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Conscious Uncoupling

Wie entscheide ich mich für oder gegen eine Trennung?

Es ist Montagabend. Du sitzt auf dem Sofa, dein Kopf schwirrt, dein Herz rast. Dein:e Partner:in läuft im Nebenzimmer auf und ab. Auf dem Küchentisch steht noch euer Abendessen und wird langsam kalt. Schon wieder Streit, schon wieder Eskalation. Und schon wieder dieselbe Frage: Soll ich mich trennen?

Ein Gastbeitrag von Aino Simon

 

Erst Vorbereitung, dann Entscheidung

Wenn du vor dieser Frage stehst, solltest du sichergehen, dass du alles tust, um mit deiner Entscheidung im Nachhinein gut leben zu können. Dafür bedarf es einer gründlichen Vorbereitung. Bestenfalls findest du mit deinem Partner oder deiner Partnerin in einen gemeinsamen und wohlwollenden Prozess. Denn egal, wie die Entscheidung später ausfällt:

Diese Person ist dir wichtig und hat dein Leben geprägt.

Auch wenn sich eure Wege trennen sollten, so bleibt der Wert dieser Verbindung dennoch bestehen. Was der andere für dich bedeutet, was er dir geschenkt, was sie dir beigebracht hat – all das ist Teil deiner Identität. Kappe nicht voreilig und ohne ernsthaftes Bemühen eine Verbindung, die ein so wichtiger Teil deiner Geschichte ist.

Conscious Uncoupling
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Aino Simon ist Paartherapeutin und lebt seit fast 20 Jahren mit ihrem Mann in einer offenen Ehe. Die Gründerin der Couple Care Methode unterstützt Singles, Paare und Gruppen dabei, ihren eigenen Weg in der Liebe zu finden.
Aino Simon ist Teil der Sex Education von JOYclub.

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Deine Beziehung hat vermutlich keine Chance mehr, wenn …

Wenn dein:e Partner:in bereits innerlich zugemacht hat und sich nicht mehr hinwenden möchte – auch nicht, um freundschaftlich und fair voneinander Abschied zu nehmen – dann hast du wenig Chance auf einen Neustart. Wenn Anklagen, Vorwürfe, Kritik und Abschottung euren Alltag dominieren und du nur noch Abwehr und Einsamkeit spürst, ist vermutlich das Ende erreicht. Nimm so schnell wie möglich Abschied und gib dir Raum, deine Verletzungen zu heilen.

Habe ich noch Hoffnung?

Oft ist die Situation aber nicht so eindeutig. Dann gilt es herauszufinden, ob es ein gemeinsames Interesse gibt, zu prüfen, ob und wie ihr eure Beziehung fortsetzen wollt. In diesem Fall besteht durchaus Hoffnung für eine glückliche Zukunft.

Die Hälfte dieses gemeinsamen Interesses musst du einbringen.

Wenn du momentan nicht weißt, ob dieses Interesse bei dir da oder ob es gerechtfertigt ist, findest du im Folgenden eine Übung für mehr Klarheit.

Für jede fundierte Entscheidung benötigt man eine möglichst breite Datenlage. Bei der Frage, ob du in deiner Beziehung noch Potenzial siehst, liegen diese "Daten" in erster Linie in dir selbst. Um sie zu entdecken, braucht es die Mühe und den Mut, dich ehrlich, offen und neugierig mit dir selbst und deiner Beziehung zu beschäftigen.

Ende Gelände

Deine innere Forschungsreise

Menschen neigen dazu, ihre Erinnerungen an die Vergangenheit, ihre Wahrnehmung der Gegenwart, sowie ihre Erwartungen für die Zukunft stark durch ihren momentanen Gefühlszustand färben zu lassen. Das kann zu Entscheidungen aus dem Affekt heraus führen, die sich später nicht mehr stimmig anfühlen.

Um systematisch die Grundlage für deine Entscheidung zu schaffen, ist es sinnvoll, so bewusst wie möglich in die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft deiner Beziehung zu reisen. Damit verschaffst du dir ein klareres Bild deiner Beziehung.

Besorge dir etwas zu schreiben. Nimm dir Zeit, die folgenden Fragen schrittweise zu bearbeiten – zum Beispiel jeden Tag 10-20 Minuten.

