die eine einzige
Angestoßen durch die 2 Seiten der einen einzigen versuche ich mal zu verfassen was mir so durch die Runkel schießt.
Zunächst bin ich versucht Liebe als ein Gefühl uneingeschränkter Nähe, Vertrautheit und Verbundenheit zu einem anderen Menschen zu beschreiben, begleitet von dem Wunsch, sich mit dem anderen möglichst wohl zu fühlen und Unannehmlichkeiten zu vermeiden, bzw. Unannehmlichkeiten, die uns von außen ereilen dadurch zu überwinden, dass wir sie mit gemeinsamen Annehmlichkeiten erträglich gestalten.
Und darin zeigt sich auch schon der Irrtum. Nach meiner bisherigen Erfahrung stellt sich dieses Gefühl von uneingeschränkter Nähe und Verbundenheit bereits ein, wenn ich gerade begonnen habe, den anderen kennen zu lernen. Da wir uns ja schneller und unbemerkter ändern als uns lieb ist, was ja auch für den anderen gilt, werde ich natürlich niemals damit fertig, den anderen kennen zu lernen. Solange ich den anderen noch nicht vollständig kenne, so unmöglich das auch ist, ergänze ich meinen Eindruck vom anderen durch meine Idee von ihm, also meiner Vorstellung von ihm. Das ist natürlich gerade zu Beginn sehr viel Vorstellung und sehr wenig „kennen“.
Je länger ich einen Menschen „kenne“ umso mehr Erfahrungen teilen wir miteinander und, ersetzen in unserem Gedächtnis Vorstellungen durch gemeinsame Erfahrungen und Erlebnisse. Ja, wenn ich noch einmal genauer hinschaue, dann bin ich mir nicht so sicher, ob ich sie wirklich ersetze oder doch lieber nur ergänze. Wenn ich bedenke wie viele längst vergessen geglaubte Erinnerungen mir bei den unpassendsten Gelegenheiten wieder zu Bewusstsein kamen, dann entscheide ich mich lieber für „ergänzen“.
Das macht die Sache leider schon deshalb nicht einfacher, weil ich die Entscheidung zu Nähe, Vertrautheit und Verbundenheit ja sehr früh getroffen und fataler Weise untrennbar verbunden mit einem intensiven Gefühl des Wohlbefindens in mein Gedächtnis gebaut habe. Und wenn ich mich recht entsinne hatte ich dieses prachtvolle Gebäude auf einem Fundament von Vorstellungen gegründet. So richtig erdbebensicher erscheint mir das nicht. Ist doch jedes Mal, wenn ein Ereignis am Fundament, meiner Vorstellung, rüttelt, mein ganzes Luftschloss von Nähe, Vertrautheit, Verbundenheit und Wohlbefinden in Gefahr. Furcht erschüttert dann zuerst mein Wohlbefinden, womöglich gefolgt von der Frage, ob denn der Leim unserer Liebe, nämlich Nähe, Vertrautheit und Verbundenheit das Gebäude zusammenhalten können.
Ich meine, dass wir im Laufe des gemeinsamen Lebens den Leim durch unzählige Notnägel stabilisieren, zum Teil gemeinsam, zum Teil jeder für sich.
Gerade diejenigen Nägel, die jeder für sich eingeschlagen hat, halte ich für nicht so tragfähig, weil wenn der andere sie entdeckt, für überflüssig hält und herauszieht, droht schon wieder eine Katastrophe.
Es kann ja auch sein, dass man mit dem einen oder anderen Nagel dem Partner einen Zu- oder Ausgang verschließt, was dann? Da wir wohl nicht einmal ein Zehntel dessen, was wir tagein, tagaus so anstellen, bewusst anstellen, geschweige denn die Folgen umfassend abschätzen können, ist die Wahrscheinlichkeit recht gering, dass wir das vermeiden können. Dann wird Liebe zur Freiheitsberaubung, zum Glück ja nur, wenn der Partner zufällig gerade durch diese eine vernagelte Tür hinaus will, wo ihm doch zehn andere offen stehen. Vielleicht sind auch zehn vernagelt und nur eine steht offen. Das ist dann widerum keine Freiheitsberaubung, solange man durch die anderen zehn sowieso nicht raus will.
Nun bin ich aber zweifellos auf der anderen Seite der Liebe angelangt und ein Beispiel fällt mir dazu noch ein. Meine Liebe zu meinen Kindern schien mir oft bedingungslos zu sein, schließlich konnten sie ja anstellen, was ihnen so einfiel, ohne dass meine Liebe zu ihnen zerbrach. Aber ich fragte mich nicht selten, ob ich auch dann noch zu ihnen halten würde, wenn sie zum Verbrecher werden würden. Ich konnte mir nie vorstellen, mich selbst dann von ihnen abzuwenden. Aber wie oft habe ich sie aus liebevoller Fürsorge an etwas gehindert, wonach ihnen der Sinn stand? Habe ich sie da nicht auch in ein komfortables Gefängnis aus Liebe gesperrt? Nun ja, zu meiner Entschuldigung kann ich anführen, dass ich die Wände mit Freiheit tapeziert hatte.
Liebe als Idee, als Vorstellung. Ja ich glaube es ist nicht mehr aber auch nicht weniger. Und zumindest hat sie die Funktion eines Ringes, an dem uns das Leben von der Geburt zum Tod an der Nase führt. Das Schöne dabei ist, dass uns das Leben vorgaukelt, wir würden einer leckeren Möhre hinterherlaufen.
Ohne darüber nach zu denken, schrieb ich nicht „eine“ Idee, bzw. „eine“ Vorstellung. Das musste wohl so sein, denn wie man hier lesen kann, bin ich selbst nicht mit einer einzigen Vorstellung mein ganzes Leben lang ausgekommen. Ich vermute, das geht allen so. Wenn dann auch noch jedes Lebewesen mehrere Vorstellungen davon hat, und so wie sich das Leben aus meiner Sicht zeigt, sie sich alle in wenigstens einem Aspekt oder einer Nuance von allen anderen unterscheiden, so wie sich auch Zwillinge immer unterscheiden, dann komme ich zu dem Schluss: die eine einzige wahre Liebe sind alle Vorstellungen gemeinsam. Und gäbe es eine einzige Variante nicht, so gäbe es keine wahre Liebe.
In Liebe verbunden,
R1icke