„Kann man Polyamor nur mit dem Kopf leben, oder...
Kann man Polyamor nur mit dem Kopf leben, oder brauch es auch Gefühle?
Sorry, aber allein schon der Begriff Polyamor beinhaltet Gefühle.
„Mir ist aufgefallen, dass es, besonders in der Welt der polyamoren Menschen, auffällig viele gibt, die aus meiner Sicht vollkommen verkopft sind und über alles eine Grundsatzdiskussion führen wollen. Und das nahezu bei jedem Thema!
Meine Erfahrung ist da eher gegenteilig.
Hier befinden wir uns im Joy, in Foren, mit Fragestellungen und dementsprechenden Antworten.
In der realen Welt ist mir viel häufiger ein "Nicht-Poly" begegnet, der nicht aufhören konnte, Grundsatzdiskussionen mit mir zu führen, warum ich nicht der "normalen Meinung" bin, weshalb ich diesen "anderen Ansatz" interessant und häufig sinnvoll finde.
Gespräche mit anderen Polys im "Real Life" verliefen bisher immer äußerst angenehm, geprägt vom Interesse am anderen und seiner Art, Poly zu leben.
In keinem Fall waren unsere Varianten identisch, aber ich musste nie irgendwelche Grundsatzdiskussionen führen oder meine Einstellung zu bestimmten Punkten rechtfertigen.
Ganz anders bei überzeugten "Monos".
„Zum Beispiel gibt es bei dem Thema „Ist Polyfühlend mit "Cheatern" vereinbar?", zum einen erfreulich viele, die offen, für die individuellen Gefühlen und Beweggründe derer sind, die da abseits ihrer monogamen Beziehung, nach Wärme, gehalten Werden und Sex suchen.Aber es befinden sich auch einige, die zum einen, wie mit Scheuklappen, NUR aus Ihrer Polyamorenwelt sehen, und auch einige, die offensichtlich meinen, mit ihren „Eiserne Gesetzen“ über allem zu stehen.
Kann es sein, daß du den Trugschluß ziehst, daß ein Mensch, der für sich seinen Weg gefunden hat, mit den Werten an die er glaubt und den Prioritäten, die er für sich setzt, uninteressiert, verbohrt und eingebildet ist, wenn er seinen Standpunkt verteidigt ?
Ich höre mir liebend gerne die Ansichten von anderen kann, kann mich auch gerne davon überzeugen lassen, daß ich mich geirrt habe, ABER ich muss nicht alles gut finden, nicht zu allem JA sagen und vorallem nicht alles als Bestandteil meines Lebens wollen, nur weil jemand anders seiner Meinung nach gute Gründe für seine Einstellung und sein Verhalten hat.
Jeder wie er es für richtig hält mit den Argumenten an die er glaubt.
Genau das gleiche Recht hätte aber auch ich gerne, wenn ich nach dem Anhören der Argumente zu ihm sage : "Okay, wenn du das so siehst ist das deine Sache! Ich stimme dir nicht zu!"
Manche predigen absolute Offenheit, andere bestehen auf Diskretion, manche wollen absolute Freiheit ohne Einschränkungen, anderen ist ein "Gerüst" oder "Regelwerk" wichtig.
Richtig oder falsch gibt es da nicht, nur die eigene Erfahrung, das Wissen um einen selbst und die Art wie man fühlt und leben möchte. Alles, was ich sage oder poste ist meine Meinung, gilt für mich und die Menschen, die mit mir in irgendeiner Form eine engere "Beziehung" eingehen wollen.
Ich will definitiv niemand bekehren oder von meiner Meinung überzeugen, aber so wie jeder andere sage ich "das sind meine unverhandelbaren Basics".
„Manche kommen mir so vor, als würde sie mit dem Grundsatz leben: Ich habe meine Vorverurteilungen, verwirr mich nicht mit Fakten“!
Und was sollen diese "FAKTEN" bitte sein ?
Fakt ist für mich, was ich in meinem Leben erlebt habe.
Fakt ist meine Erfahrung mit mir und meinen Gefühlen und Reaktionen auf Verhaltensweisen von anderen. Fakt ist der Schmerz und die Angst, welche ich aufgrund von bestimmten Triggern verspüre, genauso wie das Glück und die Freude beim Erleben von Nähe, Respekt und Toleranz.
Deine Fakten kratzen nicht an meinem Grundgerüst, denn es sind nicht meine.
Wenn auf beiden Seiten ehrliches Interesse besteht, kann man sich gerne über die Unterschiede austauschen, aber weder von der einen noch von der anderen Seite aus mit dem Vorsatz, die Fakten des anderen durch die eigenen zu schlagen oder als minderwertig oder falsch zu entlarven.
Wie ich in dem von dir erwähnten Threat „Ist Polyfühlend mit "Cheatern" vereinbar?" geschrieben habe, hatte ich vor kurzem eine Erfahrung machen müssen/dürfen , welche genau hierzu passt :
Zwischen einer Arbeitskollegin und mir entwickelte sich über Jahre hinweg eine Freundschaft, aus der aber zunächst nicht mehr wurde. Sie ist unglücklich verheiratet und suchte
„....abseits ihrer monogamen Beziehung, nach Wärme, gehalten Werden und Sex
Unsere Beziehung begann sich zu entwickeln, aber ich habe ihr von Anfang an gesagt, daß ich nicht weiß, ob ich das auf Dauer mitgehen kann und will, wenn sie ihrem Mann gegenüber nicht die Wahrheit sagt. Wir hatten und haben beide starke Gefühle füreinander, aber auch nach 10 Monaten hat sie es ihrem Mann nicht gesagt. Ich fühlte mich immer unwohler, unsere gemeinsame Zeit war getrübt und die Freude aneinander nicht frei von Schuldgefühlen meinerseits.
Nun sag du mir :
Meine Entscheidung, die Beziehung zu ihr zu beenden war
a) verkopft an meinen Grundprinzipien festgehalten
b) überhaupt nicht verkopft sondern eine Reaktion auf meine eigenen Gefühle
c) egoistischer "Wenn-du-nicht-machst-wie-ich-will"-Mist , ohne ihre Gründe zu respektieren, weshalb sie ihre Ehe nicht aufs Spiel setzen möchte
d) gesunder Selbstschutz, gespeist aus der eigenen, persönlichen Erfahrung (Fakten!!!) , wie es sich anfühlt , der "Betrogene und Belogene" zu sein
Der Sinn von dem, was wir hier tun ist doch der Austausch, der Input mit neuen, anderen Sichtweisen und Einstellungen. Weshalb also sollte man das "verkopft" nennen ?
Auch wenn ich die Beweggründe und GEFÜHLE verstehen kann, weshalb jemand sich entgegen einer Absprache verhalten hat, gegen gemeinsame "Grundprinzipien" verstoßen hat usw. , so ändert dies zunächst erstmal nichts an der Enttäuschung und dem Schmerz. Ups! Schon wieder GEFÜHLE!
Hervorgerufen durch....."Verkopftsein?" ....."Ignoranz?"......."Menschlichkeit"?......"Liebe?"