Hallo,
Nach Absprache mit dem TE hier mein Senf zum Thema Seilbearbeitung:
Meine persönliche Seilmagie oder: Der Weg des Seils von der Rolle bis ans Bunny
Hallo zusammen,
Ich steuere jetzt mal meine zwei Cent zum Thema „Seilbearbeitung“ bei. Alles was ich hier schreibe ist - wie immer - meine persönliche Meinung und damit weder eine Wahrheit noch eine Weisheit. Ich mache es so, weil es nach vielen Versuchen der Weg ist, der mich zufrieden stellt. Nicht mehr und nicht weniger. Und natürlich übernehme ich auch keine Garantie für den Erfolg! Es gilt immer: Eine gute Portion Misstrauen gegen alles was so geschrieben steht ist Zeichen des gesunden Menschenverstandes. Also lesen, nachdenken, übernehmen was Sinn für einen selbst ergibt.
1 - Ausbacken
Meiner Erfahrung nach bekomme ich Seile auf der Trosse immer mit deutlichem Geruch nach Diesel, was ein Zeichen dafür ist, das es mit reichlich Batching-Oil behandelt wurde. Neben der Tatsache, das ich Mineralölrückstande auf der Haut nicht gut finde, stört mich auch massiv der Geruch. Für mich ist das wie Fesseln an der Tankstelle.
Ich schneide also die Seile nach Länge zu und mache einen festen Überhandknoten am Ende. Noch nichts schickes oder dauerhaftes, weil der erfahrungsgemäß eh noch nachgezogen werden muss
Danach geht es in den Backofen bei 100 Grad (natürlich Celsius) Umluft für 60 Minuten. Das Ganze auf einem Rost, nicht auf einem Blech.
ACHTUNG!!!
• Unbedingt die Küche gut durchlüften und den Rauchmelder ausschalten, es stinkt und nebelt doch erheblich!
• 100 Grad, nicht mehr! Ich habe mal 120 versucht, die Seile waren danach knusprig und hatten keinerlei Tragfähigkeit mehr
• Die Seile sollten nicht die Wände des Backofens berühren, da sie dort heißer werden.
• Nach 60 Minuten lasse ich die Seile abkühlen und mache die Geruchsprobe. Riecht es immer noch nach Diesel, dann kommt eine weitere Runde. Wenn nicht, dann ist der erste Schritt fertig.
2 - Entfusseln aka Seile Brechen
Ich bin zwar nerdig, aber hier setze ich auf moderne Technik. Meine ersten Seile habe ich noch mit Karabiner und den eigenen Armen geschmeidig gemacht, aber inzwischen habe ich diese Aufgabe an meinen Trockner übertragen.
Dazu stecke ich ca. 10 Seile in einen Kopfkissenbezug (80x80) und lasse das ganze dreimal für je 60 Minuten laufen.
• Erste Runde nur Seil, ohne weitere Zutaten
• Zweite Runde mit einem ausgewrungenen Spülhandtuch um die inzwischen furztrockenen Seile wieder etwas zu rehydrieren
• Dritte Runde mit meinem Öl-Lappen. Dieser wird gut getränkt mit Jojobaöl und hat ca. die Größe eines halben Spülhandtuchs.
Wichtig ist, nach jedem Durchgang die Seile und den Bezug auszuschütteln, da sich dort eine Unmenge Flusen sammeln. Je ordentlicher diese entfernt werden, um so besser ist das Ergebnis.
Sollten die drei Durchläufe nicht reichen weil das Seil immer noch strack oder Flussufer ist, mache ich es einfach noch ein- oder zweimal.
3 - Polieren
Jetzt sollten die Seile weich, relativ flusenfrei und neutral oder nach Jojoba riechend sein. Damit kommt der finale Schritt für das Seil an sich, das polieren. Ich trage dazu ein wenig Seilwachs auf (Das Zauberwort ist hier „wenig“). Danach kommt das Seil über den Bambus und wird zweimal in jede Richtung „gebrochen“, also um sich selbst gewickelt und dann in der ganzen Länge durchgezogen. Wichtig ist mir, das ein Durchlauf immer „Hin und zurück“ ist, damit danach das Seil keine Drehspannung hat.
Dieser Schritt wird locker und ohne Kraftaufwand durchgeführt, das Seil ist ja schon weich. Ich arbeite damit nur das Seilwachs gleichmäßiger ein. Es gibt einen schönen Glanz.
Abflammen erspare ich mir meistens, da ich einerseits das Seil schön glatt und ohne „Haare“ habe an dieser Stelle und andererseits helleres Seil schöner finde. Das ist aber reine Geschmacksache.
4 - Endknoten
Jetzt kommen die Endknoten! Und auch hier meine Vorgehensweise aus leidvoller Erfahrung: ich ziehe einfach die Überhandknoten fest. Schöne Dinge wie einen Thistle-Crown-Knot mache ich erst später.
Das liegt daran, das ich oft Probleme mit High Strain habe bei neuen Seilen (wenn sie leicht geschlagen sind. Bei Sammt Seil hatte ich das Problem aber noch nie!).
Hier warte ich dann, bis sich nach ein paarmal fesseln die Kardeelen richtig gelegt haben und ich einen dauerhaften Endknoten in aller Schönheit knüpfen kann.
So, das war es schon, mehr isses gar nicht.