begegnet?
Oder: Die Frau, die während des Abstreifen des Alltags bemerkt: "Ich will jetzt gar keine Tantramassage empfangen. Gerade eben klang das Angebot noch verlockend. Aber das ist nicht das, was ich gerade brauche.", und die Tantramassage bleiben lässt.
In solchen Fällen wurde sein Bedürfnis "Gebraucht zu werden" nicht erfüllt und deswegen bewusster.
Umgekehrt dasselbe.
Manchmal ist dem/ der Partnerin gar nicht nach der empfangenden Rolle zumute.
Er/ sie will selbst was tun, sich bewegen, z.B. durch den Wald laufen und kraxeln. Die Aufmerksamkeit primär auf die Natur in der Umgebung lenken. Auf die Art reguliert er/ sie sein Stresslevel selbst. Kommt im Grunde genommen alleine klar.
Womöglich ist man als ebenso aktiver Weggefährte/ Weggefährtin, willkommen. Mehr aber auch nicht. Wenn man seine Aufmerksamkeit ebenso wie der/ die Partner(in) primär auf die Natur lenkt, ist das in Ordnung.
Und ganz ehrlich: Auch mir fiel es schwer seinen Wunsch zu respektieren, wenn ich mir doch Sorgen um meinen Partner machte und ihm gerne helfen, mich um ihn kümmern wollte. Darauf zu vertrauen, dass er im Grunde genommen alleine klar kommt/ Mich in solchen Momenten auf die Stärken meines Partners zu besinnen, fiel mir zu Beginn nicht leicht. Das erforderte viel Selbst-Disziplin. Erst danach konnte ich meine eigene Aufmerksamkeit - ebenso wie er - auf die Natur in der Umgebung lenken.
Das tat ihm aber gut. Und mir auch.
Ich denke, da wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere.
Der Partner wird nicht stärker und selbstbewusster, wenn ich immer für ihn da bin.
Und ich auch nicht.
Manche Herausforderungen alleine zu bewältigen - wie das Abstreifen des Alltags - macht stärker und führt zu mehr Selbstbewusstsein.
Leider hat in dem thread auch keiner der Befürworter von Tantra in Alltagskleidung irgendetwas über die Bewusstwerdung oder Erkenntnisse geschrieben, welche ihm oder ihr im Zusammenhang mit dem Setting des TE möglich wären. Auch meine Frage blieb unbeantwortet: Soll die Fähigkeit, den Alltag abzustreifen davon abhängig gemacht werden, von einer anderen Person gewollt und willkommen zu sein? - Falls ja, würde ich dieses Ansinnen unter D/s-Spielchen einsortieren.
Wenn ich dich richtig verstanden habe, plädierst du
@*****urt nun dafür, in der Tantramassage das Streben nach Absichtslosigkeit komplett aufzugeben. Beziehungsweise meinst du, der Absicht Tantramassage zu betreiben könne man doch erotische Absichten hinzufügen.
Dann wären wir - wie bereits andere im Kleiderthread ausgeführt hatten - bei einer Erotikmassage mit Tantra-Elementen und nicht mehr bei einer Tantramassage.
„Ist es Ideologie oder Tatsache, dass ein Mann, der sich intensiv mit der Kleidung einer Frau beschäftigt, sich somit auch damit beschäftigt, wie die Frau von ihm gesehen werden möchte?
Korrektur: Wenn überhaupt, geht es darum wie sie von ihm
gesehen werden wollte. Der Moment, in dem sie sich diese Kleider anzog ist Vergangenheit. Es ist übrigens ein Kernmerkmal des BDSM mit zeitversetzten Absichten zu arbeiten.
„• Ist es Ideologie oder Tatsache welchen Erlebnisraum eine Person wählt?
Ich bleibe bei meinem Standpunkt: Einvernehmlichkeit vorausgesetzt, spricht überhaupt nichts dagegen, andere Erlebnisräume zu wählen. Man kann Erotikmassagen mit Tantra-Elementen spicken. Man kann auch D/s-Spielchen mit Tantra-Elementen spicken. Doch Tantramassagen sind es dann nicht mehr, da das Bestreben "Absichten los zu lassen" anstatt diese auszuagieren fehlt. Die Grundeinstellungen und Bewusstseinszustände sind andere.
Im Übrigen sind mir weder Tantra-Bücher noch Tantra-Kurse bekannt, in denen das Aufrechterhalten des Rahmens der Tantramassage oder das Loslassen der eigenen Absichten verschleiert wurde.
Dass die Absichtslosigkeit so oft thematisiert wird, hängt meines Erachtens damit zusammen, dass eben genau an dieser Stelle, Selbsterkennisse lauern, die zuweilen schmerzhaft sind.