Wer das Wort "sadistisch" ...
im Sprachschatz hat, der sollte sich schon mit dem auseinandersetzen, was Pate für die Wortkreation stand. Das habe ich mir zumindest gedacht, als ich mir die vier Bücher "Justine und die Leiden der Tugend" angetan habe.Muss man es gelesen haben? Nein, denn als BDSM-Anregung sind die Bücher völlig ungeeignet. Alles was de Sade durch seine Protagonisten (allesamt Würdeträger und angesehene Mitglieder der feine aristokratischen Gesellschaft) tun lässt, ist brutal, menschenverachtend, abscheulich und gesetzeswidrig sowieso. Einvernehmlich passiert da nie etwas mit den Opfern. De Sade hat die Manuskripte im Gefängnis geschrieben und so kann ich nur hoffen, dass das die Ursache seiner übelsten Gewaltfantasien sind.
Mir ist einfach nicht klar, ob de Sade seine Neigungen ausgelebt hat oder ob er die Heuchelei der ach so feinen Gesellschaft entlarven wollte. Abscheu für die Missetaten seiner Figuren und für den Autor hat es jedenfalls zur genüge bei mir erzeugt.
Was mich allerdings fasziniert hat, waren die brillanten philosophischen Dispute, die sich die brutalen aber hochintelligenten Übeltäter, mit der dauer-naiven und beratungsresistenten Justine liefern, die bis zum Schluss der Geschichte stoisch an das Gute im Menschen glaubt und fest überzeugt ist, dass sich tugendhaftes Betragen am Ende auszahlt. Und darin steckt meiner Meinung nach, der wahre blasphemische Gedanke des Buches. Gut und tugendhaft sein ist was für's dumme gefügige Volk. Egoismus und Rücksichtslosigkeit wird belohnt und führt zu maximalen Lustgewinn und Reichtum noch zu Lebzeiten.
Habe mich danach gefragt, ob es heute immer noch diese zwei Gruppen von Menschen gibt und zu welchen ich gehören will.
LG
M.