Wir haben zu Hause einen 19-jährigen Sohn zu liegen.
In einem Sitzsack.
Den ganzen Tag.
Er riecht auch sehr gediegen.
Also kam ich auf die Idee, ihn in die familiären Pflichten einzubinden und mit einer vertrauensvollen und seiner Intelligenz angemessenen Aufgabe auszustatten: nämlich das Wohnmobil, welches wir heute für die "Übernachtung" nach dem Klitball (besser gesagt für obszöne Sudeleien in den frühen Morgenstunden des Sonntag) nutzen wollen, mit Frischwasser zu befüllen.
Als guter Pädagoge gab ich ihm nur das Ziel vor, nicht jedoch den Weg zur Erfüllung.
Er hatte also die Wahl zwischen:
a) Schlauchwagen aus dem Schuppen holen, an den Außenwasserhahn unseres Hauses anschließen, 20 Meter Schlauch abwickeln, den Außenwassertankanschluss aufschließen, Wasser einlaufen lassen, und dann die gesamte Wirkungskette noch einmal rückwärts ablaufen zu lassen.
oder
b) Innensitzbank hochklappen, Deckel auf, zwei Eimer Wasser reinkippen, fertig.
Mir schwante, er würde sich für b) entscheiden.
Mir fiel ein, dass er früher immer mit uns im Urlaub war, nur noch nicht mit diesem Wohnmobil und er nicht wissen konnte, wo der Wassertank ist.
Mir wurde bewusst, dass wir zwei Sitzbänke haben, eine links, eine rechts des Tisches (man beachte den Genitiv)
Mir war plötzlich bewusst, dass unter der einen Sitzbank der Frischwassertank war; unter der anderen nichts als schwarze, böse, perverse kinky outfits, Sexspielzeug, Peitschen, Dildos, Handschellen, Ketten, Gleitmittel und andere schlimme Sache, die hier nicht mal mehr vom FSK18-Jugendschutz abzusichern wären.
Mir fiel Murphy´s Law ein, nämlich dass alles schief geht, was schief gehen kann. Hier lag eine 50:50 Chance vor.
Mein vom Alter gebeugter Körper schoss aus dem Sessel hoch, sein Odeur lag noch deutlich in der Luft, sein Körper und Geist hatten aber schon lange den Camper erreicht. Ich weiß nicht, welche Entdeckung schlimmer für ihn wäre: die Giftkiste unter der Sitzbank oder der Ordner „Bilder“ auf meinem Laufwerk C:/
Da sich die Eltern die Pflichten der Fürsorge und Erziehung teilen sollten und ich meine Aufgaben für heute als erfüllt wähnte, ging ich nach oben in unser abgedunkeltes Gästezimmer, von wo aus ich ungestörten Ausblick auf das Wohnmobil hatte.
Unser Sohn kam nach verrichteter Arbeit aus der WoMo-Tür, stütze sich noch einmal schwer atmend am Fahrzeug ab und machte den Eindruck, er sei er älter als ich.
Ich sprang zurück in den Hausflur und hörte ihn unten sagen: „Mama, früher als ich noch mit Euch in den Urlaub gefahren bin, hatte ich doch immer unter der rechten Sitzbank meine Kinderbettwäsche, meine Legos, meine Matchboxautos und mein Angelzeug.
Da sind jetzt so komische andere Sachen drin. Alles in schwarz. Alles in kleine Frühstückstüten eingepackt mit komischen Aufschriften. Zum Beispiel Dark Angel, Leatherbitch und sowas.
Mir wäre es lieber, wenn da wieder Legos reinkommen.
Bei Gesprächen zwischen Mutter und Sohn sollte ein Vater nicht immer mithören. So zog ich mich zurück in mein Arbeitszimmer und spielte noch eine Runde World of Tanks.
Ich hoffe, Sybille kann sich blitzschnell auf diese Situation einstellen kommt aus der Nummer irgendwie raus und wir heute doch noch zum Klitball.
Wann ja: wir freuen uns auf Euch.
Sybille und Dirk