Der Blick zurück

Der Blick in die Vergangenheit hilft, die Beziehung in ihrer Ganzheit zu betrachten. Häufig sehen wir nur das aktuelle Dilemma oder die Krise. Wir vergessen dabei, was wir schon alles miteinander erlebt haben, was uns verbindet, was wir aneinander schätzen. Daher ist es sinnvoll, einen Blick zurückzuwerfen. Es kann passieren, dass du dabei feststellst, dass ihr nie wirklich zueinander gepasst habt und eure Beziehung durchgängig von Konflikten geprägt war. Das ist zwar eine enttäuschende Erkenntnis, kann dich aber im weiteren Prozess unterstützen.

Nimm dir in Ruhe mindestens zwei Stunden Zeit, eventuell verteilt auf mehrere Schreibsitzungen. Am meisten profitierst du von dieser Rückschau, wenn du wirklich alle Fragen ausführlich beantwortest. Das kann herausfordernd sein. Vielleicht ist es für dich hilfreich, dich darüber mit einer vertrauten Person auszutauschen.

Alles echt?

 

Euer Kennenlernen

Gerade der Anfangszeit einer Beziehung kann ein Zauber inneliegen. Diese besonderen Momente und Erfahrungen sind die Grundlage für einen gemeinsamen Weg.

  • Wie habt ihr euch kennengelernt?
  • Was waren die Besonderheiten eures Kennenlernens und wie hast du dich in der Anfangszeit deiner Beziehung gefühlt?
  • Beschreibe konkrete Momente und Erlebnisse und erinnere dich daran, wie du diese Zeit erlebt hast.
  • Was hat sich damals für dich verändert? Was war wichtig?
 

Phasen in eurer Beziehung

Beziehungen durchleben verschiedene Etappen. Diese können geprägt sein durch entscheidende Veränderungen wie eine gemeinsame Wohnung oder die Geburt eures Kindes. Auch auf den ersten Blick "banalere" Dinge können eine Etappe markieren.

  • Welche Phasen und Etappen hat es in deiner Beziehung gegeben?
  • Was war in den Phasen und Etappen deiner Beziehung jeweils wichtig für dich?

Tipp

Es hilft oft, eine Grafik oder Mindmap zu erstellen, um die verschiedenen Etappen besser betrachten zu können.

 

Einfluss der Beziehung auf dein Leben

Es geht hier um Wertschätzung. Dein:e Partner:in hat dich geprägt und du hast dich wahrscheinlich durch eure Beziehung verändert. Möglicherweise merkst du aber auch, dass du dich in eine Richtung entwickelt hast, die dir nicht gefällt. Auch das wäre eine wichtige Information.

  • Was hast du von deinem:r Partner:in gelernt?
  • In welcher Hinsicht hat er oder sie dich und dein Leben geprägt und verändert?

 
Intimität und Nähe in der Beziehung verändern dich.
Intimität und Nähe in der Beziehung verändern dich.
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Der Blick aufs Hier und Jetzt

Manchmal brauchen Menschen einen kleinen Schubs, um wirklich zu erforschen, was die Zweifel und die Krise auslöst. Denn Verdrängen scheint oftmals viel leichter. Es ist einfach, dem Gegenüber die Schuld zu geben. Wir verschließen gern die Augen vor den Gründen, die in uns selbst liegen. Sich damit auseinanderzusetzen, ist aber zwingend notwendig. Nur so kannst du eine informierte Entscheidung treffen und gegebenenfalls Lösungswege finden, die eure Beziehung retten.

Und im Fall einer Trennung hilft diese Auseinandersetzung dabei, dass dieselben Probleme in einer anderen Beziehung nicht erneut auftreten.

Gefühlsmäßig ausgelaugt

 

Die Beziehung heute

Schau ehrlich und ungefiltert auf den Ist-Zustand eurer Beziehung. Welche Themen beschäftigen dich elementar und welche Konflikte sind eher nebensächlich?

  • Was sind die Gründe dafür, dass du heute daran zweifelst, ob du die Beziehung fortsetzen möchtest?
  • Was ist der schlimmste Konflikt, der momentan deine Beziehung belastet?
  • Welche Bedürfnisse kannst du im Augenblick in deiner Beziehung nicht befriedigen?
  • Welche Bedürfnisse kann dein:e Partner:in im Augenblick nicht befriedigen?
  • Was sind die gesunden Anteile deiner Beziehung? Was schätzt du an ihr? Was tut dir gut?
  • Welche Blockaden gibt es in deiner Beziehung?
  • Wie behinderst du dich selbst dabei, eine Beziehung nach deinen Vorstellungen zu leben?

