Bei dem Wort "Coming-out" sind meine Assoziationen einfach durch die Medien sehr auf folgende Szenarien eingeschossen:
• Der homosexuelle Sohn will/muss den ultrakonservativen Eltern von seiner Neigung erzählen. Er bereitet akribisch eine schöne Situation vor, wo er das Gespräch suchen kann. Vorher natürlich tagelang Angst und Sorge und so.
• Jemand aus dem LGBTQ+ Spektrum, meist so im Studentenalter, will jetzt Mal endlich dem Freundeskreis zeigen, wie er wirklich ist. Also macht er eine Party, richtig mit vielen bunten Fahnen, passender Musik, am besten noch auffälliger Kleidung und ab dann läuft er ständig als schriller Paradiesvogel durch die Uni.
Ist natürlich Quatsch, aber das ist, was mir durch diverse Medien vermittelt wurde. Beides passt nicht zu mir, meiner Situation, meinem Leben.
Ich habe in der Pubertät, einfach um mich zu versichern, dass ich die Wahl habe, meine Mutter gelegentlich gefragt "was wenn ich lesbisch wäre?" Es kam immer eine positive "dann ist das so, macht nix, Hauptsache du bist glücklich" Reaktion. Daher wusste ich, meine Eltern sind okay mit meiner Sexualität, egal welches Geschlecht ich liebe. Hat mir als Wissen gereicht.
Etwas schwieriger, aber wirklich nur ein kleines bisschen, war zu erklären, dass ich Bdsm mag. Nicht, weil meine Eltern das nicht akzeptiert hätten, sondern weil das ein sehr fremdes Konzept für sie ist. Aber da habe ich mich auch nicht groß "geoutet". Ich hatte einfach irgendwann ein Halsband an. Mama hat gefragt, was das ist. Ich habe erklärt, sie hat ein paar Fragen gestellt, vor allem im Bezug auf Sicherheit und gut war. Über die Jahre haben sie und meine Schwester dann noch ein paar Fragen gestellt und ich habe Antwort gegeben. Fertig. Keine große Sache. Die genauen Details wissen sie nicht, müssen sie auch nicht, aber wenn mir dann doch Mal was rausrutscht, sind sie nicht schockiert, sondern wissen Bescheid.
Ich glaube, ich habe das große Glück, erstens eine sehr tolerante Familie zu haben, wofür ich unendlich dankbar bin und zweitens, dass ich eine angeborene "ist doch keine große Sache"- Einstellung habe. Ich glaube, das überträgt sich auf die anderen. Zum Beispiel habe ich, weil sich das Gespräch zufällig so entwickelt hat, einer Kollegin erzählt, dass ich Bdsm mag. Aber nicht so "du, ich muss dir was ganz intimes erzählen, du sagst das doch nicht weiter, gell?" sondern so: Das Gespräch führte dahin, dass sie dachte, meine Herrin ginge fremd sozusagen. Das wollte ich richtig stellen. Ich dann so: "nein, nicht deshalb, sondern weil.... Sagt dir Bdsm was" Und dann hat sie nein gesagt und ich habe ganz, ganz grob erklärt (das Wort Herrin ist nicht gefallen). Jetzt weiß sie halt zufällig, dass ich Bdsm mag.
Ich finde das wirklich wichtig, da selbst keine große Sache draus zu machen. Dann tun das nämlich die Zuhörer meistens auch nicht. Und ich finde es wichtig, es nur dann zu erwähnen, wenn es sich zufällig ergibt. Bei mir heißt zufällig meistens: ich bin nicht clever genug um auf eine Frage zu lügen. Zum Beispiel hat mich die Frage, was ich am Wochenende gemacht habe oder machen werde schon mehrfach geoutet. Weil ich gesagt habe, dass ich auf eine Party oder Messe gehe ohne mit der Frage "was für eine?" zu rechnen und dann fällt mir nicht schnell genug eine gute Notlüge ein und ich sage die Wahrheit. Oder weil ich gesagt habe, dass ich bei meiner Freundin war und siehe oben.
Oder jemand fragt, was das für ein Ring ist, den ich trage. Wobei, da habe ich nicht direkt drauf gesagt, dass ich Bdsm mag, aber meine Antworten waren trotzdem Hinweis genug, denke ich.
Von mir aus will ich es nicht in die Welt posaunen, deshalb hatte ich auch kein Coming-out in dem Sinne. Ich antworte bloß auf Fragen.