BA ist weit mehr als keine Labels. Weit mehr, die Freiheit jederzeit selbst zu bestimmen, was für passt oder nicht. So kann eine rein monogame Phase mit dem Rest der Denkweise problemlos verbunden werden.
Unten einige Inputs, wie ich BA sehe und lebe.... seit über 30 Jahren. Damals gab es den Begriff noch gar nicht.
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Beziehungsanarchie: Leben und Lieben nach dem Freundschaftsprinzip (Persönlich)
Für die meisten Menschen ist dieses Modell nur schwer verständlich, da es sich vollständig von der Monogamie und auch weitgehend von den bekannten Regeln und Normen der Polyamorie losgelöst hat.
Beziehungsanarchisten lassen es nicht zu, dass externe Regeln oder soziale Normen bestimmen wie sie mit den Menschen in ihrem Leben umgehen. Sie hierarchisieren die Beziehungen (oft werteneutral als Verbindung bezeichnet) nicht danach, ob diese nun platonisch, romantisch, sexuell oder anderweitig sind. Sie leben den Gedanken jeder Beziehung ihren Lauf nehmen zu lassen, ohne zu versuchen eine Struktur aufzuzwingen.
Das Ziel der Beziehungsanarchie ist nicht, wie einige irrtümlich glauben, eine Politik zu verfolgen, die blind dafür ist, wie sich ihre Handlungen auf andere auswirken. Sie gehen verbindliche wie tiefe Verpflichtungen ein, aber die Bedingungen dieser sind auf individuelle Beziehungen und Wünsche zwischen zwei Menschen zugeschnitten. Es werden nie Verpflichtungen eingegangen, um die Autonomie einer anderen Person einzuschränken. Im Gegenzug werden keinerlei Einmischungen von Drittpersonen akzeptiert.
Das Modell ist derart offen und frei von allen bekannten Konventionen, dass man oft überhaupt nicht verstanden wird vom Umfeld. Es gehe nur um mehr Sex. Es gäbe keine Regeln sowie keine Verpflichtungen. Jeder könne tun und lassen was er wolle. Das alles stimmt nicht mal im Ansatz.
Um was geht es denn dann?
• Es geht darum, der Tendenz zu widerstehen Beziehungen zu hierarchisieren und diese zu bezeichnen.
• Es geht darum, für sich selbst keinen Bedarf zu sehen zwischen romantischen, sexuellen und platonischen Beziehungen sowie reinen Freundschaften zu unterscheiden.
• Es geht darum, Beziehungen das sein zu lassen was sie gerade sind und nicht zu versuchen sie in vorgegebene oder sozial akzeptable Modelle zu zwingen.
• Es geht darum, liebevolle wie hochkomplexe Netzwerke von Gemeinschaft und Unterstützung zu entwickeln. Man vermeidet dabei Strukturen, Definitionen sowie Hierarchien.
• Es geht darum, sich bewusst zu sein wie wir mit anderen umgehen und unsere einzigartigen Verpflichtungen auf jeden Einzelnen in unserem Leben abzustimmen.
• Es geht darum, jeder Beziehung die gleiche Basis zu geben. Diese wird nicht mit einer anderen verglichen oder bewertet. Alle Arten von Bindungen werden gleichgestellt. Niemand ist privilegierter als der andere.
Die Grenzen zwischen reiner Freundschaft, Romantik und allen anderen möglichen Facetten sind kaum wahrzunehmen, da der „Status“ sich jederzeit verändern kann. Es entsteht eine einzigartige Dynamik des Wechselspiels.
Die Entscheidung, wie diese Grenze letztlich verläuft, wird gemeinsam und nicht selten durchdachter festgelegt als bei vielen anderen Modellen. Die gemeinsam festgelegten Regeln können jederzeit gemeinsam abgeändert werden. Es bestehen keine Ideale und kein Standards. Jede Verbindung ist einzigartig.
Die Beziehungsanarchie ist nicht für jede Person gemacht. Nicht-Monogam zu sein oder es leben zu wollen ist lange nicht ausreichend, um dieses Modell ohne Schwierigkeiten und unnötigen Fragestellungen zu leben. Es erfordert eine grosse Offenheit und enorme emotionale Arbeit. Eifersucht sollte nicht im Ansatz vorhanden sein, damit es reibungslos klappt. Freiraum darf nicht nur verlangt werden, sondern muss ohne vorherige Absprache gegeben werden. Besitzdenken und Erwartungshaltung dürfen idealerweise nicht vorhanden sein. Man widersetzt sich grundsätzlich allem, was uns über Beziehungen gelehrt wurde. Viele Menschen versuchen sich daran und scheitern an den genannten Punkten.
Empfohlen wird dieses Modell nur denjenigen Menschen, welche von Geburt an derart offen veranlagt sind. Selbstverständlich kann man es versuchen zu erlernen, nur muss jeder sich bewusst sein, dass wer bereits mit der Polyamorie seine Schwierigkeiten hat, kann mit der Beziehungsanarchie niemals glücklich werden. Die Anforderungen an die eigene Person, das eigene Denken und die nötige Haltung sind weit grösser und verlangen ein ständiges Loslassen.
Schlussbemerkung: Sehe dieses Modell persönlich nicht als eine Weiterentwicklung oder gar etwas Besonderem. Es ist ein eigenständiges Modell, welches zu Menschen wie mir passt. Jeder soll aber das wählen, was ihm zusagt.