Der Blick in eine ungewisse Zukunft

In diesem Schritt triffst du noch nicht die Entscheidung, ob du dich trennst. Gleichwohl wirst du beide Varianten intensiv untersuchen und mental "ausprobieren". Hierbei ist wichtig, dass du dir inneren Freiraum gibst, ohne dich zu zensieren oder zu bewerten. Lass dich einfach treiben und folge deinem Instinkt. Gib deiner Fantasie Raum. Alles, was du hier schreibst, wird dir später wertvolle Selbsterkenntnis bieten.

Bitte beantworte folgende Fragen für dich im Präsenz. Versetze dich in die jeweilige Situation hinein und beschreibe sie detailliert.

 

Das Szenario "Trennung"

  • Was geschieht, nachdem du deinem:r Partner:in mitgeteilt hast, dass du dich trennst?
  • Was fühlst du und was tust du?
  • Wie reagiert dein:e Partner:in?
  • Was lässt du zurück und was gewinnst du?

 

Zum Beispiel:

Ich sage meinem Partner, dass ich mich trenne. Mein Partner sieht gequält aus und in mir spüre ich einen stechenden Schmerz. Ich fühle mich schuldig. Ich will ihn in den Arm nehmen, gleichzeitig kann ich das gerade nicht. Ich verlasse ohne ein weiteres Wort die Wohnung, weil ich es nicht aushalte. Ich sitze in einem Café und ich weiß, dass ich mich nun wirklich trenne. Mir fallen tausend Aufgaben ein, die jetzt zu tun sind … Zwischen all dem Schmerz fühle ich mich erleichtert, und ich fühle eine eigenartige Vorfreude auf das, was kommen wird.

 
Wenn das Schweigen Überhand nimmt, kann eine Trennung erlösen.
Wenn das Schweigen Überhand nimmt, kann eine Trennung erlösen.
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Das Szenario "gemeinsamer Neustart"

  • Was geschieht, nachdem du deinem Partner deine Entscheidung mitgeteilt hast?
  • Wie fühlt sich das an? Welche positiven und welche negativen Gefühle hast du?
  • Wie reagiert dein:e Partner:in?
  • Hast du Zweifel? Welche?
  • Welche Wünsche hast du an deine zukünftige Beziehung?

Deine Entscheidung treffen

Nachdem du beide Varianten schriftlich ausgiebig erkundet hast, suche dir zwei verschiedene Orte in deiner Wohnung. Der eine Ort steht für das Szenario der Trennung, der andere für einen gemeinsamen Neustart.

Begib dich jetzt an einen der beiden Orte, lies dir alles, was du zuvor zu dieser Variante aufgeschrieben hast durch und schließe deine Augen.

Welche Bilder tauchen um dich herum auf? Was nimmst du wahr, wenn du ganz in dieses Szenario eintauchst? Was siehst, hörst, riechst, schmeckst und fühlst du? Lass es ganz real werden.

Dann spüre in deinen Körper hinein. Wie fühlt sich dein Körper in diesem Szenario an? Welche Körperhaltung nimmst du ein? Scanne deinen Körper von unten nach oben ab. Was kannst du wahrnehmen? Wo fühlt sich dein Körper angenehm an, wo unangenehm? Wo zieht es sich vielleicht zusammen? Wo wird es eng? Wo wird es weit? Nimm dir ein paar Minuten Zeit, um deine Körperwahrnehmungen zu spüren.

Dann wechsle zu dem anderen Ort in deiner Wohnung und mache dieselbe Übung mit dem zweiten Szenario. Mach dir bewusst, beide Szenarien haben Vorteil und Nachteile. Beide machen dir vermutlich Angst und beide versprechen dir etwas anderes.

Die Frage ist, wo zieht es dich hin? Was ist dir wichtig?

In beiden Fällen wirst du vermutlich Angst haben, dass es die falsche Entscheidung sein könnte, daher ist Angst kein guter Ratgeber. Höre lieber auf das (noch) unbekannte Glück, das dich ruft.

Wie auch immer du dich entscheidest: Du kannst jetzt hinter deiner Entscheidung stehen, mit der Gewissheit, sie bewusst durchdacht und "durchfühlt" zu haben.

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